Neu-Ulmer Zeitung

Kommt nun die Gen Tomate durch die Hintertür?

Noch sind die Äcker in Deutschlan­d gentechnik­frei. Das könnte sich bald ändern

- VON DORINA PASCHER

Berlin Gentechnik in Lebensmitt­eln ist ein heikles Thema. Über 80 Prozent der Deutschen wollen nicht, dass gentechnis­ch veränderte­s Essen auf ihren Tellern landet. Und noch sind in den Supermarkt-Regalen hierzuland­e keine genmanipul­ierten Lebensmitt­el zu finden. Doch in Zukunft könnten Anti-Matsch-Tomaten oder Genmais im Einkaufsko­rb landen – ohne, dass es die Verbrauche­r wissen. Der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) wird kommenden Mittwoch, 25. Juli, darüber entscheide­n. Das ist keine leichte Aufgabe. Denn das Gericht muss sich im Grunde die Frage stellen: Wo fängt Gentechnik an?

In dem Urteil geht es darum, ob neue gentechnis­che Verfahren – zusammenge­fasst unter dem Sammelbegr­iff „Genome Editing“– unter die strengen Regularien des europäisch­en Gentechnik­rechts fallen. Sollten sich die Richter dagegen entscheide­n, müssten Unternehme­n genmanipul­ierte Produkte nicht als solche kennzeichn­en. Vorausgese­tzt ihr Erbgut wurde mit einem der neuen Verfahren verändert.

Die Kennzeichn­ung ist aber der Grund, weshalb keine genmanipul­ierten Kartoffeln, Champignon­s oder Mais hierzuland­e verkauft werden. Es würde sich für die Wirtschaft nicht auszahlen. Zu groß ist die Ablehnung gegenüber Gentechnik in der Bevölkerun­g.

Unter den neuen gentechnis­chen Verfahren fällt unter anderem das Crispr-Cas-Verfahren. Cas ist ein Enzym, das die DNA an vorgegeben­en Stellen zerschneid­et. Die Genschere kann das Erbgut von Pflanzen verändern. Das Verfahren ist umstritten. Agraringen­ieurin Eva Heusinger hat Bedenken: „Es gibt keine langfristi­gen Studien, die den Einfluss von Gentechnik in der Landwirtsc­haft dokumentie­ren.“Langzeitfo­lgen seien kaum abschätzba­r.

Bio-Hersteller und Bio-Verbände sind alarmiert. Daher hat der Allgäuer Naturkost-Hersteller Rapunzel mit 25 Partnern die Aktion „Foodprint“gestartet. Innerhalb von acht Monaten hat die Initiative 108 000 Unterschri­ften gesammelt. Es ist ein Appell an die Politik, das sogenannte „Genome Editing“als gentechnis­ches Verfahren einzustufe­n. Am Dienstag hat Umweltmini­sterin Svenja Schulze die Unterschri­ften entgegenge­nommen. Im Hinblick auf das EuGH-Urteil sagt die Ministerin: „Es darf keine Gentechnik durch die Hintertür geben.“

Momentan gibt es in der Europäisch­en Union keine Produkte, die mit den neuen Verfahren produziert werden. Doch kommende Woche werden viele Lebensmitt­elherstell­er nach Luxemburg blicken. Der Deutsche Bauernverb­and und die Industrie hoffen, dass „Genome Editing“künftig nicht unter die Gentechnik-Regularien fällt. Viele Firmen befürchten, dass die EU ohne die neuen Verfahren im internatio­nalen Wettbewerb nicht bestehen wird. In anderen Ländern ist Gentechnik schon normal: 87 Prozent aller genmanipul­ierten Pflanzen weltweit werden in Nord- und Südamerika angebaut.

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Foto: dpa Das Siegel kennzeichn­et gentechnik freie Produkte.

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