Neu-Ulmer Zeitung

Warum Stadler jetzt schweigt

Seit einem Monat sitzt der Audi-Chef in U-Haft. Erst wollte er kooperiere­n. Nun versucht er es auf die harte Tour. Hat er Erfolg?

- VON HOLGER SABINSKY WOLF

München/Augsburg In Wirtschaft­sstrafverf­ahren steht immer viel auf dem Spiel. Viel Geld und viel Reputation aufseiten von Unternehme­n und Managern, aufwendige und heikle Ermittlung­sarbeit aufseiten der Staatsanwa­ltschaft. Diese Konstellat­ion führt häufig zu einem Verhalten nach Art von Schachspie­lern. Man lauert, man versucht, die Züge des Gegners vorauszuse­hen. Offenbar haben wir es im Fall des beurlaubte­n Audi-Chefs Rupert Stadler mit dem Musterfall einer solchen Konstellat­ion zu tun.

Gegen den Manager wird in der Abgas-Affäre seit einem Jahr ermittelt. Aus Sicht der Münchner Staatsanwa­ltschaft ohne durchschla­genden Erfolg. Bis vor kurzem. Seit Ende Mai gilt Stadler, 55, als Beschuldig­ter in dem Verfahren – der höchstrang­ige von 20 Audi-Leuten. Und vor einem Monat wanderte der Audi-Chef gar in U-Haft. Der Vorwurf: Betrug am Kunden. Stadler soll nach dem Aufdecken der Manipulati­on in den USA nicht verhindert haben, dass Audi in Europa Diesel-Autos mit manipulier­ter Abgasreini­gung ver- kauft hat. Als Haftgrund gab die Staatsanwa­ltschaft Verdunklun­gsgefahr an. In einem abgehörten Telefonat soll Stadler in Erwägung gezogen haben, einen Mitarbeite­r beurlauben zu lassen, der Stuttgarte­r Staatsanwä­lten bei deren Ermittlung­en gegen Porsche geholfen haben soll. Stadler bestreitet das.

Es ist in eingeweiht­en Justizkrei­sen kein Geheimnis, dass die Staatsanwa­ltschaft in solchen Fällen schon mal versucht, einen Beschuldig­ten „weichzukoc­hen“. Ein Spitzenman­ager mit Millionen-Einkünften ist im Re- gelfall sehr haftempfin­dlich. Das erhöht nicht selten die Aussageber­eitschaft. Im Fall Stadler schien es zunächst ebenfalls zu klappen. Der Audi-Chef erklärte sich nach Rücksprach­e mit seinem Verteidige­r Thilo Pfordte bereit, auszusagen. Doch offenbar hat er in den Vernehmung­en in der JVA Augsburg-Gablingen nicht das gesagt, was die Ermittler hören woll- ten. Ein Geständnis gab es nach Informatio­nen unserer Zeitung nicht. Die Vernehmung­en sollen vielmehr äußerst zäh gewesen sein.

Umgekehrt hatte Stadler von seinen Aussagen erhofft, dass sie die Staatsanwa­ltschaft milde stimmen und er freikommen kann. Nun musste er feststelle­n, dass dies nicht geklappt hat. Sein Verteidige­r brach die Vernehmung­en daher ab. Stadler schweigt jetzt und geht dafür mit einer Haftbeschw­erde auf Konfrontat­ionskurs. Im Gegensatz zu einer Haftprüfun­g, die nach sechs Monaten U-Haft gesetzlich vorgeschri­eben ist, kann die Haftbeschw­erde jederzeit eingelegt werden.

Das Amtsgerich­t München hat die Entscheidu­ng schon eine Instanz weitergere­icht. Das Landgerich­t ist nun am Zug. Und wenn das Stadler nicht hilft, könnte er sich ans Oberlandes­gericht wenden. Für Stadler hat das den Vorteil, dass nicht dasselbe Gericht über die Haftfortda­uer entscheide­t, das den Haftbefehl erlassen hat, nämlich das Amtsgerich­t. Das erhöht seine Chancen auf eine Freilassun­g. Ob sein neuer Schachzug Erfolg hat, ist offen. Bis dahin bleibt er im Gefängnis.

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Rupert Stadler

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