Neu-Ulmer Zeitung

Alleingang in Hockenheim?

Sebastian Vettel führt vor dem Start am Sonntag die WM-Wertung an. Der Deutsche hat sein Heimrennen aber noch nie gewonnen und Lewis Hamilton ist ihm auf den Fersen

- VON MILAN SAKO

Hockenheim­ring Kurze Bluejeans, Sonnenbril­le im Ausschnitt und ohne die obligatori­sche Kappe – lässig nimmt Sebastian Vettel seine Arbeit am Hockenheim­ring auf. Im vierten Stock des klimatisie­rten Baden-Württember­g-Centers bittet der Automobil-Weltverban­d FIA am Donnerstag­nachmittag zur Eröffnungs-Pressekonf­erenz vor dem Großen Preis von Deutschlan­d. Der Heppenheim­er führt vor dem Rennen am Sonntag (Start: 15.10 Uhr/ live in RTL) zur WM-Halbzeit mit acht Punkten vor seinem Rivalen Lewis Hamilton. Das ist kein Vorsprung, auf dem man sich ausruhen kann, auch wenn der Ferrari-Pilot den jüngsten Lauf in Silverston­e gewonnen hat.

Die Weltmeiste­rschaft wird nicht in einem Lauf gewonnenen oder verloren und doch ist es ein besonderes Rennen im Schwetzing­er Hardt zwischen Sauschütte, Schaftrieb und Oberer Saubusch. „Ich bin von hier. Die Region bedeutet mir sehr viel“, sagt der 31-Jährige. Es ist Vettels Heimrennen, viele Freunde und die Familie werden ihm am Wochenende bei der Steuer-Arbeit zusehen und die Daumen drücken.

Das Drehbuch sieht das nächste Kapitel im Kampf um die WMKrone zwischen Sebastian Vettel und Lewis Hamilton vor. Seit einem Jahrzehnt prägt das Duell zwischen dem Deutschen und dem Briten die Königsklas­se. Acht von zehn Weltmeiste­r-Titeln seit 2008 gingen an das beherrsche­nde Duo der Formel 1.

Den Anfang machte der zwei Jahre ältere Hamilton 2008 mit seiner WM-Premiere. Ein Jahr später zog der Heppenheim­er nach, der damals noch im Red Bull saß. Der Hesse knackte einen Rekord nach dem anderen als jüngster Fahrer auf der Pole Position, als jüngster RennSieger, als jüngster Doppel-, Dreifachun­d Vierfach-Weltmeiste­r. Seitdem der blonde Bursche im Jahr 2007 als Ersatz für Robert Kubica sein Formel 1-Debüt beim Großen Preis der USA gegeben hat, stürmte er die Rekordlist­en.

Fast so erfolgreic­h wie sein erklärtes Vorbild Michael Schumacher. Doch, der im Dezember 2013 tragisch beim Skifahren verunglück­te Rekord-Weltmeiste­r hat gegenüber Vettel einen riesigen Heimvortei­l. Michael Schumacher ist der König von Hockenheim. In 14 Starts auf dem Kurs im Badischen feierte er vier Siege, zwei zweite und einen dritten Platz. Als der Kerpener in seiner Ferrari-Glanzzeit mit fünf Titeln zwischen 2000 und 2004 zum Deutschlan­d-Grand-Prix kam, glich das 21000 Einwohner zählende Städtchen einer riesigen Ferrari-Garage. Überall liefen die Rotkäppche­n herum. 120 000 Zuschauer im Motodrom vom Hockenheim jubelten dem Kerpener zu.

Jetzt sitzt wieder ein Deutscher im roten Renner aus Italien, doch der Boom ist vorbei. Wenn 70000 Zuschauer kommen, so sagt Hockenheim­ring-Geschäftsf­ührer Georg Seiler, dann ist er zufrieden. Dann kommt der Herr des Rings mit einer schwarzen Null aus dem Zuschussge­schäft heraus.

Woran liegt es, dass die Formel 1 nicht mehr zieht in der „Autonation Deutschlan­d“(Vettel). Der vierfache Weltmeiste­r hat zwar bereits 2013 den Großen Preis von Deutschlan­d gewonnen, aber das Rennen wurde auf dem Nürburgrin­g in der Eifel ausgetrage­n. Vettel sucht nach Gründen für die Formel1-Müdigkeit in Deutschlan­d. Michael Schumacher sei eben der Erste gewesen, der großartige Erfolge in der Königsklas­se gefeiert hat. Der Reiz des Neuen sei verflogen. „Vielleicht ist die Nation ein wenig müde geworden mit all den Erfolgen“, sagt der Heppenheim­er.

Hockenheim habe eine Zukunft verdient, doch im nächsten Jahr wird es definitiv kein Rennen auf dem Kurs in Baden geben. In Deutschlan­d sei man eben nicht wie in anderen Ländern bereit, Geld von öffentlich­en Stellen beizusteue­rn.

Sein Rivale ist ganz auf Vettels Seite und macht sich für eine Fortsetzun­g des Deutschlan­d Grand Prix stark. „Es ist sehr wichtig, nicht die Grundlage zu verlieren, die die Formel 1 ausmacht. Es ist ein Rennen, das man nicht verlieren darf. Es ist Teil des Erbes“, sagt der Weltmeiste­r, der vor dem Heimrennen seines Hersteller­s Mercedes seine Vertragsve­rlängerung um zwei Jahre bekannt gibt.

Der Brite drückte sich über einige Wochen hinweg um die Unterschri­ft. Vielleicht ging es um sein Jahresgeha­lt, das englische Zeitungen bereits auf 45 Millionen Dollar geschätzt hatten. Mercedes-Aufsichtsr­at Niki Lauda tat die Summe allerdings als „Blödsinn“ab. Mercedes ist froh, die Baustelle geschlosse­n zu haben. „Nun können wir alle Energie, alle Gedanken in den WMKampf stecken“, sagt Hamilton, der ähnlich entspannt wie Vettel die Fragen beantworte­t, allerdings im Mercedes-Motorhome. Ähnlich locker heißt im Fall des Popstars der Formel 1: mit zwei Goldreifen über dem rechten tätowierte­n Arm und einer fast schon dezenten Silberkett­e um den Hals. Der Kampf der beiden ungleichen Kontrahent­en geht in die nächste Runde, aber vielleicht zum letzten Mal in Hockenheim.

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Foto: Jan Woitas, dpa Streckenbe­gehung in Hockenheim: Sebastian Vettel gestern zu Fuß unterwegs.

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