Inventur im Wald
Förster planen für ihr Revier über Jahrzehnte und müssen auf viele Veränderungen reagieren. Um die Ergebnisse ihrer Arbeit zu sehen, werden zwei Jahre lang die Bäume gezählt
Weißenhorn Wie ein Schatzsucher schreitet Michael Schramm mit seinem Metalldetektor den Waldboden ab. Er sucht einen von insgesamt 3400 Stichprobenpunkten des Weißenhorner Forstbetriebes auf. Im Umkreis von rund 20 Metern nimmt der Fachmann anschließend jeden Baum auf, dessen Stamm mehr als zwölf Zentimeter im Durchmesser hat. Etwa eine Stunde braucht Schramm für diesen Abschnitt der Waldinventur. Zur Erklärung: Im Zehnjahresrhythmus müssen die Bestände der Bayerischen Staatsforsten aufgenommen werden. Zwei Jahre brauchen Schramm und seine Mitarbeiter für ihre Inventur auf einer Fläche von 14500 Hektar, die sich, auf einzelne Waldstücke verteilt, vom Nördlinger Ries bis nach Altenstadt erstreckt.
Insgesamt neun Reviere in den Landkreisen Neu-Ulm, Günzburg und Dillingen sind auf der Forstbetriebskarte eingezeichnet. Für Forstbetriebsleiter Volker Fiedler sind die darauf gesammelten Daten so etwas wie ein Fahrplan in die Zukunft. „Wir stehen im Moment am Wendepunkt der Forstwirtschaft“, sagt er.
So waren bis in die 1980er-Jahre die Wälder noch von riesigen Fichtenflächen bestimmt, die sich in akribisch gezogenen Reihen bis an den Horizont erstreckten: „Rund 80 Prozent der Baumbestände waren Fichten, von denen Privat-, Gemeinde- oder Staatsbetriebe gut gelebt haben“, sagt Fiedler. Doch der Borkenkäfer, die zunehmende Trockenheit und nicht zuletzt die Sturmkatastrophen der vergangenen Jahrzehnte haben die Verantwortlichen zum Umdenken gezwungen. Der Wald habe durch den Orkan „Wiebke“im März 1990 sein Gesicht verändert, sagt Fiedler. Mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 280 Stundenkilometern richtete das extreme Wetterereignis einen Milliardenschaden in Deutschland, der Schweiz und Österreich an.
Zudem sagt der Forstbetriebsleiter: „Mit vier bis fünf verschiedenen Baumarten im Bestand wollen wir für den Klimawandel gerüstet sein.“Deshalb wurden in den vergangenen Jahren immer mehr Eichen, Buchen oder Weißtannen angepflanzt. Sogar Kirsch- und Schwarznussbäume haben sich in unserer Region bewährt.
Inventurleiter Schramm zieht derweil mit seinen Geräten durch das dichte Unterholz und vermisst die Durchmesser der Stämme. Er gibt Zuwächse, Abnutzungen oder Schäden in sein Tablet ein.
Mit den ausgewerteten Daten der Zählung soll bis zum Jahr 2020 ein neuer Wirtschaftsplan umgesetzt werden. Statt von einem Kahlschlag, wie er in den Monokulturen der Fichtenwälder vor Jahrzehnten praktiziert wurde, spricht Fiedler jetzt von einer Verjüngung. Dabei finde der grüne Nachwuchs im Wald Schutz unter den mächtigen Baumkronen des Altbestandes.