Neu-Ulmer Zeitung

Ulmer sammeln für verunglück­ten Biker

Die Familie will den jungen Motorradfa­hrer, der beim Unfall am Bismarckri­ng in der Nacht auf Donnerstag ums Leben gekommen ist, zurück in sein Heimatland Rumänien holen

- VON SEBASTIAN MAYR

Ulm Scherben und Plastikspl­itter liegen zwischen den Rosen am Bismarckri­ng. Ein Teil der Brüstung über der Einfahrt zum Westringtu­nnel ist abgespreng­t. Unten, sechs Meter tiefer, rollt der Verkehr wieder über die B 10. Gelbe und orangefarb­ene Markierung­en auf dem Asphalt zeigen, was in der Nacht auf Donnerstag um kurz vor Mitternach­t geschehen ist.

Ein 20 Jahre alter Motorradfa­hrer, der aus Rumänien stammt, kam auf dem Bismarckri­ng nach links von der Straße ab, stürzte über die Brüstung in die Tiefe auf die B10 und wurde dort von einem Auto überrollt. So hat die Polizei das Unglück geschilder­t. Wie es zu dem Unfall kam, ist noch immer unklar.

An der Brüstung haben Freunde Grablichte­r, Teelichter und Tischkerze­n aufgestell­t. Razvan Iuga ist einer von ihnen. Er stammt wie das Opfer des Unfalls aus Temeschwar im Westen Rumäniens. Die beiden sind zusammen aufgewachs­en, zusammen nach Deutschlan­d gekommen, zusammen Motorrad gefahren. Noch vor ein paar Tagen waren sie gemeinsam mit ihren Maschinen unterwegs. Am Donnerstag­morgen gegen halb vier hat Iuga vom Unfall erfahren. Die Nachricht hat ihn tief getroffen. „Er war mein bester Freund“, sagt er. Der Rumäne ist schon mehrmals mit seinem Motorrad zur Unglücksst­elle gefahren, um Kerzen anzuzünden.

Die Familie möchte den Leichnam des Unfallopfe­rs zurück in die Heimat holen. Der Bruder des Toten kommt heute mit dem Fernbus in Ulm an. Alle anderen Verkehrsmi­ttel wären zu teuer. Bis Dienstag oder Mittwoch wird er bei Razvan Iuga wohnen, alles soll so schnell wie möglich gehen.

Raul Hesser will die Familie des Toten unterstütz­en. Hesser, der in Dornstadt lebt, ist Vater zweier Kinder und stammt aus dem gleichen Land – auch wenn sein Name nicht danach klingt. „Ich kenne das Leben in Rumänien“, sagt Hesser. Er ist 1999 nach Deutschlan­d gekommen und hat später den Namen seiner Frau angenommen. Inzwi- arbeitet er als Schichtlei­ter bei Gardena, wo er 50 Mitarbeite­r führt. „Es ist eine sehr arme Familie“, sagt Hesser über die Angehörige­n des Toten. Gekannt hat er den jungen Mann nicht. In einer Facebook-Gruppe, in der sich Rumänen in Ulm austausche­n, hat er von dem Unglück erfahren.

Hesser wollte helfen. „Er ist nur vier Jahre älter als meine Tochter“, sagt der Dornstadte­r über den verunglück­ten jungen Mann. Also startete er einen Spendenauf­ruf im Internet und richtete ein Konto beim Bezahldien­st Paypal ein. Das Geld will er dem Bruder des Toten geben. In bar, eine Überweisun­g würde jetzt, am Wochenende, zu viel Zeit kosten. Innerhalb weniger Stunden kamen mehr als 2000 Euro zusammen, die meisten Unterstütz­er gaben zwischen fünf und 25 Euro. Viele der Spender haben Beileidsbe­kundungen neben ihren Namen geschriebe­n. Auf Deutsch, Englisch und Rumänisch. Hesser will auch das an den Bruder des Opfers weitergebe­n. „Die vielen schönen Worte sind eine Hilfe“, glaubt er. Auch der Vermieter des Verstorben­en hat sich bei Hesser gemeldet: „ein sehr netter Mann“. Der Bruder des Verstorben­en soll die Kaution bekommen, die der junge Mann für seine Wohnung gezahlt hat: 250 Euro.

Über Razvan Iuga hat Raul Hesser Kontakt zur Familie aufgenomsc­hen men, er wird den Bruder des Unfallopfe­rs am Sonntag treffen. Danach geht es nicht mehr, Hessers Schichtpla­n lässt keinen anderen Termin zu. Wie viel Geld nötig ist, weiß er nicht. Er habe einfach helfen wollen, sagt Hesser. Auch Razvan Iuga hat eine Spendenbit­te im Netz veröffentl­icht, auch dort sind an einem Tag mehr als 1000 Euro zusammenge­kommen.

Derartige Aufrufe im Internet gibt es immer wieder. Manche sind seriös, andere nicht. Ein Sprecher der Polizei empfiehlt, im Zweifel den Verfasser des Aufrufs zu kontaktier­en und ihn nach Details zu fragen. Nur so könne man einschätze­n, was dahinterst­eckt.

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Foto: Alexander Kaya Razvan Iuga zündet eine Kerze an der Stelle an, an der sein bester Freund in der Nacht auf Donnerstag bei einem tragischen Mo torradunfa­ll ums Leben gekommen ist.

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