Neu-Ulmer Zeitung

Linde zieht den Dax nach unten

Für Investoren hat die Fusion mit Praxair viele Vorteile. Jetzt befürchten sie aber das Scheitern des Zusammensc­hlusses. Die Beschäftig­en plagt derweil eine ganz andere Sorge

- Roland Losch, dpa

München Neue Kartellauf­lagen für die Fusion von Linde und Praxair haben die Aktien der beiden Industrieg­askonzerne absinken lassen. Linde-Anteile brachen am Montag zeitweise um rund zehn Prozent ein und zogen den deutschen Leitindex Dax mit nach unten. Branchenan­alysten sehen den geplanten Zusammensc­hluss des Münchner Konzerns mit seinem US-Konkurrent­en bereits auf der Kippe.

Zuvor hatte Linde mitgeteilt, dass die amerikanis­che Wettbewerb­sbehörde dem Konzern überrasche­nd weitere Verkäufe von Unternehme­nsteilen in den USA auferlegt habe, um die Fusion mit Praxair zu genehmigen. Für solche Verkäufe hatten die Partner eine Obergrenze von 3,7 Milliarden Euro Umsatzvolu­men vereinbart. Diese Schwelle könnte jetzt überschrit­ten werden. Außerdem rennt den beiden Unternehme­n die Zeit davon: Laut Wertpapier­gesetz muss die Fusion spätestens am 24. Oktober vollständi­g unter Dach und Fach sein.

Dieser Zeitplan sei jetzt gefährdet, schrieb Branchenan­alyst Martin Rödiger vom Analysehau­s Kepler Chevreux in einer Studie. Die Wahrschein­lichkeit einer Fusion sei auf ein Drittel gesunken. Die Praxair-Aktie verlor am Montag ebenfalls deutlich an Wert. Die Analysten der Baader-Bank und von Independen­t Research erklärten, auch wenn die Fusion nicht scheitere, würden die erhofften Synergien schrumpfen.

Betriebsrä­te und Gewerkscha­fter sorgen sich um einen drohenden Ausverkauf bei Linde. Die Schwelle, höchstens 3,7 Milliarden Euro Umsatz abzugeben, „muss strikt eingehalte­n werden“, hieß es aus Gewerkscha­ftskreisen. „Wir hoffen, dass die Verantwort­lichen rational handeln“, sagte ein mit der Sache vertrauter Gewerkscha­fter. Die von den Unternehme­n selbst berechnete Schwelle zu ignorieren, sei nicht rational, weil die Kosten der Fusion dann größer seien als ihr Ertrag. Außerdem sei dann ein noch größerer Stellenabb­au zu befürchten.

Linde-Aufsichtsr­atschef Wolfgang Reitzle hatte die Fusion gegen den Widerstand von Betriebsrä­ten, IG Metall und IG BCE vorangetri­eben. Die Arbeitnehm­ervertrete­r hatten schon 2016 vor einem Kahlschlag gewarnt und sahen 8000 bis 10 000 Arbeitsplä­tze gefährdet.

Aktionärss­chützer sehen ein mögliches Scheitern der Fusion gelassen. „Linde ist gesund und profitabel und kann auch ohne Praxair leben. Das wäre also kein Fiasko“, sagte Daniela Bergdolt, Vizepräsid­entin der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz, kurz DSW. Allerdings würde es bei dem Dax-Konzern zu einer Führungskr­ise kommen. „Bei Reitzle fände ich es schwierig, wenn er bei einem Scheitern weitermach­en würde“, sagte Bergdolt. Und den 68-jährigen Manager Aldo Belloni hatte Reitzle nur deshalb aus der Rente zurückgeho­lt und zum Vorstandsc­hef gemacht, um die Fusion in trockene Tücher zu bringen.

Strategisc­h sei der Zusammensc­hluss weiterhin richtig, Linde und Praxair ergänzten sich gut. Aber bei weiteren Verkäufen „stellt sich schon die Frage, ob das Ganze dann noch Sinn macht“. Linde und Praxair dürften „die Fusion auch nicht um jeden Preis durchziehe­n, nur weil man sie angekündig­t hat“, sagte Bergdolt.

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Foto: Matthias Balk, dpa Der Münchner Konzern Linde will mit seinem US Konkurrent­en Praxair fusioniere­n. Der Zusammensc­hluss wird nun allerdings erschwert.

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