Fremden Müll aufsammeln?
Wissen Sie was? Ich achte vielleicht mehr auf Müll auf der Straße als viele Saubermänner und Blankputzer. Aber ich würde fremden Abfall nicht aufräumen. Mitnehmen aber schon, gelegentlich. Eine platte, rostfarbene Getränkedose oder handbeschriebene Zettel. Beides sammele ich. Spuren im öffentlichen Raum sind faszinierend.
Die Straßen, Rinnsteine, Plätze sind voller Zeichen, die zum Leben Unbekannter gehören. Müll spricht, er erzählt Geschichten, er durchlebt Metamorphosen. Zigarettenschachteln, Kaffeebecher, Bananenschalen: Strandgut, angespült vom Zufall, Flaschenpost aus dem Alltagsleben (weggeworfen von gedankenlosen, verloren von zerstreuten Leuten). Wir können froh sein, nicht im klinisch sauberen, aseptisch langweiligen Singapur zu leben.
Einmal sah ich eine ziemlich ramponierte Spielzeugpuppe auf dem Gehsteig liegen. Stunden später fehlte der Kopf. Der tauchte am nächsten Morgen 50 Meter weiter auf einer Fensterbank auf, um dann von irgendwem in den Abfallkorb geworfen zu werden. Und da lag er, ganz unten. Einen weiteren Tag später, der Abfallkorb war ganz voll, lag der Kopf obenauf. Müll-Magie – die Dinge führen ein Eigenleben. Ich sehe das gern. Und die Müll-Stillleben enden doch fast immer zuverlässig auf die gleiche Weise: die Männer von der Straßenreinigung sammeln auf und kehren zusammen. Das ist ihr Job – und es funktioniert.
Warum also sich bücken und dabei auf die Mitmenschen schimpfen? Es genügt, seine Umwelt selbst nicht zu vermüllen. Wenn wir beginnen, hinter anderen herzuputzen, wäre das auch das falsche Signal für Müllfallenlasser. Und doch (ohne das Contra jetzt weichspülen zu wollen): Im Wald habe ich auch schon Plastiktüten aufgehoben und entsorgt.