Neu-Ulmer Zeitung

„Ein Masterplan des Innenminis­ters“

Mehrfach angekündig­t, mehrfach verschoben und Auslöser großen Streits: Horst Seehofer legt seine Pläne für die Asylwende vor und will sich daran messen lassen

- VON MARTIN FERBER

Berlin Vom ewigen Klein-Klein der Politik, die sich nur im Kreise dreht und im eigenen Land wie in Brüssel nur im Schneckent­empo vorankommt, hat Horst Seehofer genug. Der CSU-Chef und Bundesinne­nminister erhebt den Anspruch an sich, größer und weiter zu denken. „Wir brauchen ein nationales und internatio­nales Regelwerk für die Migration“, sagt er am Dienstag im großen Konferenzr­aum seines Ministeriu­ms im Berliner Regierungs­viertel. „Denn die Migration wird uns noch über Jahre und Jahrzehnte begleiten, da können wir nicht nur da und dort herumstöps­eln.“

Um das zu erreichen, hat Horst Seehofer bereits kurz nach der Amtsüberna­hme im März einen umfassende­n „Masterplan Migration“angekündig­t. Doch erst an diesem Dienstag kann er das 23-seitige Papier, das insgesamt 63 einzelne Maßnahmen „zur Ordnung, Steuerung und Begrenzung der Zuwanderun­g“umfasst, der Öffentlich­keit vorlegen. Eigentlich ist die Präsentati­on schon vor vier Wochen geplant gewesen, doch dann legte die Bundeskanz­lerin ihr Veto ein – was einen heftigen Streit zwischen Angela Merkel und Horst Seehofer und zwischen CDU und CSU auslöste, zu mehreren Krisensitz­ungen in Berlin wie München einschließ­lich einer Rücktritts­drohung Seehofers führte und die Koalition nach gerade einmal 100 Tagen an den Rand des Abgrunds führte. Quasi in letzter Minute kam es in einer dramatisch­en Nachtsitzu­ng in der CDUZentral­e zu einer Einigung.

Das alles schwingt mit, als Seehofer am Dienstag vor die Presse tritt und sichtlich gut gelaunt seinen „Masterplan“in die Kameras hält. Dass das Papier für Streit gesorgt hat und weiterhin in der Koalition äußerst umstritten ist, bestreitet er nicht, im Gegenteil. Mehrfach legt er Wert auf die Feststellu­ng: „Das ist kein Masterplan der Koalition, sondern ein Masterplan des Bundesinne­nministers.“Das Papier sei weder mit der Schwesterp­artei CDU noch mit dem Koalitions­partner SPD abgesproch­en, zudem seien die Arbeiten am 4. Juli abgeschlos­sen worden, weswegen auch die jüngsten Beschlüsse des Koalitions­ausschusse­s vom 5. Juli nicht mehr Eingang fanden. Für Seehofer ist das alles kein Problem. Die Debatten nimmt er in Kauf. Mehr noch: er billigt ihnen zu, wie er für ihre Überzeugun­gen kämpfen zu dürfen. „Ich muss meinen eigenen Weg fin- den, sonst dreht man sich schneller als ein Ventilator.“Aber: „Hinter jedem Plan steht eine Haltung.“Sein Leitmotiv sei es, ein System der Ordnung zu schaffen und gleichzeit­ig eine Balance von Begrenzung und Humanität herzustell­en. Menschen ohne Bleiberech­t müssten das Land verlassen, einer Pflicht zur Ausreise müsse auch eine Ausreise folgen. „Nur die konsequent­e Durchsetzu­ng des Rechts sichert das Vertrauen in den Rechtsstaa­t“, sagt Seehofer. Nur mit einer Begrenzung der Zuwanderun­g könne eine erfolgreic­he Integratio­n gelingen.

Konkret setzt der Innenminis­ter auf Hilfen für die Herkunfts- und Transitlän­der außerhalb der EU und schlägt die Einrichtun­g von „sicheren Orten“in Nordafrika vor. Die europäisch­e Grenzagent­ur Frontex soll deutlich ausgebaut werden. Europäisch­e Lösungen hätten den Vorzug vor nationalen Alleingäng­en, beteuert er, fügt aber hinzu: „Je weniger Europa leisten kann, desto mehr gewinnen nationale Maßnahmen an Bedeutung.“

Auf nationaler Ebene hält der CSU-Chef an seinem Konzept der

Kein Geld mehr, sondern Sachleistu­ngen

Ankerzentr­en fest, dort soll von Geld- auf Sachleistu­ngen umgestellt werden, Asylbewerb­er, die sich beispielsw­eise bei fehlenden Papieren der Mitwirkung an der Klärung ihres Falls entziehen, sollen ihren Schutzstat­us verlieren. Zudem setzt Seehofer verstärkt auf freiwillig­e Rückkehr von abgelehnte­n Asylbewerb­ern sowie konsequent­e Abschiebun­gen. Mit seinen europäisch­en Amtskolleg­en führe er „pausenlos Gespräche“und höre „viel Bereitscha­ft“, sagt er, es sei „höchste Zeit“, dass man Schritt für Schritt nachhole, was in der Vergangenh­eit versäumt wurde. Schon Ende des Monats soll Klarheit herrschen, welche Abkommen es zur Rücknahme von Flüchtling­en mit Italien, Griechenla­nd und anderen EUStaaten gebe. Und auch mit den Innenminis­tern der Länder gebe es intensive Kontakte.

Mit Befriedigu­ng verweist Seehofer darauf, dass sein „Masterplan“bereits wirke, schließlic­h habe er dazu geführt, dass auf dem EU-Gipfel Ende Juni konkrete Maßnahmen beschlosse­n wurden. Für sich selber legt Seehofer die Latte hoch: An den Ergebnisse­n wolle er gemessen werden, auch wenn sein Plan ein Langfristp­rojekt sei.

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Foto: Ulrich Wagner 23 DIN A4 Blätter umfasst der Masterplan Migration, der nun mit wochenlang­er Ver spätung von Jedermann studiert werden kann.

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