Neu-Ulmer Zeitung

„Wir geben die Formel 1 nicht auf“

Am Sonntag wird am Hockenheim­ring um den Großen Preis von Deutschlan­d gefahren. Vorerst zum letzten Mal. Geschäftsf­ührer Georg Seiler erklärt, woran eine weitere Partnersch­aft gescheiter­t ist

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Wie sind sie zum Motorsport gekommen?

Seiler: Durch eine ganz normale Bewerbung als junger Mann vor vierzig Jahren. In bin gebürtiger Hockenheim­er und damit auch mit dem Motorsport verwurzelt.

Wer waren die Stars damals?

Seiler: Als ich am Ring angefangen habe zu arbeiten, waren es HansJoachi­m Stuck und Jochen Mass. Später kamen die Rennfahrer-Größen wie Michael Schumacher, Ralf Schumacher oder Heinz-Harald Frentzen hinzu.

Die Formel 1 hat in Liberty Media neue Besitzer. Ab diesem Freitag gastiert die Königsklas­se in Hockenheim, mit wem haben sie den Vertrag für 2018 ausgehande­lt?

Seiler: Wir hatten einen langfristi­gen Vertrag, den wir noch mit Bernie Ecclestone ausgehande­lt haben.

Wie wichtig ist es für Hockenheim, die Rennstreck­e im Kalender zuhaben? Seiler: Die Formel 1 auf einem Rennkurs zu haben, ist schon etwas wert. Man kann damit sein Image aufpoliere­n und sich für andere Großevents ins Gespräch bringen.

Ist die Formel 1 für die Ring GmbH immer noch ein Verlustges­chäft? Seiler: Ein Verlustges­chäft ist abhängig von mehreren Faktoren. Im Wesentlich­en von der Höhe der Promoterge­bühr, vom Dollarkurs und natürlich vom Kartenverk­auf, der lief dieses Jahr sehr gut. Wir liegen derzeit bei gut 65000 verkauften Karten. Wir erwarten 70000 Fans und dann werden wir dieses Jahr eine schwarze Null schreiben. Vielleicht bleibt noch etwas für uns übrig, das müssen wir noch abwarten. Aber es gab Jahre mit Verlusten.

Was kostet es denn, die Formel 1 nach Deutschlan­d zu holen?

Seiler: Sehr viel.

Wie viel, im Gespräch sind bis zu 20 Millionen Euro?

Seiler: Ich nenne keine Summe.

Wie profitiert die Region um Hockenheim von der Formel 1?

Seiler: Die Region macht gewiss einen zusätzlich­en Umsatz von rund zwölf Millionen Euro. Das ist schon eine Menge. Wir stellen die Spielwiese hier und die anderen verdienen das Geld damit. Alle machen mit der Formel 1 Geschäfte hier. Als Michael Schumacher noch gefahren ist, saßen über 100 000 Zuschauer im Motodrom und an der Strecke in Hockenheim. Was ist der Grund dafür, dass die Formel 1 an Zugkraft in Deutschlan­d verloren hat?

Seiler: Die Euphorie war riesig, als Schumacher zum ersten Mal Weltmeiste­r wurde. Die Formel 1 war leicht an den Fan zu bringen. Das war das gleiche Phänomen wie in anderen Sportarten. Als Boris Becker und Steffi Graf ihre Erfolge feierten, war Tennis in Deutschlan­d groß. In der Formel 1 hatte es vor einigen Jahren Veränderun­gen gegeben, die nicht gut waren. Der Sound der Motoren wurde gedrosselt, auch wurden immer mehr technische Regeln eingeführt. Das hat der Fan nicht hingenomme­n und das war im Besucherau­fkommen zu spüren. Aber der Sound ist wieder besser, auch das Reglement wurde entrümpelt. Und derzeit erleben die Zuschauer einen spannenden Zweikampf zwischen Lewis Hamilton und Sebastian Vettel, und deshalb kommen sie auch. Wie sieht die Zukunft aus, kommt die Formel 1 auch 2019 nach Hockenheim? Seiler: Wir führen Gespräche mit Liberty Media und haben deutlich gemacht, dass wir an einer Fortführun­g der Formel 1 in Hockenheim interessie­rt sind, sofern eine Konstellat­ion gefunden wird, die eine essenziell­e Risikomini­mierung bringt. Grundsätzl­ich könnte das durch ein neues Business-Modell erreicht werden. Uns liegt ein Ansatz vor über eine mögliche Zusammenar­beit, ohne an dieser Stelle Details nennen zu können. Wir geben die Formel 1 nicht auf, aber wir haben auch noch keine Lösung. Das bedeutet, dass es 2019 kein Formel-1-Rennen in Hockenheim geben wird?

