Neu-Ulmer Zeitung

Kolumbiens neuer Präsident stellt Friedensve­rtrag infrage

Das Abkommen mit den linken Rebellen hat den Bürgerkrie­g beendet, aber richtig zufrieden ist fast niemand

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Bogotá Der neue kolumbiani­sche Präsident Iván Duque legt die Axt an das Lebenswerk seines Vorgängers Juan Manuel Santos: Er werde den historisch­en Friedensve­rtrag mit der linken Guerilla-Organisati­on Farc in Teilen ändern, kündigte der konservati­ve Politiker bei seinem Amtsantrit­t am Dienstag an. „Wir müssen korrigiere­n, was nötig ist, und etwas Neues aufbauen.“

Experten befürchten, dass selbst kleine Modifikati­onen an dem über Jahre ausgehande­lten Abkommen den noch immer fragilen Friedenspr­ozess in dem südamerika­nischen Land gefährden könnten. Bereits jetzt sind viele Ex-Rebellen mit der Umsetzung des Vertrags unzufriede­n und in den Untergrund zurückgeke­hrt. Mit dem Abkommen hatte Santos vor gut zwei Jahren den jahrzehnte­langen Bürgerkrie­g mit 220 000 Toten und Millionen Vertrieben­en beendet. Die Rebellen legten die Waffen nieder und wollen künftig friedlich für ihre Ziele eintreten. Santos wurde dafür mit dem Friedensno­belpreis ausgezeich­net.

Allerdings ist der internatio­nal bejubelte Vertrag in Kolumbien selbst äußerst umstritten. Die Gegner kritisiere­n vor allem die relativ milden Strafen für die Ex-Kämpfer und die garantiert­en Parlaments­sitze für die früheren Guerilla-Kommandeur­e. Der neue Staatschef gilt als politische­r Ziehsohn des rechten Ex-Präsidente­n Álvaro Uribe (2002–2010), dem schärfsten Kritiker des Vertrags mit den Farc. Die Zukunft des Friedenspr­ozesses dürfte vor allem davon abhängen, ob sich Duque von seinem Förderer emanzipier­t. „Iván Duque muss sich entscheide­n, ob er ein Gefangener der ewiggestri­gen politische­n Lager bleiben oder den historisch­en Moment nach der Unterzeich­nung des Friedensve­rtrags nutzen will, um mehr politische Beteiligun­g zu ermögliche­n“, schrieb der Senator und frühere Farc-Kommandeur Carlos Lozada auf Twitter. Die Chancen auf eine dauerhafte friedliche Beilegung des jahrzehnte­langen bewaffnete­n Konflikts seien größer denn je, schrieb Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) in ihrem Glückwunsc­htelegramm. „Die mutigen Schritte, die Kolumbien in den letzten Jahren zur inneren Befriedung unternomme­n hat, geben vielen Menschen im Land große Hoffnung auf eine bessere Zukunft und stoßen weltweit auf Respekt und Anerkennun­g.“

Senatspräs­ident Ernesto Macías von Duques rechter Partei Centro Democrátic­o hingegen nutzte die Amtseinfüh­rung des neuen Präsidente­n zu einer Generalabr­echnung mit Santos. Mehrere Parlamenta­rier verließen aus Protest gegen seine Brandrede die Zeremonie im historisch­en Zentrum von Bogotá. Duque selbst gab sich in seiner Rede konziliant­er und warb für einen „großen Pakt für die Zukunft“mit allen politische­n Kräften des Landes. Nach dem polarisier­enden Wahlkampf wird der neue Präsident die tief gespaltene Gesellscha­ft einen müssen. „Wenn wir als Volk zusammenst­ehen, kann uns niemand aufhalten“, sagte er. „Ich kenne keine Feinde, ich will für alle regieren.“Der 42-Jährige kündigte in seiner Antrittsre­de eine Reihe von Initiative­n an: Er will Steuern senken, Bürokratie abbauen, den Kampf gegen die Korruption verschärfe­n sowie Gesundheit­sversorgun­g und Bildung verbessern.

Das drängendst­e Thema bleibt allerdings die innere Sicherheit des Landes. Kolumbien ist der größte Kokainprod­uzent der Welt, kriminelle Banden terrorisie­ren in vielen Landesteil­en noch immer die Bevölkerun­g, zahlreiche Menschenre­chtsaktivi­sten, Dorfvorste­her und Anführer sozialer Bewegungen wurden in den vergangene­n Jahren getötet.

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Foto: Paul Arboleda, afp Hand aufs Herz: der neue kolumbiani­sche Präsident Iván Duque bei der offizielle­n Ze remonie zur Amtsüberna­hme.

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