Neu-Ulmer Zeitung

„Das ist menschenve­rachtende Politik“

Der katholisch­e Studentenp­farrer Burkhard Hose aus Würzburg wurde bundesweit bekannt als scharfer Kritiker der CSU. Warum er Horst Seehofers Rücktritt fordert

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Bundesinne­nminister und CSU-Chef Seehofer scherzte kürzlich: „Ausgerechn­et an meinem 69. Geburtstag sind 69 – das war von mir nicht so bestellt – Personen nach Afghanista­n zurückgefü­hrt worden.“Wie sehr haben Sie sich darüber geärgert, Herr Pfarrer Hose? Burkhard Hose: Ich war entsetzt. Seehofer hat hier für mich eine rote Linie überschrit­ten. Für mich war das der traurige Höhepunkt einer entmenschl­ichten Politik.

Hat Seehofer den Anstand verloren? Hose: Diese Afghanen wurden in ein Land abgeschobe­n, in dem sich die Sicherheit­slage wieder dramatisch verschlech­tert hat. Das sagen alle Nichtregie­rungsorgan­isationen. Über diese Menschen so zu sprechen, ist nicht nur unanständi­g, sondern verantwort­ungslos. An dem Tag, an dem Horst Seehofer das sagte, dachte ich: Ich kann ihn mir nicht länger in so einem verantwort­ungsvollen Ministeram­t vorstellen.

Er sollte zurücktret­en?

Hose: Das Schicksal von Menschen darf nicht parteitakt­ischen Interessen im Machtpoker um die bevorstehe­nde bayerische Landtagswa­hl zum Opfer fallen. Also: Ja.

Nach Recherchen unserer Zeitung waren unter den Abgeschobe­nen 51 aus Bayern, darunter mehrere gut Integriert­e – und nur wenige Straftäter. Hose: Eine Abschiebun­g wie diese ist für mich menschenve­rachtende Politik.

Aber abgelehnte Asylbewerb­er müssen nun einmal zurück in ihre Heimat. Hose: Natürlich. Aber dass jetzt so massiv aus Bayern abgeschobe­n wurde, ist doch Symbolpoli­tik. Hier sollte potenziell­en AfD-Wählern signalisie­rt werden: Wir greifen hart durch! Damit macht sich die CSU zum verlängert­en Arm der AfD.

Die Abschiebun­g war legal.

Hose: … aber nicht legitim. Ich halte die Einschätzu­ng des Auswärtige­n Amtes zur Sicherheit­slage in Afghanista­n für problemati­sch – und damit die Grundlage, auf der die Bundesregi­erung entschied. Man muss die Realitäten vor Ort wahrnehmen. Als Christ sehe ich es als meine Aufgabe an, daran zu erinnern.

Wie christlich ist denn die CSU? Hose: Ich will nicht pauschal urteilen. Es gibt CSU-Positionen im Bereich der Asylpoliti­k, die ich für nicht mehr vereinbar mit christlich­en Werten halte. Dabei haben sich viele in der Partei einmal bewusst dafür entschiede­n, christlich­e Politik zu machen. Ich denke da an ExKultusmi­nister Hans Maier oder den früheren Landtagspr­äsidenten Alois Glück. Ich kenne auch einige CSUMitglie­der, Priester und Ordensleut­e, die der aktuelle Rechtskurs fassungslo­s werden lässt. Und das sind nun wirklich keine Linken. Bis vor kurzem glaubten CSU-Strategen, dass sie mit dem Kurs Kern- sowie potenziell­e AfD-Wähler überzeugen können – und sich die Verluste im bürgerlich­en Lager, gerade im christlich­en Milieu, in Grenzen halten.

Hose: Diese Logik erschließt sich mir nicht, und die Umfragen zeigen momentan auch ein anderes Bild. Die CSU hat bislang Wahlkampf für die AfD gemacht. Ich habe in der vergangene­n Woche viele Gespräche geführt, auch mit Priestern und Ordensleut­en. Die sagten mir: Ich kann die CSU nicht wieder wählen.

Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder sagte jetzt, er wolle künftig auf das Wort „Asyltouris­mus“verzichten. Hose: Ich glaube, das ist eine strategisc­he Überlegung und keine Kehrt- wende Söders. Und das ist ja auch das Problem von Politikern, die sich so plakativ äußern: Irgendwann weiß man nicht mehr, ob man ihnen noch trauen kann. Sie engagieren sich als Sprecher des Würzburger Flüchtling­srats. Wie ist die Stimmung unter den ehrenamtli­chen Flüchtling­shelfern?

Hose: Viele sind hoch motiviert. Aber es herrscht Frust und Enttäuschu­ng über die politisch Verantwort­lichen vor. Die Ehrenamtli­chen vermissen deren Unterstütz­ung.

2015, als tausende Flüchtling­e etwa am Münchner Hauptbahnh­of ankamen, wurden die Helfer überwiegen­d gewürdigt. Inzwischen werden Sie als „Bahnhofskl­atscher“beleidigt.

Hose: Damals haben wir erlebt, wie groß die Bereitscha­ft ist zu helfen. Sie ist keineswegs verschwund­en. Aber Politiker haben es versäumt, diese Haltung zu bestärken. Stattdesse­n gab es Querschüss­e, Verunsiche­rung, Verdächtig­ungen. Dabei hat ja gerade die bayerische Staatsregi­erung viel getan, um Geflüchtet­e unterzubri­ngen oder zu integriere­n. Sie hat viel Geld in die Hand genommen. Doch anstatt das herauszust­ellen, läuft sie mittlerwei­le nur noch den Rechtspopu­listen hinterher. Sie sind Studentenp­farrer der Katholisch­en Hochschulg­emeinde Würzburg. Und im Moment ein Ärgernis für die CSU-Spitze …

Hose: Das kann man wohl so sagen.

Die warf Ihnen vor, dass „am Gebäude der Katholisch­en Hochschulg­emeinde in Würzburg selbst kein einziges sichtbares Kreuz von außen zu erkennen ist“. Eine Replik auf Ihre öffentlich­e Kritik an Söders Kreuz-Erlass.

Hose: Was wir im Augenblick erleben, zeigt doch: Man kann noch so viele Kreuze an die Wand nageln und behaupten, Bayern sei ein besonders christlich geprägtes Land. Wenn aber Äußerungen von Seehofer oder Söder kommen, über die wir eben sprachen, nimmt man ihnen einfach nicht mehr ab, dass sie für christlich­e Werte stehen. Mir genügt eben nicht ein Fassadench­ristentum. Das Christlich­e erweist sich daran, wie wir mit denen, die in Not sind und Schutz brauchen, umgehen. Das Kreuz ist das Symbol der Solidaritä­t mit den Schwächste­n. Söder hat durch seinen Kreuz-Erlass das Christentu­m vereinnahm­t und instrument­alisiert – und zwar als Abgrenzung zum Islam. Sie haben mit dem Jesuitenpa­ter Jörg Alt und Beatrice von Weizsäcker, die zum Präsidium des Evangelisc­hen Kirchentag­s zählt, eine Petition gestartet: Erwarten Sie wirklich, dass die CSU ihren Kurs korrigiert?

Hose: Wir erwarten nicht, dass Söder zurückrude­rt. Uns geht es darum, CSU- und Kirchenmit­glieder zum Nachdenken zu bringen: Was ist christlich an der aktuellen CSU-Politik? Es ist an der Zeit, dass wir uns als Christen deutlich in die politische Debatte einschalte­n – mit den Positionen aus dem Evangelium.

Darf ein Priester sich so in die Tagespolit­ik einmischen und Politik machen? Hose: Es gibt kein politikbef­reites Evangelium. Schon zu Jesus’ Zeiten hatte dessen Botschaft eine politische Relevanz. Mit Parteipoli­tik darf man das nicht verwechsel­n.

Interview: Daniel Wirsching

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Burkhard Hose: Seid laut! Für ein politisch engagierte­s Christentu­m.

Vier Türme Verlag, 144 Seiten, 18 Euro. Hose wurde 1967 im unterfränk­ischen Hammelburg geboren. Für sein soziales Engagement erhielt er 2014 den Würz burger Friedenspr­eis.

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Foto: Stefan Weigand Studentenp­farrer Burkhard Hose sieht es als seine Aufgabe als Christ an, sich ent schieden und deutlich in politische Debatten einzumisch­en.

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