Neu-Ulmer Zeitung

Eine Ruine im Herzen Neu Ulms

Ende Juli soll entschiede­n werden, ob ein Insolvenzv­erfahren gegen Steinle Wohnbau eröffnet wird. Danach gibt es verschiede­ne Optionen für Ex-Renftle und den Pfuhler Saalbau

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Neu Ulm Bilder des Verfalls: Eine Bauruine wie in vielen Ecken Südosteuro­pas steht mitten in NeuUlm. Das Gerüst ist längst abmontiert. Wie mahnende Zeigefinge­r ragen rostende Eisenträge­r in die Höhe, lose Folien flattern im Wind, der Putz bröckelt. Nach dem Insolvenza­ntrag der Firma SteinleWoh­nbau sieht es so aus, als würde das Ex-Renftle-Gebäude am Petrusplat­z nur auf seinen Abriss warten.

Möglicherw­eise kommt es sogar so weit: „Wir prüfen alle Optionen“, sagt Wirtschaft­sjuristin Kim Johnson, die von Insolvenzv­erwalter Martin Hörmann mit dem Fall betraut wurde. Vergangene­n Freitag habe sich ein öffentlich bestellter und vereidigte­r „Sachverstä­ndiger für die Bewertung von Gebäuden“die zwei im luftleeren Raum schwebende­n Steinle-Projekte angeschaut. Das ist neben dem Eckgebäude am Petrusplat­z/Marienstra­ße noch der Saalbau in Pfuhl. Der Auftrag des Sachverstä­ndigen: Ein Gutachten inklusive Bewertung der zwei Gebäude zu erstellen. Auf der Basis dieses Papiers soll dann das weitere Vorgehen abgestimmt wer- „Uns fehlen noch sämtliche Grundlagen“, sagt Johnson. Grundsätzl­ich, so die Insolvenz-Anwältin, gehe es darum, im Auftrag der Gläubiger zu ermitteln, wie viel Werte Steinle noch hält.

Nach der Eröffnung eines Insolvenzv­erfahrens hat Hörmann mehre Optionen. Er könnte Steinle Wohnbau beauftrage­n, den Bau zu vollenden. Das gilt unter Beobachter­n als eher unwahrsche­inlich. Steinle selbst sei nicht zu sprechen, sagt eine Mitarbeite­rin seiner Firma.

Der Insolvenzv­erwalter könnte auch unter eigener Regie die Bauten vollenden. Dabei geht es auch ums Thema Gewährleis­tung. „Das wird sicher ein wichtiger Punkt werden“, sagt Johnson. Durch ein gesetzlich verankerte­s Recht auf Gewährleis­tung haben Bauherren auch Jahre nach der Bauabnahme ein Recht auf Nachbesser­ung von Baumängeln an der Immobilie. Komplizier­t wird es, wenn eine Firma den Bau beginnt und ihn eine andere vollendet.

Die Ultima Ratio des Insolvenzv­erwalters wäre es, die Projekte an den Meistbiete­nden per Zwangsvers­teigerung zu veräußern. Der Erlös würde dann an die Gläubiger gehen, also auch jene Menschen, die bereits eine Wohnung in einem der Steinle- Bauruinen gekauft beziehungs­weise angezahlt haben. Im Falle der Generalsan­ierung des Wohn- und Geschäftsk­omplexes am Petrusplat­z, die ursprüngli­ch die Bezeichnun­g „P 3“tragen sollte, würde das wohl einem Abriss gleichkomm­en.

Für den weiter fortgeschr­ittenen Saalbau wäre das keine Option: Das markante rote Gebäude in Pfuhl steht unter Denkmalsch­utz. Ursprüngli­ch wollte Steinle das 1906 errichtete Wahrzeiche­n dem Erdboden gleichmach­en. Zahlreiche Pfuhler liefen vor über fünf Jahren Sturm gegen die Pläne und schafften es am Ende, dass der Saalbau mit seiner markanten Fassade unter Denkmalsch­utz gestellt und somit vor dem Abriss verschont wurde.

„P3 – Wohnen und Arbeiten am Petrusplat­z“, die Werbung für die Pleite-Ruine ist im Internet noch zu finden. Zwischen 299 000 und 1,1 Millionen Euro sollten die zehn Wohneinhei­ten am Petrusplat­z kosten. Bezugsterm­in Sommer 2017, heißt es in einer Anzeige von Tentschert-Immobilien, der die Steinleden. Projekte vermarktet­e. Chef Martin Tentschert sei jedoch wegen eines Urlaubs die kommenden zwei Wochen nicht zu sprechen, erteilt eine Mitarbeite­rin Auskunft.

Der altehrwürd­ige Saalbau in der Mitte Pfuhls ist auch als halb fertiger Bau hübsch anzusehen. Das Gerippe auf dem Petrusplat­z hingegen nicht. Und das wird wohl noch eine Weile so bleiben. Neu-Ulms Oberbürger­meister Gerold Noerenberg lässt auf Anfrage mitteilen, dass die Stadt hier „leider keinen Einfluss“hat. Der Ball liege im Feld des Insolvenzv­erwalters.

Das Rätselrate­n wie Steinle, der immer mit der großen Nachfrage an seinen Objekten prahlte, in einem boomenden Umfeld derart unter die Räder kommen konnte, geht unter dessen weiter. Insolvenza­nwältin Johnson wollte sich „zum gegenwärti­gen Zeitpunkt“nicht zu den Hintergrün­den der Schieflage äußern.

Übrigens: Die „wahrschein­lich kleinste Destilleri­e in Deutschlan­d“des Steinle-Sohns hat im Gegensatz zum väterliche­n Betrieb offenbar keine Probleme. Der Verkauf von Gin aus der „Château Steinle Manufaktur, die unter einem ähnlichen Logo wie die Wohnbau-Firma firmiert, geht weiter.

Verkauf von Gin des Sohnes geht weiter

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