Neu-Ulmer Zeitung

Punktsieg für Puigdemont

Spanien verzichtet auf Auslieferu­ng

- VON RALPH SCHULZE

Madrid Die Anhänger von Carles Puigdemont konnten sich über den juristisch­en Erfolg nicht so richtig freuen: Der Oberste Gerichtsho­f hatte am Donnerstag verkündet, dass der spanische Staat auf eine Auslieferu­ng des katalanisc­hen Separatist­enchefs, der seit Monaten in Deutschlan­d festsitzt, verzichten und den europäisch­en Haftbefehl aufheben werde. Aufatmen kann Puigdemont aber nicht – der Erfolg hat einen bitteren Beigeschma­ck: Denn der nationale Haftbefehl in Spanien bleibt bestehen. Sollte Puigdemont in seine Heimat, die spanische Region Katalonien, zurückkehr­en wollen, muss er weiterhin mit seiner Verhaftung rechnen. Spaniens Justiz wirft dem 55-jährigen früheren katalanisc­hen Regionalpr­äsidenten vor, mit illegalen Methoden die Unabhängig­keit Katalonien­s vorangetri­eben zu haben.

Der Oberste Gerichtsho­f in Madrid ermittelt gegen Puigdemont wegen Rebellion und Veruntreuu­ng von Steuergeld­ern. Im März war der katalanisc­he Politiker in Norddeutsc­hland

Madrids Ärger über deutsche Richter ist nicht verraucht

auf der Basis eines europäisch­en Haftbefehl­s festgenomm­en worden. Doch das Oberlandes­gericht (OLG) in Schleswig hatte vergangene Woche entschiede­n, dass der Separatist­enführer wegen der deutschen Rechtslage nur wegen des minder schweren Vorwurfs der Veruntreuu­ng, aber nicht wegen Rebellion ausgeliefe­rt werden kann. Entspreche­nd hätte Puigdemont nun in Spanien auch nur wegen Untreue angeklagt werden können. Etliche andere Separatist­enführer, die in Spanien in U-Haft sitzen, sollen demnächst aber wegen Rebellion vor Gericht gestellt werden – ein Delikt, für das bis zu 30 Jahre Haft drohen. Puigdemont, der als Hauptveran­twortliche­r der mutmaßlich illegalen Unabhängig­keitsbesch­lüsse gilt, hätte derweil bei einer ausschließ­lichen Verurteilu­ng wegen Untreue mit einer milderen Strafe zu rechnen. Das wäre ein Ungleichge­wicht, das rechtlich problemati­sch sei, schlussfol­gerte Spaniens Oberster Gerichtsho­f – woraufhin man in Madrid in den sauren Apfel biss und den Verzicht auf die Auslieferu­ng verkündete.

Freilich nicht ohne mit den OLG abzurechne­n, dem Spaniens oberste Richter vorwerfen, seine Kompetenze­n bei der Prüfung des Auslieferu­ngsgesuchs überschrit­ten und so die europäisch­e Rechtszusa­mmenarbeit beschädigt zu haben.

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