Neu-Ulmer Zeitung

Ja zum Dienstjahr

- VON RONALD HINZPETER redaktion@nuz.de

Ist es wirklich so schlimm, wenn sich junge Menschen zwölf Monate lang für die Gesellscha­ft engagieren? In der Debatte über das sogenannte Dienstjahr, das die CDUGeneral­sekretärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r mitten hinein ins Sommerloch geworfen hat, brechen wieder ideologisc­he Gräben auf. Dabei muss doch wirklich die Frage erlaubt sein, ob junge Menschen in einer Zeit der größtmögli­chen Selbstverw­irklichung – was hier nicht kritisiert werden soll – auch etwas für die Gesellscha­ft tun können. Dazu ein paar persönlich­e Erinnerung­en.

Ich gehöre noch der Generation an, in der man 16 Monate Zivildiens­t ableisten musste, wenn man den Wehrdienst verweigert­e. 1980 begann ich meine Arbeit als Hilfspfleg­er in dem Kreiskrank­enhaus, in dem ich geboren wurde. Als einziger „Krankenbru­der“unter lauter Schwestern war es erst mal nicht leicht, mit dieser einerseits körperlich­en, anderersei­ts auch emotional fordernden Tätigkeit zurechtzuk­ommen. Es gehörte schon eine gewisse Überwindun­g dazu, wildfremde Menschen zu waschen, in all ihrer Verletzlic­hkeit zu erleben, sie zu betreuen, Scham zu überwinden, mit ihnen über ihre Sorgen und Ängste zu reden. Damals war so ein kleines Kreiskrank­enhaus noch eine Mischung aus Klinik und Altenpfleg­eheim, vor allen in Ferienzeit­en.

Ich habe in diesen 16 Monaten unglaublic­h viel über andere Menschen gelernt, aber auch Seiten an mir entdeckt, die ich nicht kannte. Es war sozusagen eine lange Reifezeit nach der Reifeprüfu­ng. So etwas gibt der Persönlich­keit eine ganz neue Richtung. Deshalb möchte ich nichts aus dieser Zeit missen und glaube: Ein solches Dienstjahr nützt in zweifacher Weise: einerseits dem oder der Dienstleis­tenden, weil es die Persönlich­keit formt, den eigenen Horizont weitet und den Blick auch auf die Bedürfniss­e anderer lenkt. So schön es ist, im Rahmen von „Work and Travel“in die Welt hinauszufa­hren, es bleibt ein Urlaub mit ein paar Wochen Arbeit. Sich ein Jahr lang auf etwas einzulasse­n, das ist eine ganz andere Hausnummer.

Und natürlich nützt es der Gesellscha­ft. Die zerfällt immer mehr in Gruppen und Grüppchen. Wo ist der Kitt, der sie zusammenhä­lt?

Für nicht wenige ist das nur noch die Fußballnat­ionalmanns­chaft, obwohl die auch gerade schwächelt. Wer sich auch mal intensiv um andere kümmert, tut der Gesellscha­ft etwas Gutes.

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