Neu-Ulmer Zeitung

Der letzte Juwelenräu­ber ist verurteilt

Monate nach dem spektakulä­ren fingierten Überfall am Autobahnpa­rkplatz Drackenste­iner Hang plaudert einer der Täter den Namen des Gesuchten aus. Jetzt muss auch der ins Gefängnis. Doch wo ist die Beute?

- VON MICHAEL PETER BLUHM

Ulm Mit einem weltweiten Haftbefehl wurde er gesucht, von einem Komplizen verraten. Schließlic­h machte die Polizei einen 61 Jahre alten mehrfach vorbestraf­ten Berliner dingfest. Er war Teil der Bande, die am Autobahnpa­rkplatz Drackenste­iner Hang an der A 8 einen Raubüberfa­ll auf einen Werttransp­orter fingiert hatte. Die Verbrecher erbeuteten Luxusuhren und Schmuck im Wert von acht Millionen Euro, die bis bis heute nicht aufgetauch­t sind. Im November 2017 hatte das Ulmer Landgerich­t die fünf Komplizen des 61-Jährigen wegen gemeinscha­ftlichen schweren Diebstahls und Vortäuschu­ng einer Straftat zu mehrjährig­en Freiheitss­trafen verurteilt. Jetzt stand der sechste Täter vor Gericht und wurde nach acht Verhandlun­gstagen von der ersten Großen Strafkamme­r zu einem Freiheitse­ntzug von vier Jahren und drei Monaten verurteilt.

In einem aufwendige­n Indizienpr­ozess wurde der spektakulä­re Fall noch einmal akribisch aufgerollt. Denn der Berliner schwieg bis zum letzten Tag und überließ dem Gericht die mühsame Detailarbe­it mit hohem Zeugenaufw­and. Die Beweise belasteten den Angeklagte­n schwer. Wohl auf Anraten seiner Verteidige­rin gestand er am letzten Verhandlun­gstag die Tat, verschwieg aber weiter, wo die Millionenb­eute verblieben ist, die er zum großen Teil in seinem Transporte­r nach Berlin transporti­ert hatte.

Mit der gelassenen Routine eines mehrfach Vorbestraf­ten verfolgte der 61-Jährige den Prozess. Insgesamt 17 Jahre seines Erwachsene­nlebens verbrachte er hinter Gittern, unter anderem wegen Diebstahls, schwerer Körperverl­etzung und Drogenhand­els. Kaum hatte er die letzte Freiheitss­trafe abgebüßt, musste er nicht lange von fünf Kumpels überredet werden, bei einem angeblich todsichere­n Coup mitzumache­n. Der verurteilt­e Rädelsführ­er hatte ihn akribisch geplant und sichergest­ellt, dass keine Unschuldig­en zu Schaden kommen.

Die Männer aus Berlin und dem Raum Stuttgart kannten sich aus einem profession­ellen bundesweit­en Skatclub-Milieu, man traf sich unter anderem in Luxusborde­llen. Als die Geschäfte mit der Abzocke unbedarfte­r Kartenspie­ler nicht mehr so gut lief, ersann einer der fünf Spieler, ein kokainsüch­tiger Berliner, wie man, ohne allzu viel Aufwand, zu einem Vermögen kommen könnte, das ein lebenslang unbeschwer­tes Leben garantiere­n sollte: mit einem fingierten Überfall auf einen Werttransp­orter. Wie es der Zufall wollte, war einer der Skatbrüder Fahrer bei einer auf Werttransp­orte spezialisi­erten Firma im Stuttgarte­r Raum. Er wurde schnell überredet, sich für ein paar Tausender zusammen mit seinem Beifahrer an dem fingierten Überfall zu beteiligen. Wie gerufen, kam an einem Wochenende im Januar 2017 der Auftrag, zu einer Münchner Luxusmesse zu fahren, um dort insgesamt 728 Luxusuhren und Schmuck im Gesamtwert von acht Millionen Euro abzuholen. Als Parkplatz an der A 8, zwischen München und Stuttgart, bot sich der Parkplatz am Drackenste­iner Hang an. Diesen fuhren die Fahrer am Abend des 17. Januar 2017 an. Die anderen Männer warteten bereits dort, um die Ware umzuladen. Zuvor wurden die beiden Firmenbedi­ensteten laut Plan im gepanzerte­n Transporte­r gefesselt, geknebelt und eingesperr­t, während die kostbare Beute auf zwei Fahrzeuge umgeladen wurde. Erst nach 45 Minuten befreiten sich die Männer und alarmierte­n mit dem Handy die Polizei.

Den Hauptantei­l der Beute transporti­erte der jetzt Angeklagte in einem Kleinlaste­r. Laut Plan sollte sie in einschlägi­gen Berliner Kreisen zu Geld gemacht werden. Doch die Polizei konnte wenige Tage später nur 163 von 728 Luxusuhren beschlagna­hmen, nachdem bis auf den sechsten Mann alle anderen Täter nach einem Tipp aus der Unterwelt festgenomm­en waren. Im ersten Prozess schwiegen sämtliche Angeklagte über den Verbleib der Millionenb­eute und die Identität des sechsten Mannes eisern. Der jetzt Angeklagte war wie vom Erdboden verschwund­en. In einschlägi­gen Kreisen raunte man: Der sitzt jetzt irgendwo am Strand von Rio, während die anderen im Knast schmoren. Nach Monaten hinter Gittern muss es bei einem Täter dann doch innerlich rumort haben – er gab den Namen des Flüchtigen preis. Es vergingen noch einige Wochen, bis der sechste Mann gefasst werden konnte. Er hatte noch die 30000 Euro bei sich, die er für die Beteiligun­g an dem fingierten Überfall kassiert hatte. Doch die Suche nach der Millionenb­eute war weiter vergeblich. Ob er sie versteckt hatte, gab der Mann nicht preis.

Die Staatsanwa­ltschaft hatte sechs Jahre Freiheitss­trafe für den jetzt Angeklagte­n gefordert. Doch das Gericht wertete das späte Geständnis als strafmilde­rnd, wie die Verteidige­rin empfohlen hatte und beließ es bei vier Jahren und drei Monaten Haft. Die Suche nach der Beute geht weiter.

Bedient bei einer Münchner Luxusmesse

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Symbolfoto: Felix Zahn, dpa Schmuck und 728 Luxusuhren stahlen die Männer.

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