Der Goldjunge aus Jena
Thomas Röhler wird in Berlin vor 40000 begeisterten Zuschauern Europameister und landet im Wassergraben. Andreas Hofmann holt Silber
Berlin Klatschnass stand Thomas Röhler im Blitzlichtgewitter der Fotografen und schrie seine Freude heraus. Der neue Speerwurf-Europameister war im Überschwang der Gefühle in den Wassergraben der Hindernisläufer gesprungen. Er feierte damit das zweite Gold für den Deutschen Leichtathletikverband bei der Heim-EM in Berlin. Etwas bedächtiger jubelte Röhlers Teamkollege Andreas Hofmann, Wasser hatte er nur in den Augen. Platz zwei und Silber bedeuteten seine erste Medaille bei einem internationalen Großereignis.
Die Bild-Zeitung hatte im Vorfeld noch einmal dezent daran erinnert, was von den deutschen Speerwerfern erwartet wurde: nichts weniger als ein Medaillenregen. In keiner anderen Disziplin haben die deutschen Leichtathleten derart viel Prominenz am Start. Olympiasieger Röhler, Weltmeister Johannes Vetter und der deutsche Meister Hofmann. Die drei beherrschen den Speerwurf der Gegenwart mit beeindruckender Dominanz. Alle drei haben in dieser Saison schon über 90 Meter weit geworfen.
Gestern wackelte Röhler, der in Jena geboren ist, allerdings in der Qualifikation bedenklich und beförderte den Speer erst im letzten Versuch auf eine Weite von 85,4 Metern – und damit über die geforderten 82 Meter, die zur Teilnahme am Finale berechtigten. Am stabilsten war in dieser Saison mit dem deutschen Meister bis gestern ausgerechnet derjenige gewesen, der den am wenigsten prominenten Titel trägt. Gestern machte er früh klar, dass er diesem mit aller Gewalt seiner 109 Kilo einen ersten internationalen hinzufügen wollte. Hofmann dominierte zu Beginn. Ein böiger Wind fegte durch das Olympiastadion und schuf schwierige Bedingungen. In der Berliner Innenstadt hatten sie wegen einer Gewitterwarnung sogar die Siegerehrungen auf dem Breitscheidplatz abgesagt und auf die kommenden Tage verteilt.
Röhler aber ließ sich weder vom widrigen Wetter noch von seinem stark auftrumpfenden Kollegen beirren. Beim ersten Wurf hatte er hauchdünn die Linie überschritten – rote Fahne, ungültig. Den zweiten machte er besser und übernahm die Führung von Hofmann.
Jetzt sahen die Fans das, was sie sehen wollten: ein deutsches Duell um Gold. Nur Vetter hinkte den hohen Erwartungen hinterher.
Das Kraftpaket fand keinen Weg, seine Energie auf sein Arbeitsgerät zu übertragen, und wurde Fünfter. Mit seiner Weite aus der Qualifikation hätte er eine Medaille sicher gehabt.
So aber sorgte der vergleichsweise schlank gebaute Edeltechniker Röhler für das Highlight. Derjenige aus dem deutschen Trio also, der in der Qualifikation beinahe gescheitert wäre. Sein dritter Versuch kratzte an der 90-Meter-Marke. Es war der Wurf zu Gold.
Ein starker Auftritt des Olympiasiegers von Rio, der sich nicht mehr von der Spitze des Tableaus vertreiben ließ und zum ersten deutschen Europameister seit Klaus Tafelmeier im Jahre 1986 krönte.