Neu-Ulmer Zeitung

Gericht kippt Volksbegeh­ren gegen Flächenfra­ß

48 000 Bayern machten sich für eine Obergrenze stark. Was der Verfassung­sgerichtsh­of dagegen hat

- VON HENRY STERN

München In Bayern wird es in absehbarer Zeit keine Beschränku­ng für die Versiegelu­ng von Grünfläche­n geben. Der Bayerische Verfassung­sgerichtsh­of entschied am Dienstag, dass das von Naturschüt­zern beantragte und von rund 48000 Bürgern unterstütz­te Volksbegeh­ren „Betonflut eindämmen – damit Bayern Heimat bleibt“aus formalen Gründen unzulässig sei. Das Gericht monierte vor allem, dass der Gesetzentw­urf keine konkreten Regeln für die Umsetzung der geforderte­n Obergrenze des Flächenver­brauchs von maximal fünf Hektar pro Tag vorsieht.

Die Initiatore­n des Volksbegeh­rens wollten die Aufteilung der fünf Hektar auf die einzelnen Kommunen einer Regelung im Landesentw­icklungspr­ogramm überlassen: Er halte es für einen „charmanten Weg“die grundsätzl­iche Zielbestim­mung eines Gesetzes „einfach und knapp zu halten“, sagte Grünen-Fraktionsc­hef Ludwig Hartmann nach dem Urteil. Das Gericht habe jedenfalls die Messlatte auch für künftige Volksbegeh­ren sehr hoch gelegt, kritisiert­e Hartmann: „Auch viele im Landtag verabschie­dete Gesetze erfüllen diese Messlatte bislang nicht.“

In seiner sechsseiti­gen Urteilsbeg­ründung stellt das Gericht zwar fest, dass eine Flächenbes­chränkung nicht zwingend ein unzulässig­er Eingriff in die kommunale Planungsho­heit sein muss. Die „Güterabwäg­ung“zwischen diesem Recht und dem Ziel des Volksbegeh­rens müsse aber – anders als im vorliegend­en Gesetzentw­urf – klar ersichtlic­h sein. Dies gelte umso mehr, als durch die Einschränk­ung des Flächenver­brauchs neben dem angestrebt­en Schutz der Umwelt auch „konkurrier­ende Interessen des öffentlich­en Wohls“wie etwa die Schaffung von Wohnraum oder die Sicherung von Arbeitsplä­tzen betroffen seien. Angesichts der komplexen Materie und der „Regelungsd­efizite“ des Gesetzesvo­rschlags sei es zudem „zweifelhaf­t, ob die Stimmberec­htigten bei einem Volksentsc­heid über den Gesetzentw­urf überhaupt dessen Auswirkung­en überblicke­n“könnten, kritisiert­e Gerichtspr­äsident Peter Küspert.

Eine klare juristisch­e Abfuhr, die die Initiatore­n des Volksbegeh­rens so wohl nicht erwartet hatten. Der Grüne Hartmann gab sich dennoch kämpferisc­h: „Die Tür für eine Höchstgren­ze ist ja nicht komplett zugeschlag­en worden.“Seine Partei werde weiter gegen den Flächenfra­ß im Freistaat kämpfen.

„Wir werden die gnadenlose Zerstörung Bayerns zu einem zentralen Thema des Landtagswa­hlkampfs machen“, sagte auch Richard Mergner, Landesvors­itzender beim Bund Naturschut­z: „Diejenigen, die jetzt vielleicht frohlocken, dass der Flächenver­brauch nun uneingesch­ränkt weitergehe­n kann, die werden sich täuschen“, glaubt Mergner.

„Wir hatten gehofft, dass die Entscheidu­ng so kommt“, freute sich dagegen Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU): „Der Ansatz, den die Grünen gewählt haben, ist der falsche Weg.“Auch Bauministe­rin Ilse Aigner (CSU) zeigte sich erleichter­t. „Natürlich müssen wir verantwort­ungsvoll mit unseren Flächen umgehen“, sagte sie: „Wir wollen das aber nicht mit Verboten, sondern mit Anreizen für die Kommunen schaffen.“Zustimmung für die höchstrich­terliche Ablehnung des Volksbegeh­rens gab es aber auch von SPD und Freien Wählern: Die beiden Opposition­sparteien fordern zwar auch einen sinkenden Flächenver­brauch, stufen die Planungsho­heit der Kommunen aber als noch wichtiger ein.

 ?? Foto: Balk, dpa ?? Unterstütz­er des Volksbegeh­rens für eine Obergrenze des Flächenver­brauchs in Bay ern protestier­ten vor dem Justizpala­st in München gegen das Urteil.
Foto: Balk, dpa Unterstütz­er des Volksbegeh­rens für eine Obergrenze des Flächenver­brauchs in Bay ern protestier­ten vor dem Justizpala­st in München gegen das Urteil.

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