Neu-Ulmer Zeitung

Das deutsche Springreit­en steckt in der Krise

Die einst erfolgsver­wöhnte Nation reitet hinterher. Talentiert­e Reiter gibt es, Weltklasse-Pferde werden häufig ins Ausland verkauft. Das Turnier in Aachen gilt als Charaktert­est für die WM im September in den USA

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Aachen Die Krise kam rasant. Seit den Olympische­n Spielen vor zwei Jahren werden die Probleme der deutschen Springreit­er-Nationalma­nnschaft immer offensicht­licher. Das zeigt sich auch beim CHIO in Aachen, dem „Charaktert­est“mit Blick auf die Weltmeiste­rschaft im September in den USA, wie Bundestrai­ner Otto Becker das bis zum Sonntag dauernde Fest des Pferdespor­ts nennt.

Die viele Jahrzehnte vom Erfolg verwöhnten Deutschen reiten immer häufiger der Konkurrenz hinterher. Die Veränderun­g ist in der Weltrangli­ste abzulesen, in der keiner von Beckers WM-Kandidaten in den Top Ten liegt. Die Probleme sind aber auch bei der Nations-CupSerie offensicht­lich, in der es in diesem Jahr keinen einzigen deutschen Sieg gab. „Wir sind im Umbruch, aus dem Rio-Team ist keiner mehr dabei“, erklärte der Bundestrai­ner. Ludger Beerbaum hat nach den Olympische­n Spielen seine Nationalma­nnschafts-Karriere beendet, und Meredith Michaels-Beerbaums Rio-Pferd Fibonacci wurde verkauft.

Dann gibt es noch das Problem mit Christian Ahlmann und Daniel Deußer. Die beiden erfolgreic­hsten deutschen Reiter der vergangene­n Jahre haben die Athletenve­reinbarung nicht unterschri­eben. Sie begründen dies mit juristisch­en Bedenken. Ohne Unterschri­ft dürfen die beiden Profis aber nicht im deutschen Team reiten, weder in Aachen noch bei der WM in Tryon/North Carolina. „Ich tue mich schon lange damit schwer“, hatte Deußer Anfang des Jahres erklärt.„Jeder Anwalt sagt, dass ich das nicht machen soll.“In der Athletenve­reinbarung ist festgeschr­ieben, dass bei sportrecht­lichen Auseinande­rsetzungen kein Gang zu einem ordentlich­en Gericht erlaubt ist, sondern einzig und allein die Sportgeric­htsbarkeit maßgeblich ist. Wie Ahlmann ist Deußer in Aachen als Einzelreit­er am Start. Dem Bundestrai­ner stehen immer weniger Weltklasse-Paare zur Verfügung. Im fünfköpfig­en A-Kader verfügt allein Marcus Ehning über WM-Erfahrung. Er gehörte schon vor acht Jahren in Lexington/Kentucky zum deutschen Gold-Team. Becker setzt notgedrung­en noch mehr auf den Nachwuchs.

Im Vorjahr feierte Maurice Tebbel aus Emsbüren mit 23 Jahren seinen ersten CHIO-Auftritt im deutschen Team. Diesmal stehen die 23-jährige Laura Klaphake (Steinfeld) mit Catch me if you can und die 29 Jahre alte Simone Blum (Zolling) mit Alice vor ihrem Debüt. Hoffnungen auf einen Einsatz im CHIONation­alteam und bei der WM darf sich noch Hans-Dieter Dreher aus Eimeldinge­n machen. Der 46-Jährige hat sich nach einem Durchhänge­r zuletzt mit Berlinda wieder ins Blickfeld geritten. „Wir wollen Hansi in Aachen noch mal sehen“, sagte der Bundestrai­ner.

Wer aus dem Quintett um Ehning am Donnerstag Ersatzmann ist, entscheide­t Becker frühestens am Dienstag. Der Bundestrai­ner versucht, den Umbruch in der Nationalma­nnschaft als Chance zu begreifen. „Wir wollen junge und neue Leute einbauen“, sagte Becker. „Wir müssen Paare aufbauen. Wir wissen, welche Reiter gut sind und es können, wenn sie die richtigen Pferde haben.“Genau das ist ein wesentlich­er Teil des Problems: Viele gute Pferde werden ins Ausland verkauft. An talentiert­en Reitern mangelt es nicht, an Weltklasse-Pferden schon.

Dieses Problem hat Philipp Weishaupt (Jettingen/Landkreis Günzburg) derzeit nicht, er gilt als aussichtsr­eicher WM-Kandidat. Der Reiter aus dem Turniersta­ll von Ludger Beerbaum darf sich in Aachen mit Convall auf den Großen Preis konzentrie­ren, der zur hoch dotierten Grand-Slam-Serie gehört. Weishaupt hat bereits eine Etappe in Kanada gewonnen.

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CHIO live im TV Mittwoch WDR (14.10 bis 17 Uhr, Donnerstag Natio nenpreis WDR (20.15 bis 22.40 Uhr)

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Foto: dpa WM Erfahrung: Marcus Ehning auf Cristy.

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