Meister des Schnelldaumens
Der Bass-Virtuose Marcus Miller beendet furios die Saison in der Friedrichsau. Dabei hatte er den Machern zunächst Sorge bereitet
Ulm Ein wenig Bammel hatten die Zelt-Macher ja schon, denn lange sah es so aus, als würde ausgerechnet der letzte Auftritt der Saison zum finanziellen Flop werden: Der Kartenverkauf für den Bass-Maestro Marcus Miller lief lange recht schleppend. Das lag wohl am Preis, denn knapp 60 Euro pro Ticket sind für dieses Festival schon eine echte Hausnummer. Die Sorgen erwiesen sich letztlich als unbegründet, mit rund 600 Menschen war der Platz vor der Bühne angemessen befüllt. Und der Auftritt selbst war tatsächlich mehr als nur ein würdiger Abschluss – er war eine Krönung.
Den Jüngern muss man ja nicht mehr erzählen, was dieser Mann alles kann und mit wem er schon gespielt hat. Er stand an der Seite von unglaublich vielen Größen des Soul, Jazz und Rock, er wurde mit Preisen überschüttet. Miller hat den vielleicht schnellsten Funk-Daumen des Planeten. Wenn er damit die Saiten schlägt, rattert das nicht einfach nur rasant, es hat auch einfach Ton. Was er mit seinen Fingern anstellen kann, lässt jede Kinnlade nach unten klappen.
Mit federndem Funk-Jazz starten Marcus Miller und seine vier Mitmusiker in diesen Virtuosen-Abend, um schon im dritten Song einen ersten Höhepunkt zu erstürmen: In einer ausgedehnten Version verbeugen sie sich vor dem Monsterhit der Temptations, „Papa Was A Rolling Stone“, und zerlegen ihn gründlich. Der Bass übernimmt die Gesangsstimme, biegt immer wieder auf verschlungene Solo-Pfade ab und treibt am Ende mit dem markanten Drei-Töne-Riff wie ein kräftiger Herzschlag ein wunderbar präzises Schlagzeugsolo an. Wer da noch zum Anfang die markante WahWah-Gitarre des Originals vermisste, vergaß sie schnell, denn an diesen Abend ist einfach der Bass das Maß aller Dinge. Doch Marcus Miller kann nicht nur unglaublich die Saiten knallen und schnalzen lassen, er spielt auch wunderbar warm und brummend, wenn es drauf ankommt, wie etwa in „I Loves You Porgy“aus George Gershwins Oper „Porgy And Bess“. Hier singen die Saiten beseelt. Berührend ist auch Marcus Millers Erzählung über seinen Vater, der erst kürzlich mit 92 Jahren gestorben ist. Der wollte einst klassischer Profimusiker werden, doch hängte er für die Liebe und die Familie die Karriere an den Nagel, verdiente sein Geld als Busund U-Bahnfahrer. Nur sonntags spielte er in der Kirche. Dafür konnte sein Sohn den Traum des Vaters verwirklichen und schon als Teenager eine Profikarriere einschlagen. Besonders stolz war der Vater, als er seinen Sohn mit Miles Davis spielen sah. Der war eminent wichtig für die Karriere von Marcus Miller. Für ihn hat er nicht nur gespielt, sondern auch komponiert, etwa das Stück „Tutu“, die letzte Nummer vor den Zugaben. Doch Miller und Co spielen sie nicht schlurfig wie im Original, sondern als zackigen Funk. Die Band schlägt Funken aus dem alten Material, dass es eine wahre Freude ist. Nach solchen Auftritten wünscht man sich, die Zeit bis zur nächsten Zeltsaison möge schneller vergehen.