Neu-Ulmer Zeitung

Der Kelly aus dem Klosterkel­ler

Michael Patrick war der Mädchensch­warm der Kelly Family. Seine Geschwiste­r feiern ein umjubeltes Comeback. Der 40-Jährige hat einen anderen Weg eingeschla­gen

- Foto: Ralf Lienert

Michael Patrick Kelly sitzt im dunklen, kalten Keller eines französisc­hen Klosters und zupft auf seinen Gitarrensa­iten herum. Seine einzigen Zuhörer: ein paar Mönche, die vor der Tür lauschen, ohne dass ihr Mitbruder es weiß. Zeitgleich, irgendwo auf der Welt, lassen sich seine Geschwiste­r von zehntausen­den Fans bejubeln.

So war das an vielen Abenden vor ungefähr 15 Jahren, kurz nachdem Mädchensch­warm Paddy bei der Kelly Family ausgestieg­en war und in der Klostergem­einschaft des heiligen Johannes in Burgund den Sinn des Seins suchte, weil er kreischend­e Mädchen und das luxuriöse Leben als Popstar irgendwann nicht mehr als Geschenk, sondern als tonnenschw­ere Last empfand. Sein Leben als Bruder John Paul Mary dauerte von 2004 bis 2010. Jetzt könnte Paddy, zu Michael Patrick gereift und in einem Dorf in Niederbaye­rn sesshaft, wieder mit seiner weltbekann­ten Sippe auf Tour sein. Die Comeback-Shows der Kelly Family sind ein Triumphzug. Gänsehaut aus Nostalgie, Fans Ü30, textsicher wie in den ruhmreiche­n 90ern.

Diese Woche stehen die letzten beiden OpenAir-Konzerte der Kelly Family an. Sechs der ursprüngli­ch neun Mitglieder lassen sich dabei feiern, doch Michael Patrick steht wieder nicht mit auf der Bühne. Er hat die alten Zöpfe abgeschnit­ten, reist lieber mit Musikern durch Deutschlan­d, mit denen er nicht verwandt ist. Was nicht heißen soll, dass die liebe Familie den 40-Jährigen nervt: „Ich liebe meine Geschwiste­r, ich wünsche ihnen nur Gutes“, sagte er kürzlich unserer Zeitung. Aber sein eigenes Album, die Tour, dazu Fernsehauf­tritte in der Musikshow „Sing meinen Song“oder ab Herbst als Talentsuch­er in „The Voice of Germany“: „Das wäre eine Baustelle zu viel gewesen.“

Im Kloster hat Kelly nach eigenen Angaben nicht nur die Mülltrennu­ng eingeführt, sondern auch seinen Weg und seine spirituell­e Mitte gefunden. Heute füllt er solo die Konzertsäl­e, selbst wenn es etwa in München die kleine Olympiahal­le ist statt der großen wie bei seinen Geschwiste­rn. Im November kommt Kelly, der im Alter von zehn Tagen erstmals auf eine Bühne geschleppt wurde, in die Augsburger Schwabenha­lle. Der Titelsong seines dritten Solo-Albums „iD“läuft in den Radiostati­onen heiß, genauso die Ballade „Roundabout­s“. Verehrerin­nen von früher dürften laut aufdrehen. Ob manche noch das Haar haben, eingeklebt in einem alten Kelly-Sammelalbu­m? „Sie wollten tatsächlic­h ein einzelnes Haar von mir“, erinnert sich der Sänger an seine Zeit als Mädchensch­warm, immer noch fassungslo­s.

Den Kelly-typischen, sympathisc­hen Weltverbes­serungseif­er zeigen seine Songs immer noch – genauso wie den tiefen Glauben, den er mit seiner Frau teilt, der belgischen Religionsp­hilosophin Joelle Verreet. Kelly kennt sie, seit er 13 ist. Dass er sie mehr als 25 Jahre später heiraten durfte, sieht er als Geschenk, „das eindeutig von oben kommt“. Sarah Ritschel

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