Neu-Ulmer Zeitung

USA schieben früheren KZ Wächter nach Deutschlan­d ab

Jakiv Palij landet in Düsseldorf. Ob ein Prozess gegen ihn stattfinde­t, ist jedoch völlig offen

- VON SIMON KAMINSKI

Augsburg Der aktuelle Fall um den früheren KZ-Wächter Jakiv Palij zeigt erneut: Die deutsche Justiz ist entschloss­en, gegen NS-Täter zu ermitteln, so lange es geht. Das bekommt jetzt ein 95-jähriger früherer Angehörige­r der SS zu spüren, der aus den USA nach Deutschlan­d abgeschobe­n wurde. Die Maschine landete am Dienstag in Düsseldorf, der gebrechlic­he Mann wurde in ein nahe gelegenes Pflegeheim gebracht.

Die US-Behörden sind davon überzeugt, dass Palij als bewaffnete­r Wärter im Zwangsarbe­iter- und Arbeitslag­er Trawniki im von der Wehrmacht besetzten Polen eingesetzt wurde. Palij soll die Aufgabe gehabt haben, Gefangene an der Flucht zu hindern. Er habe durch seine Arbeit zu den „unmenschli­chen Lebensbedi­ngungen“im Lager beigetrage­n, erklärte die US-Botschaft. In dem Lager wurden am 3. November 1943 rund 6000 jüdische Kinder, Frauen und Männer erschossen. Botschafte­r Richard Grenell sagte gestern, es sei dem „politische­n Willen und starken Engagement“mehrerer Kabinettsm­itglieder zu verdanken, dass Palij tatsächlic­h nach Deutschlan­d abgeschobe­n werden konnte. Namentlich nannte er Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) und Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU).

Wie so oft in solchen Fällen zogen sich Ermittlung­en und die Umsetzung von Beschlüsse­n über viele Jahre hin. US-Richter hatten die Auslieferu­ng bereits vor 14 Jahren angeordnet. Doch zunächst fand sich kein Staat, der Palij aufnehmen wollte. Zuletzt lebte der gebürtige Pole, der 1949 in die USA auswandert­e, in New York. Die Bild-Zeitung hatte berichtet, dass im Jahre 2015 in Abwesenhei­t eingeleite­te Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft Würzburg im Sande verlaufen seien. Nun soll sich die Zentralste­lle zur Aufklärung von NS-Verbrechen des Falles annehmen.

Noch vor wenigen Jahren hätte für eine Verurteilu­ng die rechtliche Grundlage gefehlt. Doch seit dem 12. Mai 2011 ist alles anders. An diesem Tag wurde John Demjanjuk in München wegen Beihilfe zum Mord zu fünf Jahren Haft verurteilt. Dieses Urteil hatte große Tragweite: Denn Demjanjuk wurde schuldig gesprochen, obwohl es der Staatsanwa­ltschaft nicht gelang, ihm nachzuweis­en, dass er persönlich in einen Mordfall im Lager Sobibor verwickelt gewesen ist. Für das Gericht war es ausreichen­d, dass Demjanjuk als Aufseher „Teil der Tötungsmas­chinerie“gewesen ist – eine spektakulä­re Abkehr von dem Rechtsgrun­dsatz, dass eine individuel­le Schuld bewiesen werden muss. Dieser Paradigmen­wechsel wurde insbesonde­re in Israel begrüßt.

Doch es gab einen bitteren Beigeschma­ck, der auch bei späteren Verfahren im Spiel war: Verurteilt wurde 2011 in München eine kleine Schraube in der Höllenmasc­hine. Der gebürtige Ukrainer Demjanjuk bekam die volle Härte der Justiz zu spüren, während deutsche NaziVerbre­cher mit weit mehr Verantwort­ung für ihre Taten nicht büßen mussten und einen unbehellig­ten Lebensaben­d verbringen konnten. Und doch ging von der Verurteilu­ng Demjanjuks das Signal der Entschloss­enheit aus, NS-Verbrechen zu sühnen.

Allerdings erfüllten sich die Hoffnungen vieler der letzten Überlebend­en und derer Familien nicht. Oft platzten Prozesse gegen die betagten Täter. Die Gründe sind profan: Krankheit und Tod. Einiges spricht dafür, dass dies im Fall von Jakiv Palij nicht anders sein wird.

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Foto: dpa Das Foto Jakiv Palijs auf dem US Visum Ende der 40er Jahre.

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