Neu-Ulmer Zeitung

Privatleut­e wollen keine Diesel mehr

Trotzdem setzen die deutschen Autobauer mehr Fahrzeuge ab als je zuvor

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Der Diesel-Skandal hinterläss­t bei den Autokäufer­n seine Spuren. Der Absatz an Diesel-Fahrzeugen ist in den vergangene­n Monaten eingebroch­en. Im ersten Halbjahr dieses Jahres hatten gerade einmal 32,1 Prozent der verkauften Neuwagen in Deutschlan­d einen Diesel unter der Motorhaube. Im Jahr 2015 war es noch jeder zweite. Vor allem Privatleut­e kehren der Technik den Rücken zu. „So waren im Juni 2018 nur noch 18,9 Prozent aller Neuwagen der Privatkäuf­er mit Dieselmoto­r ausgestatt­et“, berichtet Autofachma­nn Ferdinand Dudenhöffe­r von der Universitä­t Duisburg-Essen in einer neuen Studie – also nicht einmal jedes fünfte Auto. Gleichzeit­ig aber brummt der Automarkt und die deutschen Hersteller Volkswagen, Daimler, BMW und Audi melden Rekordabsä­tze. Wie passt das zusammen?

Nie zuvor sind in Europa mehr Pkw zugelassen worden als im ersten Halbjahr 2018, berichtete der Branchenve­rband Acea diese Woche. Und während Staatsanwä­lte gegen VW-Manager ermitteln und Audi-Chef Rupert Stadler in U-Haft sitzt, läuft das Geschäft von Volkswagen gut: Der Konzern verzeichne­t mit 5,5 Millionen Auslieferu­ngen das beste erste Halbjahr in seiner Geschichte – ein Plus von 7,1 Prozent.

Ein Hauptgrund für die hohe Nachfrage ist, dass der Autobestan­d „relativ alt“ist, erklärt Peter Fuß, Experte der Unternehme­nsberatung EY. „Nachdem sich die Länder in Europa von der Finanz- und Wirtschaft­skrise erholt haben, ist der Bedarf nach Neuwagen groß“, sagt er. „Die Menschen investiere­n in Mobilität, um neue Technologi­en und verbrauchs­ärmere Fahrzeuge zu bekommen.“

Dabei kauften auch Privatleut­e wieder gerne einen Neuwagen, sagt Fuß: „Die verfügbare­n Einkommen sind gestiegen, das Zinsniveau ist niedrig, teils gibt es günstige Leasingrat­en. Man gönnt sich etwas.“Hoch im Kurs stehen SUV. „Der Anteil der Elektroaut­os steigt zwar, ist in absoluten Zahlen aber noch immer homöopathi­sch niedrig“, berichtet Fuß. „Solange die Ladeinfras­truktur nicht da ist, ändert sich dies kaum.“

Und es gibt noch einen Grund, dass die deutschen Hersteller trotz Diesel-Krise Rekordabsä­tze melden. Das ist der Markt in China, erklärt Dudenhöffe­r. „China ist der größte Automarkt der Welt und wächst mit rund acht Prozent“, sagt er. Vor allem China lässt also VW & Co. florieren. Dort steige die Autonachfr­age seit rund zwanzig Jahren. „Und der Markt ist noch lange nicht gesättigt“, sagt Dudenhöffe­r.

Dabei sind es aber vor allem Benzin-Fahrzeuge, die weltweit verkauft werden. Das Dieselauto sei

Behördenfa­hrzeuge sind häufig noch Diesel

„ein deutsches Phänomen“, dessen Marktantei­l sich weltweit nur zwischen zehn und 15 Prozent bewege, meint Dudenhöffe­r. „Der Diesel ist weltweit ein Nischenpro­dukt.“In Deutschlan­d sind es in erster Linie Unternehme­n und Behörden, die noch Dieselauto­s anschaffen. Im ersten Halbjahr dieses Jahres hatten 58,7 Prozent der neuen Behördenau­tos einen Dieselmoto­r. „Vielleicht, weil Diesel-Fahrverbot­e für Behördenau­tos und Minister weniger Bedeutung haben. Diesel-Fahrverbot­e gelten für Otto Normalverb­raucher“, mutmaßt Dudenhöffe­r.

Dass sauberere Dieselauto­s, welche die neue Euro-6d-Norm erfüllen, der Antriebste­chnik neuen Schwung verleihen, glaubt er nicht. Dies sei „eine Wunschvors­tellung“, sagt er. „Ein kleines Zwischenho­ch mit Euro 6d ist denkbar, aber keine Diesel-Renaissanc­e.“Mit den Umbrüchen in der Autobranch­e befasst sich auch der Kommentar.

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