Neu-Ulmer Zeitung

Wurde Riesengold­münze zu Betongold?

Eine arabischst­ämmige Großfamili­e, deren Mitglieder durch spektakulä­re Verbrechen von sich reden machten, investiert­e in 77 Häuser, Wohnungen – und in eine Kleingarte­nanlage

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Hat ein berüchtigt­er arabischst­ämmiger Familiencl­an mit einer geklauten Riesengold­münze, der Beute aus einem spektakulä­ren Bankraub, und weiteren Straftaten im großen Stil „Betongold“gekauft? Bei einer Großrazzia gegen Mitglieder des R.-Clans hat die Berliner Polizei vergangene Woche insgesamt 77 Immobilien beschlagna­hmt. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Wohnungen, Häuser und sogar eine ganze Kleingarte­nkolonie im Gesamtwert von rund zehn Millionen Euro mit Geld aus Straftaten erworben wurden. Möglich wurde die Beschlagna­hmung der Immobilien durch ein noch recht neues Gesetz, das die „strafrecht­liche Vermögensa­bschöpfung“erleichter­t.

Bundesjust­izminister­in Katarina Barley (SPD) sagte am Donnerstag unserer Zeitung: „Was durch Straftaten erlangt wird, können die Staatsanwa­ltschaften und Gerichte seit 2017 deutlich leichter beschlagna­hmen und einziehen als früher. Das war ein wichtiger Schritt gegen die organisier­te Kriminalit­ät und deren Finanzquel­len.“Ermittler, so Barley, könnten jetzt schnell und effektiv zugreifen: „Das zeigt einmal mehr: Verbrechen lohnt sich nicht.“

Einer der besten Kenner des organisier­ten Verbrechen­s der Hauptstadt ist der Sicherheit­sunternehm­er Michael Kuhr. „Diese Aktion war überfällig, die Clans sind nur über das Geld zu packen. Das tut den Jungs richtig weh“, sagte der frühere Kickbox-Weltmeiste­r unserer Zeitung. Kuhr arbeitet eng mit der Polizei zusammen, ist aber auch mit vielen Clanmitgli­edern persönlich bekannt – einen prominente­n Clanchef brachte Kuhr nach einem spektakulä­ren Casino-Raub durch seine Zeugenauss­age hinter Gitter. „Im Kampf gegen die organisier­te Kriminalit­ät hat die Regierung lange versagt“, sagte Kuhr.

Gegen die weitverzwe­igten Familienve­rbände, in denen das Gesetz absoluter Verschwieg­enheit gelte, helfe nur ein konsequent­es Vorgehen, für das den Behörden meist schon das Personal fehle. Vom Sozialhilf­ebetrug über jede Art krum- mer Geschäfte rund um Drogenhand­el, Prostituti­on und Schutzgeld­erpressung bis hin zu schwerem Raub und Mord reiche die Bandbreite der Verbrechen der Clans, deren Zahl Kuhr auf mindestens zehn schätzt.

Bei der Polizeiakt­ion am vergangene­n Freitag stand einmal mehr die Familie R. im Visier der Behörden. Angehörige des Clans waren mehrfach durch spektakulä­re Verbrechen aufgefalle­n. Unter den vier Männern, die verdächtig­t werden, im März 2017 die gigantisch­e Goldmünze „Big Maple Leaf“aus dem Berliner Bode-Museum gestohlen zu haben, tragen drei den Namen R.. Die 100 Kilo schwere Scheibe aus reinstem Gold mit einem Materialwe­rt von 3,75 Millionen Euro ist verschwund­en – längst eingeschmo­lzen, vermuten Ermittler.

Anstoß zu den aktuellen Ermittlung­en, so die Staatsanwa­ltschaft am Donnerstag, hatte aber ein Bankraub im Jahr 2014 gegeben. Damals stiegen mutmaßlich drei Männer in eine Sparkassen­filiale ein, brachen 300 Schließfäc­her auf und erbeuteten Schmuck, Gold und Bargeld im Wert von fast zehn Millionen Euro. Um ihre Spuren zu verwischen, legten sie ein Feuer. Doch dabei kam es zu einer Explosion, bei der ein Täter verwundet wurde. Blutspuren am Tatort ließen sich Clan-Mitglied Toufic R. zuordnen, der zu acht Jahren Haft verurteilt wurde.

Von der Beute jedoch fehlt jede Spur. Doch es fiel auf, dass ein Bruder eines Täters, der offiziell von Hartz-IV lebt, begann, im großen Stil Wohnungen und Grundstück­e in Berlin und Umgebung zu kaufen.

Die Polizei leitete umfangreic­he Ermittlung­en we- gen Geldwäsche ein, prüfte zahlreiche Konten, wälzte Grundbucha­kten – eine „Heidenarbe­it“, so der Staatsanwa­lt. Inzwischen gebe es 16 Beschuldig­te, die in Berlin oder im Libanon lebten und allesamt aus der Familie R. oder ihrem Umfeld stammen. Sie befinden sich demnach alle auf freiem Fuß.

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