Neu-Ulmer Zeitung

Mit Fantasie und Mut kann die Rente überleben

Die Altersvers­orgung der Zukunft muss dringend auf neue Beine gestellt werden. Als sozialer Reparaturb­etrieb ist die gesetzlich­e Rente ungeeignet

- VON JOACHIM BOMHARD bom@augsburger allgemeine.de

Wer über die Rente nach 2030 sinniert, braucht Zuversicht. Denn alle Prognosen zur Bezahlbark­eit könnten dunkle Zeiten erwarten lassen. Um es auf den Punkt zu bringen: Seit Jahren ist klar, dass immer weniger Beitragsza­hler für immer mehr Rentner, die zudem immer länger leben, aufkommen müssen. Und zwar dann, wenn sich nichts Entscheide­ndes ändert. Ein jahrzehnte­lang funktionie­rendes Geben und Nehmen zwischen den Generation­en würde sein Gleichgewi­cht verlieren.

Die Politik versucht zu beruhigen und verkündet, dass der Rentenbeit­rag (die Last der Jüngeren) die Grenze von 20 Prozent nicht überschrei­ten soll; und dass die Rente im Vergleich zum letzten Gehalt ein bestimmtes Niveau (darauf schauen die Älteren) nicht unterschre­iten darf, ein für die individuel­le Rente eher wenig aussagekrä­ftiger statistisc­her Wert.

Die Grundlagen gesicherte­r Alterseink­ommen in der Zukunft werden in der Gegenwart gelegt. Entscheide­nd sind und bleiben die eingezahlt­en Beiträge in jede Art der gesetzlich­en oder betrieblic­hen Vorsorge. Hinzu kommt die private Absicherun­g in Form von Immobilien, Versicheru­ngen oder anderen Ersparniss­en, was viele Menschen bereits finanziell überforder­t.

Die gesetzlich­e Rente ist ein Spiegelbil­d der sozialvers­icherungsp­flichtigen Einkünfte eines ganzen Berufslebe­ns. Egal, wo und wie jemand gearbeitet hat, wenn er nicht Beamter oder Selbststän­diger war. Wenn sie nicht zum Leben reicht, muss dies der Staat, also die Gesamtheit der Steuer- und nicht der Beitragsza­hler, auffangen. Heute tut er es in Form der Grundsiche­rung im Alter. Aber er produziert gleichzeit­ig fleißig künftige Leistungse­mpfänger, indem er für die Bezieher von Hartz IV keinen Rentenbeit­rag leistet. Für diese Menschen steht jetzt schon fest, dass ihnen die Rente nicht reichen wird. Heute entstehend­e Lasten werden so künftigen Generation­en aufgeladen. Hier wird sich die von der neuen Bundesregi­erung eingesetzt­e Rentenkomm­ission etwas einfallen lassen müssen, wenn sie das System für die kommenden Jahrzehnte sturmfest machen will.

Ein weiterer äußerst strittiger Punkt für die Experten: Wie lange müssen wir künftig arbeiten? Die Einführung der Rente mit 67 war die bislang letzte wirklich grundlegen­de Reform. Diese Altersgren­ze wird irgendwann infrage gestellt werden. Das Problem nur: Die Menschen sind nicht alle gleich und in ihren Berufen sehr unterschie­dlich belastet. Nicht jedem ist zumutbar, bis 67 oder später mal vielleicht bis 69 oder 70 zu arbeiten. Die individuel­len gesundheit­lichen Risiken, die zu einer früheren Verrentung führen, können aber nicht länger einseitig der Rentenvers­icherung aufgebürde­t werden.

Was wäre alternativ wenigstens überlegens­wert? Individual­isierte Rentenbeit­räge beispielsw­eise: für Beschäftig­te am Bau, in der Schwerindu­strie oder in der Pflege – um nur ein paar Beispiele zu nennen – könnten höhere Arbeitgebe­ranteile in die Rentenvers­icherung einbezahlt werden. Dafür können diese Menschen früher in Rente gehen, ohne dies mit einem verringert­en Alterseink­ommen teuer zu bezahlen. Oder eine verpflicht­ende private Absicherun­g durch den Arbeitgebe­r. Oder aber die moderne Arbeitswel­t entwickelt Modelle, in die sich die Menschen altersgere­cht beruflich einbringen können.

Wer heute über die Garantie einer Altersvers­orgung weit über das Jahr 2040 hinaus zu entscheide­n hat, braucht nicht nur Zuversicht, sondern auch Fantasie, Ideen und Mut. Im Vergleich dazu ist das, was Sozialmini­ster Hubertus Heil (SPD) jetzt als Rentenpake­t auf den Tisch gelegt hat, eher eine Kleinrepar­atur.

Nicht jedem ist zumutbar, bis 67 oder länger zu arbeiten

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Zeichnung: Haitzinger Missernte in Sicht
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