Bögge und der Behindertenparkplatz
Der Sendener Bürgermeister stellt sein Auto auf einer Fläche für Rollstuhlfahrer ab – und sagt ungerührt, er habe das Recht dazu. Die Polizei sieht das anders und erklärt die Regeln
Senden Raphael Bögge fährt mit seinem Dienstwagen Richtung Hallenbad in Senden. Langsam biegt er auf den Parkplatz ein und stellt seinen Audi ab: auf einen Behindertenparkplatz – und das vor den Augen von vier Pressevertretern und Hallenbad-Betriebsleiter Michael Öchsle. Eindeutig kennzeichnet das blaue Schild mit dem weißen Symbol eines Rollstuhlfahrers die Fläche, auf der nicht jeder parken darf. Der Bürgermeister steigt aus und kommt zum Eingang des Bades. Als ihn der städtische Mitarbeiter dezent darauf hinweist, dass er einen Behindertenparkplatz blockiere, reagiert Bögge ungehalten: Er dürfe überall parken, weil er eine Sondergenehmigung habe und für einen Feuerwehreinsatz im Bedarfsfall schnell wegmüsse. Wer das nicht glaube, könne gerne in sein Büro kommen und dies nachlesen. Der Parkplatz des Hallenbades war nahezu leer, es hatte zu der Zeit noch geschlossen. Darf ein Bürgermeister wirklich auf einem Behindertenparkplatz parken?
Der Pressesprecher des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West, Christian Eckel, antwortet darauf mit einem ausdrücklichen Nein. Auf Behindertenparkplätzen dürfen ausschließlich Menschen mit einer außergewöhnlichen Gehbehinderung parken. Das sind beispielsweise Querschnittsgelähmte oder Blinde, die sich fahren lassen. Sie müssen im Besitz eines amtlichen Parkausweises mit Rollstuhlfahrersymbol sein.
Sofern ein Bürgermeister in seiner Funktion als Dienstherr der Feuerwehr oder als Feuerwehrler unterwegs ist, kann er Sonderrechte in Anspruch nehmen – aber nur, wenn es um „hoheitliche Aufgaben“geht, erklärt Rainer Lutz, Leiter Sachbereich Verkehr im Präsidium Schwaben Süd/West. Im vorliegenden Fall gelte dies nicht, da es keine aktuelle Gefahrensituation und keinen Einsatz gab, die das Parken auf einem Behindertenparkplatz gerechtfertigt hätten. Zu Bögges Einwand, dass er im Notfall schnell wegmüsse, sagt Lutz: „Sich auf eventuelle ’zukünftige’ Einsätze zu berufen, ist von der Inanspruchnahme von Sonderrechten nicht erfasst.“
In bestimmten Ausnahmen können die örtlichen Straßenverkehrsbehörden Sonderrechte erteilen, der Bürgermeister ist gleichzeitig der Chef der Behörde. Diese ist für Ge- meindestraßen zuständig. Mit einer solchen Ausnahme dürfe der Antragsteller dann beispielsweise durch eine gesperrte Straße fahren, sagt Eckel. „Im vorliegenden Fall ist das aber nicht Sinn der Vorschrift und würde mit Sicherheit von der Rechtsaufsichtsbehörde beanstandet werden“, teilt die Polizei mit.
Auch Polizisten dürfen nur in Gefahrenlagen oder ähnlichen Notsituationen auf einem Behindertenparkplatz stehen. Wer dort erwischt wird, bekommt ein Verwarnungsgeld in Höhe von 35 Euro aufgebrummt. Außerdem kann das Fahrzeug abgeschleppt werden.
Stefan Hatzelmann, Leiter des Fachbereichs Kommunalrecht beim Landratsamt in Neu-Ulm, sagt auf Nachfrage unserer Zeitung, es gebe in der Gemeindeordnung keine Vorschrift, die Bürgermeister berechtigt, überall parken zu dürfen.
Und das aus gutem Grund: Die Parkplätze für Schwerbehinderte sind extra breiter oder länger als andere Stellflächen. So können die Menschen beispielsweise leichter mit ihrem Rollstuhl oder Krücken ein- und aussteigen. Das Innenministerium weist in einer Broschüre darauf hin, dass die ausgewiesenen Parkplätze für Schwerbehinderte keine besonderen Vorteile bieten, sondern nur eine kleine, aber wirksame Erleichterung. „Für viele bedeutet ein belegter Behindertenparkplatz, dass sie wieder nach Hause fahren müssen“, steht in der Broschüre, die unter anderem an abgeschleppte Autos gehängt wird.
Raphael Bögge äußerte sich auf Nachfrage unserer Zeitung am Telefon zunächst ausweichend. Rechtlich möge es möglich sein, dass er dort parken darf, sagt er. Und schließlich sei das Bad geschlossen gewesen, er habe keinen gesehen, der dadurch behindert worden sei und es habe noch weitere Behindertenparkplätze neben seinem Auto gegeben. Dennoch sei es ein Fehler gewesen und moralisch „nicht die beste Entscheidung“. Am Ende des Gesprächs schaut er auf den Zettel hinter der Windschutzscheibe seines Autos mit Sondergenehmigungen und sagt: „Oh, Behindertenparkplätze stehen nicht drauf.“
Danach schickte sein Pressesprecher Jörg Portius noch eine schriftliche Stellungnahme: „Es ist keinesfalls in Ordnung, als gesunder Mensch einen Behindertenparkplatz zu benutzen. Als Bürger und Bürgermeister dieser Stadt liegt es mir fern, Menschen mit Einschränkungen gleich welcher Art den Alltag unnötig schwer zu machen. Ich habe vor diesem Hintergrund und im Sinne einer Vorbildfunktion erkannt, dass ich einen Fehler gemacht habe, der nicht mehr vorkommen wird, und entschuldige mich dafür in aller Form.“Bögge ist nicht der erste Bürgermeister, der auf einem Behindertenparkplatz geparkt hat. Jüngst gab es weitere Fälle. In Geldern (Nordrhein-Westfalen) und Horb am Neckar (Baden-Württemberg) haben Bürgermeister auf Behindertenplätzen geparkt. Beide haben sich entschuldigt. »Kommentar