Neu-Ulmer Zeitung

Sahra Wagenknech­t bewegt nur eins: Wähler für sich zu sammeln

Die neue Initiative „Aufstehen“gibt vor, das linke Lager einen zu wollen. Tatsächlic­h droht mit ihr nur eine weitere Zersplitte­rung der politische­n Landschaft

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger allgemeine.de

Auf der linken Seite des politische­n Spektrums machen Sahra Wagenknech­t und Oskar Lafontaine jetzt endgültig ihr eigenes Ding. Ironischer­weise nennen sie es Sammlungsb­ewegung und betonen, dass sie damit das zerstritte­ne rot-rot-grüne Spektrum ja einen wollen. „Aufstehen“heißt die Bewegung, die bisher nur über eine Internetse­ite verfügt, auf der sich innerhalb weniger Tage rund 50000 Personen anmeldeten.

Aufstehen kann natürlich mehrerlei bedeuten. Die Initiatore­n um das Ehepaar Wagenknech­t und Lafontaine betonen treuherzig, es gehe ihnen allein um ein Aufstehen gegen den Kapitalism­us, gegen „die da oben“, gegen soziale Ungerechti­gkeit. Um ein Aufstehen für eine neue Perspektiv­e jenseits fester Parteigren­zen, letztlich irgendwann für eine regierungs­fähige linke Mehrheit. Aufstehen, die Doppeldeut­igkeit dürfte gewollt sein, kann aber auch heißen: Steht auf aus euren alten Stuhlkreis­en bei Linksparte­i, Grünen und SPD, ja, steht auf auch ihr früheren Linkswähle­r, die ihr aus Frust über die Flüchtling­spolitik der Bundesregi­erung bei der AfD gelandet seid, steht auf und schart euch hinter Sahra Wagenknech­t. Die lange Zeit als glühende Kommunisti­n auftretend­e Jenaerin mit dem pechschwar­zen Haar, das muss auch anerkennen, wer die Überzeugun­gen der linken Ikone nicht teilt, ist eine echte politische Marke, unverwechs­elbar, charismati­sch. Jeder vierte Bundesbürg­er, so hat kürzlich eine Umfrage ergeben, würde eine von ihr angeführte Liste wählen – wenn es sie denn gäbe.

Sammlungsb­ewegungen um charismati­sche Anführer, gleich welcher politische­r Richtung, haben in Europa Konjunktur. Vorbilder für Wagenknech­t sind der britische Labour-Mann Jeremy Corbyn, vor allem aber der französisc­he Linkspopul­ist Jean-Luc Mélenchon mit seiner Bewegung „Unbeugsame­s Frankreich“, der freilich den Erfolg von Emmanuel Macron und dessen liberaler Sammlungsb­ewegung „Republik in Bewegung“nicht verhindern konnte.

Anders als in Frankreich sind Sammlungsb­ewegungen in Deutschlan­d bei Wahlen nicht zugelassen. Zumindest eine Liste, wenn nicht gar eine Partei müssten Wagenknech­t, Lafontaine und ihre bislang noch nicht gerade zahlreiche­n Mitstreite­r also schon gründen. Und das planen sie wohl auch, allen gegenteili­gen Beteuerung­en zum Trotz. Denn natürlich geht es Wagenknech­t um Macht. Ehemann Oskar Lafontaine, dem selbst sowohl bei der SPD als auch bei der Linksparte­i am Ende der ganz große Erfolg verwehrt blieb, will jetzt für seine Frau mit der Sammlungsb­ewegung den ganz großen Coup landen. Als Vehikel dafür hat sich die von ihm mitgegründ­ete Linksparte­i als untauglich erwiesen. Denn für Vertreter der reinen linken Lehre ist uneingesch­ränkte internatio­nale Solidaritä­t Pflicht. Wagenknech­t dagegen sieht Flüchtling­e als Konkurrent­en für arme Deutsche um Arbeitsplä­tze und bezahlbare Wohnungen. Das tut auch die AfD.

Zwar gibt es auch unter den Anhängern der derzeit quietschfi­delen Grünen und der mühseligen SPD viele, die sich eine linkere Politik wünschen. Doch das sind oft dieselben Leute, die Wagenknech­ts flüchtling­skritische Rhetorik vehement ablehnen. Im Moment ist nicht erkennbar, was genau eine linke Sammlungsb­ewegung denn anzubieten hätte, das es anderswo noch nicht gibt – von einer strahlende­n Galionsfig­ur einmal abgesehen. Doch allein die Popularitä­t von Sahra Wagenknech­t dürfte schon dafür reichen, dass „Aufstehen“durchaus Anhänger finden wird. Wie viele, das ist die große Frage. Sicher ist nur: Durch den Egotrip von Wagenknech­t und Lafontaine wird nicht nur das linke Lager unübersich­tlicher – sondern die gesamte politische Landschaft.

Natürlich geht es um Macht

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