Ja zum Dienstjahr
Ist es wirklich so schlimm, wenn sich junge Menschen zwölf Monate lang für die Gesellschaft engagieren? In der Debatte über das sogenannte Dienstjahr, das die CDUGeneralsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer mitten hinein ins Sommerloch geworfen hat, brechen wieder ideologische Gräben auf. Dabei muss doch wirklich die Frage erlaubt sein, ob junge Menschen in einer Zeit der größtmöglichen Selbstverwirklichung – was hier nicht kritisiert werden soll – auch etwas für die Gesellschaft tun können. Dazu ein paar persönliche Erinnerungen.
Ich gehöre noch der Generation an, in der man 16 Monate Zivildienst ableisten musste, wenn man den Wehrdienst verweigerte. 1980 begann ich meine Arbeit als Hilfspfleger in dem Kreiskrankenhaus, in dem ich geboren wurde. Als einziger „Krankenbruder“unter lauter Schwestern war es erst mal nicht leicht, mit dieser einerseits körperlichen, andererseits auch emotional fordernden Tätigkeit zurechtzukommen. Es gehörte schon eine gewisse Überwindung dazu, wildfremde Menschen zu waschen, in all ihrer Verletzlichkeit zu erleben, sie zu betreuen, Scham zu überwinden, mit ihnen über ihre Sorgen und Ängste zu reden. Damals war so ein kleines Kreiskrankenhaus noch eine Mischung aus Klinik und Altenpflegeheim, vor allen in Ferienzeiten.
Ich habe in diesen 16 Monaten unglaublich viel über andere Menschen gelernt, aber auch Seiten an mir entdeckt, die ich nicht kannte. Es war sozusagen eine lange Reifezeit nach der Reifeprüfung. So etwas gibt der Persönlichkeit eine ganz neue Richtung. Deshalb möchte ich nichts aus dieser Zeit missen und glaube: Ein solches Dienstjahr nützt in zweifacher Weise: einerseits dem oder der Dienstleistenden, weil es die Persönlichkeit formt, den eigenen Horizont weitet und den Blick auch auf die Bedürfnisse anderer lenkt. So schön es ist, im Rahmen von „Work and Travel“in die Welt hinauszufahren, es bleibt ein Urlaub mit ein paar Wochen Arbeit. Sich ein Jahr lang auf etwas einzulassen, das ist eine ganz andere Hausnummer.
Und natürlich nützt es der Gesellschaft. Die zerfällt immer mehr in Gruppen und Grüppchen. Wo ist der Kitt, der sie zusammenhält?
Für nicht wenige ist das nur noch die Fußballnationalmannschaft, obwohl die auch gerade schwächelt. Wer sich auch mal intensiv um andere kümmert, tut der Gesellschaft etwas Gutes.