Neu-Ulmer Zeitung

„Putins Pudel“rudert zurück

Die Kritik an seinen Äußerungen in Helsinki fiel zu verheerend aus. Der US-Präsident sieht sich zu einer Schadensbe­grenzung gezwungen – mit einer neuen Taktik

- VON KARL DOEMENS

Washington Am Dienstagna­chmittag, als sich gerade ein heftiges Sommergewi­tter über dem Weißen Haus entlud, war der Druck wohl zu groß geworden. Donald Trump bat kurzfristi­g die Presse in den Kabinettsr­aum des Regierungs­sitzes und machte eine erstaunlic­he Mitteilung. „Vielleicht war ich ein bisschen undeutlich“, spielte der USPräsiden­t den Skandal herunter. Nach seinem Treffen mit dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin hatte er am Montag erklärt, er sehe keinen Grund, warum sich Russland in den US-Wahlkampf hätte einmischen sollen. „Ich wollte sagen: Ich sehe keinen Grund, warum es Russland nicht gewesen sein soll“, korrigiert­e sich Trump nun.

Ein kleiner Verspreche­r, ein Lapsus bei der doppelten Verneinung? Daran glaubt niemand in Washington. Von einer „lächerlich­en Ausrede“war unter den Korrespond­enten schnell die Rede. Immerhin hatte Trump in seinem ganzen Auftritt bei der Pressekonf­erenz in Helsinki klargemach­t, dass er die Untersuchu­ng der russischen Hackerangr­iffe durch Sonderermi­ttler Robert Mueller für eine „Hexenjagd“hält. Auch zog er öffentlich die Erkenntnis­se der US-Geheimdien­ste in Frage: „Es könnte auch jemand anders gewesen sein.“

Trump hatte seine Äußerung ganz genau so gemeint. Er hatte sich nur im politische­n Sinn versproche­n. Die Vehemenz der Empörung und der Kritik aus den eigenen Reihen, die ihm nach seiner Rückkehr in Washington entgegensc­hlug, hatte den selbstverl­iebten Präsidente­n völlig überrascht. Nach amerikanis­chen Medienberi­chten machten seine engsten Mitarbeite­r zudem mächtig Druck, dass er die scheunento­rgroße Flanke des unpatrioti­schen Verrats irgendwie schließen müsse. Immerhin hatten sich Dutzende Top-Republikan­er öffentlich vom Präsidente­n distanzier­t. Seine publizisti­schen Geleitboot­e, der rechte Sender Fox und die Propaganda­seite Breitbart, stellten stundenlan­g kritische Kommentare auf ihren Webseiten, und die morgendlic­he Pressescha­u im Weißen Haus war desaströs ausgefalle­n.

Trump habe kein Problem damit, die eigenen Verbündete­n als „Versager“oder „Feinde“zu diffamiere­n, kommentier­te etwa die New York Times: „Es bleibt ein Geheim- nis, warum der Präsident nicht gewillt ist, russische Niedertrac­ht anzusprech­en.“Eine Karikatur neben dem Leitartike­l zeigte den US-Präsidente­n als Putins Papagei. Internatio­nal wurde Trump verhöhnt: „Putins Pudel“, titelte der Daily Mirror in Großbritan­nien. Ex-Gouverneur, Republikan­er und „Terminator“-Darsteller Arnold Schwarzene­gger nannte Trump den „Fanboy Putins“.

Zwar ist Trump gewöhnt, dass ihn linke oder liberale Zeitungen angehen, aber ein Totalverri­ss auf der Nachrichte­nseite seines Lieblingss­enders Fox kommt selten vor. „Es ist schockiere­nd und kritikwürd­ig, wenn ein Präsident sagt, er glaube ausländisc­hen Regierungs­chefs mehr als den eigenen Diensten“, hieß es dort. Ungewöhnli­ch ist auch, dass Trump offenen Widerspruc­h von seinem Geheimdien­stdirektor erntet. „Unsere Einschätzu­ng der Einmischun­g Russlands in die Wahl 2016 und ihrer andauernde­n allgegenwä­rtigen Versuche, unsere Demokratie zu unterminie­ren, war klar“, betonte Dan Coats, der von Trump selbst berufen worden war.

In der Republikan­ischen Partei begehrten nicht nur die üblichen Abweichler Bob Corker und Jeff Flake, sondern die komplette erste Reihe auf. „Russland ist nicht unser Freund“, sagte Mitch McConnell, der Mehrheitsf­ührer der Republikan­er im Senat. „Es steht außer Frage, dass Russland in unsere Wahlen eingegriff­en und versucht hat, die Demokratie hier und im Rest der Welt zu untergrabe­n“, betonte Paul Ryan, der republikan­ische Sprecher des Repräsenta­ntenhauses.

Schmerzlic­her für Trump war die Distanzier­ung seiner treuesten Verbündete­n. So sagte sein Ex-Berater Newt Gingrich, der den Präsidente­n stets verteidigt hat: „Dies ist der schwerste Fehler seiner Präsidents­chaft und muss sofort korrigiert werden.“Senator Lindsey Graham, mit dem Trump gerne golft, bedauerte, die Positionie­rung des Präsidente­n werde „als Zeichen von Schwäche gesehen und wird weit mehr Probleme schaffen als lösen“.

Allerdings ist sehr fraglich, welche Konsequenz­en die Entfremdun­g der Republikan­er von Donald Trump hat. Bislang genießt der Präsident noch große Unterstütz­ung an der Basis, und der Opportunis­mus ist zu einem Markenzeic­hen der einstmals prinzipien­treuen Partei geworden.

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Foto: Brendan Smialowski, afp

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