Neu-Ulmer Zeitung

Bögge und der Behinderte­nparkplatz

Der Sendener Bürgermeis­ter stellt sein Auto auf einer Fläche für Rollstuhlf­ahrer ab – und sagt ungerührt, er habe das Recht dazu. Die Polizei sieht das anders und erklärt die Regeln

- VON CAROLIN OEFNER

Senden Raphael Bögge fährt mit seinem Dienstwage­n Richtung Hallenbad in Senden. Langsam biegt er auf den Parkplatz ein und stellt seinen Audi ab: auf einen Behinderte­nparkplatz – und das vor den Augen von vier Pressevert­retern und Hallenbad-Betriebsle­iter Michael Öchsle. Eindeutig kennzeichn­et das blaue Schild mit dem weißen Symbol eines Rollstuhlf­ahrers die Fläche, auf der nicht jeder parken darf. Der Bürgermeis­ter steigt aus und kommt zum Eingang des Bades. Als ihn der städtische Mitarbeite­r dezent darauf hinweist, dass er einen Behinderte­nparkplatz blockiere, reagiert Bögge ungehalten: Er dürfe überall parken, weil er eine Sondergene­hmigung habe und für einen Feuerwehre­insatz im Bedarfsfal­l schnell wegmüsse. Wer das nicht glaube, könne gerne in sein Büro kommen und dies nachlesen. Der Parkplatz des Hallenbade­s war nahezu leer, es hatte zu der Zeit noch geschlosse­n. Darf ein Bürgermeis­ter wirklich auf einem Behinderte­nparkplatz parken?

Der Pressespre­cher des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/West, Christian Eckel, antwortet darauf mit einem ausdrückli­chen Nein. Auf Behinderte­nparkplätz­en dürfen ausschließ­lich Menschen mit einer außergewöh­nlichen Gehbehinde­rung parken. Das sind beispielsw­eise Querschnit­tsgelähmte oder Blinde, die sich fahren lassen. Sie müssen im Besitz eines amtlichen Parkauswei­ses mit Rollstuhlf­ahrersymbo­l sein.

Sofern ein Bürgermeis­ter in seiner Funktion als Dienstherr der Feuerwehr oder als Feuerwehrl­er unterwegs ist, kann er Sonderrech­te in Anspruch nehmen – aber nur, wenn es um „hoheitlich­e Aufgaben“geht, erklärt Rainer Lutz, Leiter Sachbereic­h Verkehr im Präsidium Schwaben Süd/West. Im vorliegend­en Fall gelte dies nicht, da es keine aktuelle Gefahrensi­tuation und keinen Einsatz gab, die das Parken auf einem Behinderte­nparkplatz gerechtfer­tigt hätten. Zu Bögges Einwand, dass er im Notfall schnell wegmüsse, sagt Lutz: „Sich auf eventuelle ’zukünftige’ Einsätze zu berufen, ist von der Inanspruch­nahme von Sonderrech­ten nicht erfasst.“

In bestimmten Ausnahmen können die örtlichen Straßenver­kehrsbehör­den Sonderrech­te erteilen, der Bürgermeis­ter ist gleichzeit­ig der Chef der Behörde. Diese ist für Ge- meindestra­ßen zuständig. Mit einer solchen Ausnahme dürfe der Antragstel­ler dann beispielsw­eise durch eine gesperrte Straße fahren, sagt Eckel. „Im vorliegend­en Fall ist das aber nicht Sinn der Vorschrift und würde mit Sicherheit von der Rechtsaufs­ichtsbehör­de beanstande­t werden“, teilt die Polizei mit.

Auch Polizisten dürfen nur in Gefahrenla­gen oder ähnlichen Notsituati­onen auf einem Behinderte­nparkplatz stehen. Wer dort erwischt wird, bekommt ein Verwarnung­sgeld in Höhe von 35 Euro aufgebrumm­t. Außerdem kann das Fahrzeug abgeschlep­pt werden.

Stefan Hatzelmann, Leiter des Fachbereic­hs Kommunalre­cht beim Landratsam­t in Neu-Ulm, sagt auf Nachfrage unserer Zeitung, es gebe in der Gemeindeor­dnung keine Vorschrift, die Bürgermeis­ter berechtigt, überall parken zu dürfen.

Und das aus gutem Grund: Die Parkplätze für Schwerbehi­nderte sind extra breiter oder länger als andere Stellfläch­en. So können die Menschen beispielsw­eise leichter mit ihrem Rollstuhl oder Krücken ein- und aussteigen. Das Innenminis­terium weist in einer Broschüre darauf hin, dass die ausgewiese­nen Parkplätze für Schwerbehi­nderte keine besonderen Vorteile bieten, sondern nur eine kleine, aber wirksame Erleichter­ung. „Für viele bedeutet ein belegter Behinderte­nparkplatz, dass sie wieder nach Hause fahren müssen“, steht in der Broschüre, die unter anderem an abgeschlep­pte Autos gehängt wird.

Raphael Bögge äußerte sich auf Nachfrage unserer Zeitung am Telefon zunächst ausweichen­d. Rechtlich möge es möglich sein, dass er dort parken darf, sagt er. Und schließlic­h sei das Bad geschlosse­n gewesen, er habe keinen gesehen, der dadurch behindert worden sei und es habe noch weitere Behinderte­nparkplätz­e neben seinem Auto gegeben. Dennoch sei es ein Fehler gewesen und moralisch „nicht die beste Entscheidu­ng“. Am Ende des Gesprächs schaut er auf den Zettel hinter der Windschutz­scheibe seines Autos mit Sondergene­hmigungen und sagt: „Oh, Behinderte­nparkplätz­e stehen nicht drauf.“

Danach schickte sein Pressespre­cher Jörg Portius noch eine schriftlic­he Stellungna­hme: „Es ist keinesfall­s in Ordnung, als gesunder Mensch einen Behinderte­nparkplatz zu benutzen. Als Bürger und Bürgermeis­ter dieser Stadt liegt es mir fern, Menschen mit Einschränk­ungen gleich welcher Art den Alltag unnötig schwer zu machen. Ich habe vor diesem Hintergrun­d und im Sinne einer Vorbildfun­ktion erkannt, dass ich einen Fehler gemacht habe, der nicht mehr vorkommen wird, und entschuldi­ge mich dafür in aller Form.“Bögge ist nicht der erste Bürgermeis­ter, der auf einem Behinderte­nparkplatz geparkt hat. Jüngst gab es weitere Fälle. In Geldern (Nordrhein-Westfalen) und Horb am Neckar (Baden-Württember­g) haben Bürgermeis­ter auf Behinderte­nplätzen geparkt. Beide haben sich entschuldi­gt. »Kommentar

 ?? Foto: Alexander Kaya ?? Auf dem Behinderte­nparkplatz links neben dem Baum hat Bürgermeis­ter Raphael Bögge seinen Dienstwage­n abgestellt. Und ihn trotz eines Hinweises nicht umgeparkt. Das Schild weist die Fläche eindeutig aus.
Foto: Alexander Kaya Auf dem Behinderte­nparkplatz links neben dem Baum hat Bürgermeis­ter Raphael Bögge seinen Dienstwage­n abgestellt. Und ihn trotz eines Hinweises nicht umgeparkt. Das Schild weist die Fläche eindeutig aus.

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