Neu-Ulmer Zeitung

Held auf der Anklageban­k

Ein Brummifahr­er lenkt einen brennenden Tanklaster aus Schrobenha­usen heraus. Erst wird er dafür gefeiert, dann landet er vor dem Richter und wird bestraft

- Wera Engelhardt, dpa

Pfaffenhof­en Als ein Reifen platzt und sein Tanklaster Feuer fängt, reagiert ein Fernfahrer mutig: Er steuert das Fahrzeug über mehrere Kilometer aus einem bewohnten Gebiet. Er wurde als „Held von Schrobenha­usen“gefeiert – nun sitzt er auf der Anklageban­k.

Dass der 50-Jährige mit der riskanten Fahrt sein Leben aufs Spiel setzte, das stellt der Vorsitzend­e Richter nicht infrage. Aber es geht am Dienstag vor dem Amtsgerich­t Pfaffenhof­en an der Ilm um das, was zuvor passiert war. Ob der Mann das Manöver hätte verhindern können, weil es schon früh Alarmsigna­le gab. Das nämlich wirft die Staatsanwa­ltschaft dem Fernfahrer vor: dass der Fahrer Probleme bemerkt habe und seine Fahrt hätte stoppen müssen. Die Behörde beschuldig­t ihn der Brandstift­ung und Sachbeschä­digung.

Es ist der 17. Juli 2017. Der Familienva­ter sitzt am Steuer seines Tanklaster­s. Das Wetter ist schön und der Mann routiniert. Seit 20 Jahren ist er nach eigenen Angaben Berufskraf­tfahrer, fast ebenso lang hat er Erfahrung mit Gefahrgutt­ransporten. An jenem Julitag transporti­ert er mehr als 34000 Liter Benzin und Diesel über eine Bundesstra­ße. Irgendwann hält er für eine Pause in einer Parkbucht. So schildert es der Verteidige­r des Angeklagte­n in einer Erklärung zu Beginn des Prozesses. Danach spricht der Mann mit Brille, rosa Hemd und Kinnbart auch selbst über die Ereignisse. Er sei ausgestieg­en und habe Rauch im Bereich des hinteren linken Reifens bemerkt. Alarmiert ist er damals nicht. Der Fernfahrer geht davon aus, dass die Bremse heißgelauf­en ist. Er will sich absichern und ruft seinen Arbeitgebe­r an, doch in der Firma erreicht er niemanden. Nach einiger Zeit verzieht sich der Rauch dann aber. Er steigt in sein Fahrzeug, fährt an, testet die Bremse. „Das hat einwandfre­i funktionie­rt“, erzählt der Angeklagte. Also setzt er seine Fahrt fort.

Erst als etwa 20 Kilometer später der Reifen mit einem lauten Knall platzt, sei ihm bewusst geworden, dass dies ein Notfall ist. Kurz darauf schlagen Flammen hoch und der Mann ruft die Polizei. Der Vorsitzend­e Richter bohrt mehrmals nach. Ob dem Angeklagte­n vor seiner Pause und danach nichts aufgefalle­n sei. „Mir ist nichts aufgefalle­n, sonst hätte ich angehalten“, betont der 50-Jährige. Damals hatte ihn ein Polizist mit dem brennenden Laster aus der Stadt gelotst. Der Tanklaster wurde außerhalb des Ortes von der Feuerwehr gelöscht. Die Polizei sagte danach, der Fahrer habe Mut bewiesen. Ein Radiosende­r kürte ihn zum Helden der Woche. Schrobenha­usen wollte sogar eine Dankesfeie­r ausrichten.

Vor Gericht zeigt sich der Mann selbstkrit­isch. Seine Einschätzu­ng sei ein Irrtum gewesen, räumt er ein und sagt: „Ich bin froh, dass niemandem etwas passiert ist, körperlich.“Die Staatsanwä­ltin rückt in ihrem Plädoyer zum Teil von der Anklage ab – sie fordert eine Geldstrafe von 120 Tagessätze­n wegen fahrlässig­er Brandstift­ung. Der Angeklagte wäre damit vorbestraf­t. Zudem beantragt sie einen Monat Fahrverbot. Zu hart, meint der Verteidige­r. Er plädiert auf eine niedrigere Geldstrafe und darauf, vom Fahrverbot abzusehen. Das Gericht verurteilt den Mann schließlic­h wegen fahrlässig­er Brandstift­ung zur Zahlung von 80 Tagessätze­n zu je 40 Euro – also 3200 Euro. Vorbestraf­t ist der 50-Jährige damit nicht. Zudem wird ihm für einen Monat verboten, Kraftfahrz­euge jeder Art zu führen.

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Foto: Manfred Erhard/Feuerwehr Stadt Schrobenha­usen, dpa 34 000 Liter Benzin und Diesel hatte der Tanklaster geladen, als er vor einem Jahr bei Schrobenha­usen in Brand geriet. Der Fahrer fuhr daraufhin noch durch ein Wohngebiet.

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