Ulmer sammeln für verunglückten Biker
Die Familie will den jungen Motorradfahrer, der beim Unfall am Bismarckring in der Nacht auf Donnerstag ums Leben gekommen ist, zurück in sein Heimatland Rumänien holen
Ulm Scherben und Plastiksplitter liegen zwischen den Rosen am Bismarckring. Ein Teil der Brüstung über der Einfahrt zum Westringtunnel ist abgesprengt. Unten, sechs Meter tiefer, rollt der Verkehr wieder über die B 10. Gelbe und orangefarbene Markierungen auf dem Asphalt zeigen, was in der Nacht auf Donnerstag um kurz vor Mitternacht geschehen ist.
Ein 20 Jahre alter Motorradfahrer, der aus Rumänien stammt, kam auf dem Bismarckring nach links von der Straße ab, stürzte über die Brüstung in die Tiefe auf die B10 und wurde dort von einem Auto überrollt. So hat die Polizei das Unglück geschildert. Wie es zu dem Unfall kam, ist noch immer unklar.
An der Brüstung haben Freunde Grablichter, Teelichter und Tischkerzen aufgestellt. Razvan Iuga ist einer von ihnen. Er stammt wie das Opfer des Unfalls aus Temeschwar im Westen Rumäniens. Die beiden sind zusammen aufgewachsen, zusammen nach Deutschland gekommen, zusammen Motorrad gefahren. Noch vor ein paar Tagen waren sie gemeinsam mit ihren Maschinen unterwegs. Am Donnerstagmorgen gegen halb vier hat Iuga vom Unfall erfahren. Die Nachricht hat ihn tief getroffen. „Er war mein bester Freund“, sagt er. Der Rumäne ist schon mehrmals mit seinem Motorrad zur Unglücksstelle gefahren, um Kerzen anzuzünden.
Die Familie möchte den Leichnam des Unfallopfers zurück in die Heimat holen. Der Bruder des Toten kommt heute mit dem Fernbus in Ulm an. Alle anderen Verkehrsmittel wären zu teuer. Bis Dienstag oder Mittwoch wird er bei Razvan Iuga wohnen, alles soll so schnell wie möglich gehen.
Raul Hesser will die Familie des Toten unterstützen. Hesser, der in Dornstadt lebt, ist Vater zweier Kinder und stammt aus dem gleichen Land – auch wenn sein Name nicht danach klingt. „Ich kenne das Leben in Rumänien“, sagt Hesser. Er ist 1999 nach Deutschland gekommen und hat später den Namen seiner Frau angenommen. Inzwi- arbeitet er als Schichtleiter bei Gardena, wo er 50 Mitarbeiter führt. „Es ist eine sehr arme Familie“, sagt Hesser über die Angehörigen des Toten. Gekannt hat er den jungen Mann nicht. In einer Facebook-Gruppe, in der sich Rumänen in Ulm austauschen, hat er von dem Unglück erfahren.
Hesser wollte helfen. „Er ist nur vier Jahre älter als meine Tochter“, sagt der Dornstadter über den verunglückten jungen Mann. Also startete er einen Spendenaufruf im Internet und richtete ein Konto beim Bezahldienst Paypal ein. Das Geld will er dem Bruder des Toten geben. In bar, eine Überweisung würde jetzt, am Wochenende, zu viel Zeit kosten. Innerhalb weniger Stunden kamen mehr als 2000 Euro zusammen, die meisten Unterstützer gaben zwischen fünf und 25 Euro. Viele der Spender haben Beileidsbekundungen neben ihren Namen geschrieben. Auf Deutsch, Englisch und Rumänisch. Hesser will auch das an den Bruder des Opfers weitergeben. „Die vielen schönen Worte sind eine Hilfe“, glaubt er. Auch der Vermieter des Verstorbenen hat sich bei Hesser gemeldet: „ein sehr netter Mann“. Der Bruder des Verstorbenen soll die Kaution bekommen, die der junge Mann für seine Wohnung gezahlt hat: 250 Euro.
Über Razvan Iuga hat Raul Hesser Kontakt zur Familie aufgenomschen men, er wird den Bruder des Unfallopfers am Sonntag treffen. Danach geht es nicht mehr, Hessers Schichtplan lässt keinen anderen Termin zu. Wie viel Geld nötig ist, weiß er nicht. Er habe einfach helfen wollen, sagt Hesser. Auch Razvan Iuga hat eine Spendenbitte im Netz veröffentlicht, auch dort sind an einem Tag mehr als 1000 Euro zusammengekommen.
Derartige Aufrufe im Internet gibt es immer wieder. Manche sind seriös, andere nicht. Ein Sprecher der Polizei empfiehlt, im Zweifel den Verfasser des Aufrufs zu kontaktieren und ihn nach Details zu fragen. Nur so könne man einschätzen, was dahintersteckt.