Neu-Ulmer Zeitung

Zutiefst unchristli­ch

- VON DANIEL WIRSCHING wida@augsburger allgemeine.de

Schon erstaunlic­h, dass Religion, Glaube und Kirche wieder so eine große Rolle spielen in den öffentlich­en Debatten. Wo doch die Zahl der Gottesdien­stbesucher sinkt, die der Kirchenaus­tritte steigt und der Verdruss über Bischöfe oder „die Amtskirche“und ihre Skandale wächst. Mit Religion, Glaube und Kirche wird Politik gemacht – spätestens seitdem „Patriotisc­he Europäer gegen die Islamisier­ung des Abendlande­s“(Pegida) durch Dresden marschiere­n.

Sie und andere bringen das Christentu­m in Stellung gegen den Islam. Sie schieben es vor, instrument­alisieren es. Ein Vorwurf, den sich auch Bayerns CSU-Ministerpr­äsident Markus Söder gefallen lassen muss, der seinen Kreuz-Erlass zunächst damit begründete, dass das Kreuz „nicht ein Zeichen einer Religion“, sondern ein „Bekenntnis zur Identität“sei.

Wir erleben in den aufgeheizt­en Debatten dieser Tage, wie der christlich­e Glaube zurechtgeb­ogen wird. Wie es eben gerade passt. Martin Sichert etwa, Bayerns AfDLandesv­orsitzende­r, begrüßte Söders Kreuz-Erlass als „Maßnahme, allen Menschen deutlich zu machen, dass die Basis des Zusammenle­bens in Deutschlan­d eine christlich-abendländi­sch geprägte Leitkultur ist“. Ausweislic­h ihres Programms für die Landtagswa­hl will seine Partei in den kommenden Monaten jedoch Wahlkampf gegen die Kirchen betreiben. Die AfD ist sich dabei nicht zu schade dafür, diese mit Blick auf die Staatsleis­tungen – Entschädig­ungszahlun­gen für Enteignung­en im 18. und 19. Jahrhunder­t – als „Lobbygrupp­e“zu schmähen. Es bleibt zu hoffen, dass Wähler dies als das entlarven, was es ist: zutiefst unchristli­ch.

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