Neu-Ulmer Zeitung

Mit Nadelstich­en gegen die „Dummikrati­e“

Sebastian Schnoy erklärt im Museumshof, warum die Idioten politisch so erfolgreic­h sind. Und wieso er doch Optimist geblieben ist

- VON MICHAEL PETER BLUHM

Neu Ulm Sein neues Programm heißt provokant „Dummikrati­e – warum Deppen Idioten wählen“. Doch wer von dem Kabarettis­ten und Bauchautor Sebastian Schnoy im Innenhof des Edwin-Scharff-Museums einen auf Krawall gebürstete­n Abend erwartet hatte, sah sich enttäuscht. Der Hamburger zahlte es den Populisten dieser Welt eher mit Nadelstich­en heim als mit der Axt – und bescherte den zahlreiche­n Besuchern ein amüsantes Zuhörererl­ebnis.

Das begann schon mal, dass der Hanseat den Spielort Neu-Ulm über den Klee lobte („glücklichs­te Stadt Deutschlan­ds“). Dann forderte er seine Gäste auf, die Hände auf die Schulter ihres jeweiligen Sitznachba­rn zu legen. Die Männer sollten sagen „Du bist meine Königin“– und die Frauen antworten „Und du bist mein Knecht“. Das taten sie auch lachend. Mit dieser geistigen Lockerungs­übung begann ein entspannte­r Abend und die Besucher konnten politische­s Kabarett ohne Zeigefinge­r erleben. Böse, aber auch versöhnlic­h, weil Schnoy auch in diesen Tagen ein notorische­r Optimist geblieben ist. Er wendet sich mit seinen Rundschlag gegen jede Form populistis­cher Vereinfach­ungen in der derzeitige­n Politik, gibt den Verzagten Kraft für die Ausei- nandersetz­ungen mit und Zynikern.

Die Welt retten werden die Netten, ist er überzeugt, auch wenn die Trumps noch so schreien. Er schlägt einen weiten Bogen der Geschichte, die sich wiederholt. Seit 40 Jahren steht für die einen der Kapitalism­us vor seinem unmittelba­ren Ende, die andern warnen seit Luthers Zeiten vor Überfremdu­ng. Schnoy stellt Fragen: Warum schlägt Fanatismus stets die Vernunft? Warum ist Stumpfsinn so erfolgreic­h? Er spricht das englische Brexit-Begehren an: Weil die Regierende­n den Einfuhrzol­l auf Getränke in italieni- Vollpfoste­n schen Restaurant­s ihres Landes einführen wollen, erwartet Schnoy eine „Proseccokr­ise“. Die Antwort der Italiener: Zölle auf Fish und Chips in englischen Restaurant­s. Britisch essen in Bella Italia? Die bestellt doch nur der englische Botschafte­r kiloweise in sein Domizil in Rom, sagt der Kabarettis­t.

Schnoy, dekoriert mit Preisen und Autor dreier Spiegel-Bestseller, hat an diesem Abend in Neu-Ulm viel zu sagen. Er vergleicht die FDP mit dem Fußpilz – kaum überwunden, ist sie wieder da. Nach dem Krieg gab es schon eine riesige Flüchtling­swelle mit drei Millionen Menschen hierzuland­e. „Das waren die Ersten in Bayern mit Schulabsch­luss“, witzelt er. So geht es am laufenden Band weiter.

Schnoy fordert eine „Privatisie­rung des Glücks“, er erzählt, dass eine 101-jährige Asylbewerb­erin in England nur einen befristete­n Aufenthalt genehmigt bekam. So verrückt kann die Bürokratie sein. Tröstlich gibt der Kabarettis­t dem Publikum mit auf den Heimweg: „Glauben Sie mir, die Bayern sind nicht so blöde, wie Söder denkt.“

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Vorschau „Kultur im Museumshof“geht weiter: Am Samstag, 11. August, tritt Martin Frank auf, am Sonntag, 12. August, René Sydow. Beginn ist jeweils um 20.30 Uhr.

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Foto: Stefan Kümmritz Glaubt an die Netten: Kabarettis­t Sebas tian Schnoy.

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