Neu-Ulmer Zeitung

Zweifel an Anschlag auf Maduro

Im Fernsehen ist ein lauter Knall zu hören. Aber wurde der Präsident wirklich mit Drohnen angegriffe­n oder ist alles nur Taktik, um den eigenen Kurs zu verschärfe­n?

- VON SANDRA WEISS

Caracas Es ist Samstag, 17.41 Uhr, Nicolás Maduro spricht gerade vor der Nationalga­rde auf der Avenida Bolívar in Caracas.„Das ist der Moment der wirtschaft­lichen Erholung“, sagt Venezuelas Präsident, als plötzlich ein Knall zu hören ist. Ein hilfloser Blick nach oben, Bodyguards stürmen auf die Bühne und breiten ihre Schutzschi­rme aus. Die Kamera des Staatsfern­sehens schwenkt weg von der Tribüne in die Totale, wo noch Normalität herrscht. Dann 20 Sekunden später noch ein Knall, und die in strammer Formation aufgestell­ten Soldaten ergreifen planlos die Flucht. Der Staatssend­er blendet ab.

Keine zwei Stunden später tritt Maduro gefasst im Fernsehen auf und spricht von einem Sprengstof­fanschlag mit zwei Drohnen. Sieben Militärs wurden seinen Angaben zufolge dabei verletzt. „Heute haben sie versucht, mich umzubringe­n. Sie sind wieder gescheiter­t. Juan Manuel Santos steckt dahinter“, behauptet er. Kolumbiens Präsident und Friedensno­belpreistr­äger sei zusammen mit Ultrarecht­en aus Venezuela und den USA der Drahtziehe­r. Mehrere Verdächtig­e seien festgenomm­en worden, alle Beweise gesichert. Fernsehbil­der von den Drohnen gibt es jedoch nicht. Journalist­en, die sich in der Nähe der Tribüne aufgehalte­n hatten, wurden festgenomm­en, ihr Material konfiszier­t. Santos wiederum ließ ausrichten, er sei mit der Taufe seiner Enkelin beschäftig­t, nicht damit, andere Regierunge­n zu stürzen. Kolumbiens scheidende­r Staatschef gehört zu den dezidierte­sten Kritikern des venezolani­schen Sozialismu­s. Das Nachbarlan­d hat außerdem mit dem Großteil des Flüchtling­sstroms aus Venezuela zu kämpfen. Erst vor wenigen Tagen erteilte Santos knapp einer halben Million venezolani­scher Migranten ein Bleiberech­t.

Zweifel an der offizielle­n Version von einem Mordanschl­ag kamen schnell auf. In Venezuela trauen die Menschen ihrer Regierung seit langem nicht über den Weg. Wie in der Region ansonsten nur im Einparteie­nstaat Kuba üblich stellen die Amtsmittei­lungen die Wirklichke­it so verzerrt dar, dass sie kaum noch ernst genommen werden.

Die Nachrichte­nagentur AP vermeldete schon kurz nach dem Ereignis unter Berufung auf Feuerwehrl­eute, bei dem Ganzen habe es sich um eine Gasexplosi­on in einer Wohnung gehandelt – also um einen Unfall. Sie untermauer­te die Behauptung mit entspreche­nden Bildern. Nachbarn berichtete­n, sie hätten eine Explosion gehört, und die Wände hätten gewackelt. Opposition­elle äußerten die Befürchtun­g, dass der wegen einer extremen Wirtschaft­skrise unter Druck stehende Maduro nun noch härter gegen seine politische­n Gegner vorgehen werde.

Schließlic­h bekannten sich gleich zwei Gruppen von Offizieren und Soldaten zu dem Attentat. Auf Twitter erklärten die bisher unbekannte­n „Soldados de Franelas“(Flanell-Soldaten), sie hätten zwei mit Plastikspr­engstoff beladene Drohnen auf die Rednertrib­üne zugesteuer­t, die seien aber von Scharfschü­tzen abgeschoss­en worden. Mehreren Medien wurde ein anonymes Bekennersc­hreiben von angebliche­n Offizieren zugespielt, in dem es hieß, die Operation Phoenix habe nicht geklappt. „Aber unser Kampf geht weiter, um die Unabhängig­keit, Souveränit­ät und öffentlich­e Ordnung wiederherz­ustellen“, hieß es. Die Regierung verletze systematis­ch die Verfassung. Es gehe ihnen darum, dass die Bevölkerun­g wieder etwas zu essen bekomme, die Kranken Medikament­e, das Geld wieder einen Wert habe.

Mit der Regierung in Caracas befreundet­e sozialisti­sche Staaten wie Bolivien, Kuba und Nicaragua solidarisi­erten sich nach dem Vorfall mit Maduro. Das sei das Werk von „Terroriste­n“und „Kriminelle­n“, sagte Nicaraguas Regierungs­sprecherin Rosario Murillo, die Frau von Staatschef Daniel Ortega.

Venezuela leidet seit langem unter einer schweren Wirtschaft­s- und Versorgung­skrise, internatio­nale Organisati­onen warnen vor einer humanitäre­n Notlage. Das Land mit den größten Ölreserven der Welt kann kaum noch Lebensmitt­el und Medikament­e importiere­n. Kritiker werfen Maduro vor, er wolle eine Diktatur errichten. Die wichtigste­n Opposition­sführer sind im Gefängnis oder im Exil.

„Heute haben sie versucht, mich umzubringe­n. Sie sind wieder gescheiter­t.“Nicolás Maduro, Präsident von Venezuela

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Foto: Xin Hua, dpa Sicherheit­sbeamte schützen den venezolani­schen Präsidente­n Nicolás Maduro, nachdem seine Rede unterbroch­en wurde. Wäh rend einer Militärpar­ade in Venezuela hat es wohl einen versuchten Anschlag gegeben.
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Fotos: afp Ein Soldat blutet nach dem mutmaßli chen Anschlag am Kopf.
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Maduros Ehefrau Cilia Flores blickt in die Luft und geht in Deckung. Angeblich steuerten Drohnen auf die Menge zu.

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