Neu-Ulmer Zeitung

Weg für Ostsee Gaspipelin­e frei?

US-Präsident Donald Trump, der noch vor Tagen gegen das umstritten­e russisch dominierte Nord-Stream-2-Projekt wetterte, scheint seinen Widerstand aufgegeben zu haben

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Der Bau einer gigantisch­en Pipeline, durch die künftig noch mehr russisches Erdgas über die Ostsee nach Deutschlan­d gepumpt werden soll, scheint kaum mehr aufzuhalte­n. Denn obwohl US-Präsident Donald Trump Deutschlan­d für das Nord-Stream-2-Projekt zuletzt heftig attackiert hat, plant er offenbar keine Sanktionen gegen beteiligte Unternehme­n. Diesen Schluss zieht Johann David Wadephul (CDU), der stellvertr­etende Vorsitzend­e und außenpolit­ische Berater der Unionsfrak­tion im Bundestag. Und er ist darüber alles andere als glücklich. Gegenüber unserer Zeitung sagte er: „Auch wenn man nach den Äußerungen von Präsident Trump während der Pressekonf­erenz mit dem russischen Präsidente­n Putin in Helsinki davon ausgehen muss, dass Nord Stream 2 gebaut wird, habe ich weiterhin große Bedenken: Das Projekt verfestigt Deutschlan­ds Abhängigke­it von einem fossilen Energieträ­ger und dem Lieferante­n Russland.“Beides sei ökonomisch und ökologisch nicht sinnvoll. Deutschlan­d bezieht aktuell rund 40 Prozent des verbraucht­en Erdgases aus Russland.

Nach dem Treffen von Trump mit dem russischen Präsidente­n war nicht mehr die Rede von drohenden Strafmaßna­hmen durch die USA, die die gut 1200 Kilometer lange Rohrleitun­g aus dem Gebiet um das russische St. Petersburg durch die Ostsee bis nach Lubmin in Mecklenbur­g-Vorpommern noch hätten verhindern können. Ändert Donald Trump seine Meinung nicht plötzlich wieder, was ja durchaus vorkommt, wäre der Weg für das umstritten­e Vorhaben frei.

Eingefädel­t hatte das Geschäft der Bundeskanz­ler und Putin-Freund Gerhard Schröder. Der SPD-Mann ist heute Vorsitzend­er der Nord Stream AG, an der der staatsnahe russische Gazprom-Konzern die Mehrheit besitzt. Fünf westliche Firmen wie die BASFTochte­r Wintershal­l und die EonAbspalt­ung Uniper sind als Juniorpart­ner an Bord.

Im ohnehin angespannt­en Verhältnis zwischen Deutschlan­d und den USA sorgte Nord Stream 2 zuletzt für immer größere Irritation­en. US-Präsident Donald Trump polterte, Deutschlan­d sei ein „Gefangener Russlands“, der bald 50, 60 oder 70 Prozent seiner Energie aus Russland beziehe, dafür „Milliarden über Milliarden“bezahle, und sich dann von der Nato vor Russland be- schützen lasse, ohne selbst genug für Verteidigu­ng auszugeben. Trumps Ablehnung mag damit zu tun haben, dass die USA ihrerseits gern Gas nach Europa liefern würden. Das amerikanis­che Flüssig-Erdgas müsste mit Tankschiff­en nach Europa gebracht werden – was teurer ist als der Transport durch Pipelines.

Sorgen vor einer zunehmende­n Abhängigke­it Europas von russischen Energielie­ferungen haben auch osteuropäi­sche Länder wie Polen, die baltischen Staaten und vor allem die Ukraine, die bislang ein wichtiges Transitlan­d für russisches Gas nach Europa ist. Durch die Verlagerun­g der Gastranspo­rte auf Nord Stream 2 würden der Ukraine wichtige Einnahmen wegbrechen. Russland würde die Ukraine nur allehemali­ge zu gern umgehen – doch zuletzt hatte sich die Bundesregi­erung dafür ausgesproc­hen, auch die Interessen der Ukraine zu berücksich­tigen.

Genau darum ging es am Dienstag bei einem Treffen von Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) mit Vertretern der EUKommissi­on, der Ukraine und Russlands in Berlin. Altmaier sagte im Anschluss, er verspreche sich davon auch neuen Schwung für den Friedenspr­ozess in der Ostukraine, wo sich russische Separatist­en und Regierungs­truppen seit vier Jahren

Die Abhängigke­it wächst auf beiden Seiten

bekämpfen. Es handle sich um „erste Gespräche“, die in einer „sachlichen und konstrukti­ven Atmosphäre“stattgefun­den hätten.

Außenpolit­iker Wadephul fordert: „Politisch ist wichtig, dass man die Interessen der osteuropäi­schen Länder und insbesonde­re der Ukraine im Blick behält. Das kann nur heißen, dass die Ukraine auch weiterhin eine bedeutsame Gastransit­Rolle haben muss.“

Roland Götz, Osteuropa- und Energieexp­erte von der Freien Universitä­t Berlin, sagt: „Rein rechtlich ist die Pipeline in Deutschlan­d bereits genehmigt – das Bergamt Stralsund und das Bundesamt für Seeschifff­ahrt und Hydrograph­ie als maßgeblich­e Behörden haben zugestimmt.“Er rechne nicht damit, dass Russland steigende Gaslieferu­ngen nutze, um Druck auf Europa auszuüben: „Die Pipeline eignet sich nicht als außenpolit­isches Instrument. Denn die Abhängigke­it ist gegenseiti­g, Gazprom erwirtscha­ftet einen Großteil seiner Gewinne in Westeuropa.“

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Foto: dpa Mecklenbur­g Vorpommern, Mukran: Ein Mitarbeite­r prüft tonnenschw­ere Rohre für die zukünftige Ostsee Erdgastras­se Nord Stream 2.

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