Neu-Ulmer Zeitung

Ein Signal für Mut und Menschlich­keit

Mehr als 60 Organisati­onen aus Ulm und Neu-Ulm verabschie­den eine Erklärung für eine solidarisc­he Flüchtling­spolitik. Worum es den Initiatore­n vor allem geht

- VON DAGMAR HUB

Ulm/Neu Ulm Lothar Heusohn, Vorstandsv­orsitzende­r des Fördervere­ins Behandlung­szentrum Folteropfe­r Ulm und Amnesty Internatio­nal-Bezirksspr­echer Urs Fiechtner sind die Initiatore­n einer „Ulmer/Neu-Ulmer Erklärung für eine menschenre­chtliche und solidarisc­he Flüchtling­spolitik in Deutschlan­d und Europa“. Von der Erklärung, die bisher 62 Organisati­onen unterschri­eben haben, erhoffen sich beide Impulse für weitere ähnliche Initiative­n in anderen Städten. Ulm habe sich große Mühe gegeben, eine Politik zu machen für Menschen, die geflohen sind, sagt Heusohn. Von aktuellen politische­n Entwicklun­gen fühlten sich die Helferkrei­se desavouier­t.

„Die Abschrecku­ng, die Ablehnung und Abwehr, die sprachlich­e und politische Umwandlung von Menschen in Zahlen und Statistikg­rößen, die Entwicklun­g eines kollektive­n europäisch­en Asylverwei­gerungssys­tems, der Aufbau von Orten des Elends und der Entrechtun­g, die Pakte mit diktatoris­chen Machthaber­n und autoritäre­n Regimes, die sich freikaufen von Kritik oder Sanktionen für ihre Verbrechen, all das zeigt sich als Abgesang die sonst oft beschworen­en europäisch­en Werte: auf Menschenre­chte, Menschenwü­rde und Rechtsstaa­tlichkeit“, heißt es in der Erklärung. Für ein menschenfr­eundliches Land benötige es eine gestärkte Zivilgesel­lschaft.

„Wir rufen dazu auf, der Zivilgesel­lschaft den Rücken zu stärken, aktiv an ihr mitzuwirke­n und die Menschenre­chtsorgani­sationen und Flüchtling­shelfer zu unterstütz­en“, heißt es weiter. Staatsnots­tand breche nicht aus, wenn Menschen auf der Flucht sind, aber Staatsnots­tand breche aus, „wenn Menschen bei uns zu Freiwild werden“.

Die Erklärung wurde unterzeich­net von 62 Ulmer und Neu-Ulmer Organisati­onen, angefangen vom Afro-Deutschen Forum Ulm bis zum Verein „Zugvögel – Grenzen überwinden“. Dabei sind unter anderem der Arbeitskre­is Flucht & Asyl der Universitä­t Ulm, Caritas und Diakonie, das Festival Contre Le Racisme, der Flüchtling­srat Ulm/Alb-Donaukreis, das Forum Migration Ulm, der Freundeskr­eis Asyl Elchingen, Gewerkscha­ften und kirchliche Organisati­onen und das Welcome-Café der Hochschulg­ruppe Uni Ulm. Für die Arbeitsgem­einschaft Christlich­er Kirchen (ACK) Ulm/Neu-Ulm unterzeich­nete der Ulmer Dekan Ernst-Wilhelm Gohl.

Als Motivation der Initiatore­n erauf klärt Urs Fiechtner, dass man weltweit eine Erosion der Menschenre­chtsstanda­rds beobachte, die einhergehe mit Angriffen auf die Zivilgesel­lschaft. Als Beispiel nennt Fiechtner, dass Nichtregie­rungsorgan­isationen (NGO) infrage gestellt werden. Fiechtner kritisiert, dass der Kapitän der auf Malta festgesetz­ten „Lifeline“der Dresdener NGO „Mission Lifeline“gefragt wurde, wie viel Geld er von jedem einzelnen Flüchtling bekommen habe. Das bedeute eine Gleichsetz­ung der NGO mit kriminelle­n Organisati­onen, kritisiert Fiechtner. „Es war uns wichtig, nicht nur einen Standpunkt zu postuliere­n, sondern dazu aufzurufen, die Zivilgesel­lschaft zu stärken. Fiechtner beklagt, dass Ängste vor Abschiebun­gen Therapien von Flüchtling­en mit schweren psychische­n Störungen fast unmöglich machten.

Die Initiative sucht Paten und Patinnen zur Entlastung der Mitarbeite­r im Ulmer Behandlung­szentrum für Folteropfe­r, deren Arbeit stark zugenommen hat. Die Patienten müssen teilweise lange Wartezeite­n in Kauf nehmen, bevor sie in der vom Rehaverein für soziale Psychiatri­e Donau-Alb getragenen Einrichtun­g ihre Therapie beginnen können.

 ?? Symbolfoto: Santi Palacios/AP/dpa ?? Für eine menschenre­chtliche und solidarisc­he Flüchtling­spolitik setzen sich Organi sationen aus Ulm und Neu Ulm ein. Dabei spielt auch die Debatte um die Rettung von Flüchtling­en im Mittelmeer eine Rolle.
Symbolfoto: Santi Palacios/AP/dpa Für eine menschenre­chtliche und solidarisc­he Flüchtling­spolitik setzen sich Organi sationen aus Ulm und Neu Ulm ein. Dabei spielt auch die Debatte um die Rettung von Flüchtling­en im Mittelmeer eine Rolle.

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