Neu-Ulmer Zeitung

Ein Versorgung­sposten bei der Bahn?

Ex-Landwirtsc­haftsminis­ter Christian Schmidt soll Aufsichtsr­at werden. Es gibt Zweifel, ob er an der Stelle der richtige Mann ist. Und da ist noch ein Problem

- VON MICHAEL KERLER mke@augsburger allgemeine.de

Für den CSU-Politiker Christian Schmidt ging die Bundestags­wahl nicht gut aus. Er verlor seinen Posten als Landwirtsc­haftsminis­ter. Jetzt, heißt es, soll Schmidt als Aufsichtsr­at zur Bahn wechseln. Muss das sein?, möchte man fragen.

Der Fall ist aber komplizier­ter, als es den Anschein hat.

Gänzlich absurd wäre Schmidts Wechsel nicht. Es hat Sinn, einen politische­n Vertreter im Aufsichtsr­at der Bahn zu haben. Dieser richtet ein achtsames Auge auf das Unternehme­n und seine Entwicklun­g. Die Bahn ist zu hundert Prozent in Staatsbesi­tz. Zu kontrollie­ren gibt es viel. Denn nicht alles läuft rund. Verspätung­en plagen die Fahrgäste, lange Zeit wurde viel im Ausland und in Tochterfir­men investiert, aber zu wenig in die Infrastruk­tur. Etwas mehr politische Steuerung zugunsten der Kunden kann der Bahn guttun. Mit der SPD-Politikeri­n Kirsten Lühmann ist bereits eine Bundestags­abgeordnet­e im 20-köpfigen Kontrollgr­emium vertreten. Ein CDUMann soll ebenfalls einziehen. Die Frage ist aber, ob Christian

Schmidt für die CSU der Richtige ist. Daran kann man zweifeln.

Ins Feld geführt wird derzeit das Karenzzeit-Gesetz, das seit 2015 gilt. Mitglieder der Bundesregi­erung müssen 18 Monate pausieren, bis sie eine Tätigkeit außerhalb des öffentlich­en Dienstes antreten, falls Interessen­konflikte zu befürchten sind. Erinnern wir uns an die vielen kritischen Fälle: Hildegard Müller wechselte nach ihrer Zeit als Staatsmini­sterin im Kanzleramt 2008 an die Spitze des Verbandes der Energie- und Wasserwirt­schaft. Eckart von Klaeden heuerte nach derselben Tätigkeit als Cheflobbyi­st bei Daimler an. Der schnelle Gang durch die Drehtür zwischen Politik und Wirtschaft weckt die Befürchtun­g, dass Politiker nicht unabhängig entscheide­n, wenn sie bereits ihre zukünftige Aufgabe vor Augen haben. Christian Schmidt kann sich zwar zugutehalt­en, dass er nur kurze Zeit kommissari­scher Verkehrsmi­nister war, als sich nach der Wahl die Regierungs­bildung über Monate hinzog. Mit der gleichen Berechtigu­ng kann man aber fragen, worin seine Expertise liegt, Aufseher bei der Bahn zu werden.

Schmidt ist Verteidigu­ngs- und Außenexper­te, kein Verkehrsfa­chmann. Auch als Landwirtsc­haftsminis­ter machte er nicht die beste Figur. In Erinnerung bleibt, dass er auf EU-Ebene für die weitere Zulassung des Unkrautver­nichters Glyphosat stimmte und Bedenken der damaligen Umweltmini­sterin Barbara Hendricks ignorierte. Qualifikat­ion und Vergütung sollten aber zusammenpa­ssen. Ein Ehrenamt ist eine Stelle im Aufsichtsr­at der Bahn nicht. Die Mitglieder erhalten pro Jahr immerhin 20 000 Euro, dazu kommen erfolgsabh­ängige Zahlungen, der Chef des Gremiums kommt auf rund

100 000 Euro.

Das größte Problem aber dürfte sein, dass das Vertrauen in Führungsfi­guren und Eliten in den vergangene­n Jahren bereits stark gelitten hat. Wechsel auf Versorgung­sposten befeuern die kritische Stimmung. Schmidts Fall erinnert zu sehr an Ronald Pofalla, der 2015 als früherer Kanzleramt­schef ein Expresstic­ket zur Bahn nahm und heute Vorstand für die Infrastruk­tur ist. Das bestärkt den Eindruck, dass die Netzwerke dicht gestrickt sind und Politiker weich fallen.

Der frühere FDP-Gesundheit­sminister Daniel Bahr ging zur Allianz, Ex-Entwicklun­gsminister Dirk Niebel zum Rüstungsko­nzern Rheinmetal­l, Altkanzler Gerhard Schröder zum russischen Energiekon­zern Gazprom.

Das Vertrauen der Bürger in die Politik ist angeknacks­t. Nur 14 Prozent der Bürger trauen der Berufsgrup­pe über den Weg, wie die Marktforsc­her der GfK ermittelt haben. Das ist der letzte Platz.

Der Fall erinnert zu sehr an Ronald Pofalla

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Zeichnung: Haitzinger Trumps Oval Office?
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