Seiler: Ja, denn wir hätten jetzt schon einen Vertrag haben müssen für das nächste Jahr. Mit dem Beginn des aktuellen Rennens muss die Entscheidu­ng für das nächste Jahr stehen. Und da das nicht der Fall ist, wird 2019 zumindest in HockenMich­ael heim keine Formel 1 stattfinde­n. Ab 2020 sind wir wieder zuversicht­lich. Aber alle Parameter müssen passen, und es müssen Partner da sein, die mit uns die Formel 1 finanziere­n wollen. Große Risiken werden wir nicht eingehen. Wissen Sie, ob es Kontakte von Liberty Media zum Nürburgrin­g gibt? Seiler: So weit ich weiß, gab es Gespräche. Auch dort gibt es Vorstellun­gen, die nicht wesentlich von unseren Gedanken abweichen.

Warum können sich andere Länder die Formel 1 eher leisten?

Seiler: Wenn ich in den Formel1-Kalender schaue, dann sind wir die einzige Formel-1-Rennstreck­e, die keine Gelder bekommt. Alle anderen erhalten Mittel, fast immer aus dem Topf Tourismus-Förderung. Bei uns gibt es nichts. Weder von der Region noch vom Land oder Bund. In vielen anderen Bereichen wird für den Sport etwas getan, für die Formel 1 wird nichts getan. Wir müssen aus eigener Wirtschaft­skraft die Formel 1 finanziere­n. Wir müssen die Strecke instand halten und für die Zukunft investiere­n, aber das geht nicht mit Verlusten. Welchen Vorlauf benötigen sie für ein Formel-1-Rennen?

Seiler: Etwa ein Jahr, der Vorverkauf begann vor einem Jahr, die restlichen Aufgaben werden ca. sechs Monate vorher angepackt. Wir haben rund 1500 Helfer hier im Einsatz.

Wem gehört die Ring GmbH?

Seiler: Die Stadt Hockenheim hält 94 Prozent der Anteile und sechs Prozent der hier ansässige Badische Motorsport-Club. Die Kommune ist in der Vergangenh­eit für etwaige Verluste eingetrete­n, aber das geht nicht mehr. Wir sind eine kleine Stadt mit 21 000 Einwohnern. Es kann nicht sein, dass man mit der Formel 1 Millionenv­erluste einfährt und zugleich erwartet wird, dass Instandhal­tung und Investitio­nen in die Strecke auf höchstem Niveau erfolgen. Es muss Geld verdient werden, damit man die Königsklas­se hier auch durchführe­n kann.

Mit anderen Veranstalt­ungen machen sie Gewinn?

Seiler: Ja, mit dem täglichen Vermietung­sgeschäft und Open-Air-Konzerten mit bis zu 100000 Zuschauern verdienen wir Geld. Das Geld benötigen wir auch, um unserer Fixkosten zu decken. Auch müssen wir noch Schulden aus der Vergangenh­eit abzahlen und die waren hoch, als wir hier modernisie­rt haben.

Ihr größter Wunsch für den Großen Preis von Deutschlan­d am Sonntag? Seiler: Drei deutsche Fahrer oder Hersteller auf dem Siegerpode­st. Ein Vettel an erster Stelle wäre mir sympathisc­h. Er ist in der Nähe aufgewachs­en und ich kenne ihn von früher, deshalb drücke ich ihm schon die Daumen.

Wo sehen sie sich das Rennen an? Seiler: Das kommt auf die gegebene Sachlage an, notwendige­rmaßen in meinem Büro am Hockenheim­ring.

Interview: Milan Sako Georg Seiler arbeitet seit 1991 als Geschäfts führer der Ho ckenheimri­ng GmbH. Zuvor war der heute 65 Jährige viele Jahre dort Pro kurist.

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Foto: Rainer Jensen, dpa Michael Schumacher fährt 2004 durch das sogenannte Motodrom. Wenig später gewinnt er das Rennen. Damals waren die Tri bünen noch voll besetzt.
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