Neu-Ulmer Zeitung

King Abele ist am Ziel

Der 32-jährige Ulmer gewinnt die erste deutsche Goldmedail­le bei der EM in Berlin und verliert im Ziel die Fassung. Er hat einen langen, beschwerli­chen Weg hinter sich

- VON ANDREAS KORNES

Berlin Arthur Abele hat es geschafft. Der Ulmer ist Europas König der Leichtathl­eten. Gestern Abend holte er EM-Gold im Zehnkampf. Mit 8431 Punkten ließ er nach den beiden Wettkampft­agen im Berliner Olympiasta­dion Ilja Schkurenjo­w (Neutrales Team, 8321) sowie Vitali Schuk (Weißrussla­nd, 8290) hinter sich. Niklas Kaul wurde starker Vierter. Schon früh im Wettbewerb hatte sich angedeutet, was gestern um 21.40 Uhr mit Tränen der Freude endete. Dass Abele nun seinen ersten großen Titel feiern darf. Dass er nicht mehr nur als hoch veranlagt, aber unvollende­t gilt. „Wahnsinn, absoluter Wahnsinn. Ich bin fassungslo­s“, stammelte er direkt nach dem Zieleinlau­f der abschließe­nden 1500 Meter.

Der Weg dorthin war beschwerli­ch, denn in jedem Zehnkampf stecke man irgendwann in einem Tief, hatte Abele schon vor der EM gesagt. Irgendwann war in seinem Fall genau der Moment, als er im Stabhochsp­rung 4,60 Meter souverän überwand, 4,70 Meter ausließ und die Stange auf 4,80 montieren ließ. Eine Höhe, die er gestern nicht schaffte. „Schade, das ist doof gelaufen“, sagte Abele. Egal. Abhaken. Das zu können ist eine Kerntugend des Zehnkampfs. In einem solchen gibt es viel zu viel zu erledigen, als dass Zeit bliebe, vertanen Chancen hinterherz­utrauern.

Abele machte also einfach weiter. Und am Ende des ersten Tages, eigentlich sein etwas schwächere­r, war klar, dass Abele auf Kurs liegt. Das Ziel war eindeutig: eine Medaille. Bisher hatte ihn zuverlässi­g immer dann das Glück verlassen oder wahlweise eine Verletzung ereilt, wenn es darum ging, Großes zu erreichen. Diesmal erwischte es einen anderen. Top-Favorit Kevin Mayer aus Frankreich war nach drei ungültigen Versuchen schon im Weitsprung, der zweiten Disziplin, aus dem Rennen. Das gleiche Schicksal ereilte Abeles Ulmer Trainingsk­ollegen Mathias Brugger. Er übertrat dreimal. Abele blieb unbeirrt. Gestern früh ließ Bundestrai­ner Christophe­r Hellmann per WhatsApp wissen, dass sein aussichtsr­eichster Schützling sich über die Nacht einigermaß­en erholt habe. „Es geht ihm soweit ok. Sein Knie spürt er etwas, aber noch im Rahmen. Also: Alles auf Angriff!!!“

Eine Vorgabe, die Abele sofort umsetzte. Über 110 Meter Hürden, eine seiner Stärken, war er der Schnellste im Feld. Im Diskuswurf holte er sich die Führung, die er dann im Stabhochsp­rung postwenden­d wieder an den Briten Tim Duckworth verlor, der 5,10 Meter überflog. Aber: Abele lag weiter auf Medaillenk­urs. Bundestrai­ner Hallmann, gleichzeit­ig der Heimtraine­r in Ulm, wollte sich jetzt nicht mehr auf eine Prognose einlassen. Zu unberechen­bar ist der Zehnkampf. Vor allem gegen Ende, wenn die Kräfte schwinden. Dazu kamen auch gestern wieder Temperatur­en, die den Athleten alles abverlangt­en. Pünktlich zum Beginn des gestrigen Abendabsch­nitts ging ein heftiger Regenschau­er über dem Olympiasta­dion nieder.

Wenige Minuten später war der Himmel wieder klar und Abele warf den Speer gleich im ersten Versuch auf 68,10 Meter. Führung zurückerob­ert. Ab jetzt war klar: Passiert nichts absolut Außergewöh­nliches mehr, hat der Ulmer eine Medaille sicher. Nur noch über deren Farbe herrschte Unklarheit. Es wurde Gold.

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Foto: afp Der Ulmer Arthur Abele mit einer Krone, die in der Leichtathl­etik nur Zehnkämpfe­rn gebührt.

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