Jetzt heißt es Ärmel hochkrempeln
In der Region sind gestern mehr junge Menschen in die Ausbildung gestartet als im vergangenen Jahr. Welche Branche profitiert hat – und in welcher noch Fachkräfte gesucht werden
Landkreis Neue Kollegen, neue Umgebung, neue Abläufe: Am ersten Tag prasseln die Eindrücke nur so auf die Auszubildenden ein. Für den 16-jährigen Dennis Schlegel aus Neu-Ulm war der Start dagegen schon etwas familiärer – er hat bei seinem Ausbildungsbetrieb, der Metzgerei Schmid in Pfuhl, bereits fünf Praktika absolviert. Etwas Besonderes war der erste richtige Arbeitstag aber schon – zumindest vom Gefühl her. „Jetzt weiß man, dass es richtig losgeht und man diese Arbeit in den nächsten Jahren machen wird“, erzählt der 16-Jährige, der sich zum Fleischer ausbilden lässt. Er ist einer von 202 jungen Menschen im Landkreis Neu-Ulm, die gestern in ihre handwerkliche Ausbildung gestartet sind. 718 andere haben eine Ausbildung in den Bereichen Industrie, Dienstleistung und Handel begonnen.
Generell ist bei den Handwerksberufen ein neuer, positiver Trend zu erkennen, wie die Pressesprecherin der Handwerkskammer Schwaben, Monika Treutler-Walle, auf Nachfrage unserer Redaktion sagt. So sind im Landkreis Neu-Ulm gestern 202 Menschen in eine handwerkliche Ausbildung gestartet. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr waren es 175. Treutler-Walle kommentiert die Zahlen so: „Das ist eine ordentliche Steigerung.“Zugleich warnt sie aber davor, die Zahlen all zu positiv zu sehen. Denn mit einem plötzlichen Interesse habe diese Zahl wenig zu tun. Manche Betriebe bildeten zyklisch aus. Das heißt: Sie beschäftigen nur einen Auszubildenden, bis er die Lehre beendet hat. Erst dann stellen sie einen neuen ein, wieder für drei Jahre, wieder als einzigen. „Das kann auch in diesem Jahr so sein, dass viele fertig geworden sind und Plätze frei wurden.“
Trotz der guten Zahlen gibt es im Landkreis Neu-Ulm 59 Ausbildungsplätze, die noch unbesetzt sind. Vor allem im Nahrungsmittelhandwerk, beispielsweise bei Bäckern und Metzgern, seien Stellen unbesetzt geblieben. „Man spürt den demografischen Wandel. Wir haben weniger Schulabgänger als früher und die werden dafür von allen Wirtschaftsbereichen umworben“, sagt Treutler-Walle. Angehende Azubis könnten sich derzeit aussuchen, in welchem Betrieb sie ihre Ausbildung absolvieren wollen. Außerdem, sagt sie, gehe der Trend wieder mehr in Richtung Ausbildung. „Studieren ist nicht mehr so beliebt. Viele Jugendliche finden, dass sie auch mit einer Ausbildung gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben.“
Bei den Ausbildungsberufen im Bereich Industrie, Dienstleistung und Handel gab es in diesem Jahr einen deutlichen Zuwachs im Kreis Neu-Ulm: 718 junge Menschen begannen laut Informationen der Industrieund Handelskammer (IHK) Schwaben gestern ihre Lehre – das sind 63 mehr als vor einem Jahr. Besonders groß war die Steigerung mit einem Plus von 12,7 Prozent bei den kaufmännischen Berufen – und da vor allem im Einzelhandel. Begannen im vergangenen Jahr 135 junge Menschen in dieser Branche eine Ausbildung, waren es in diesem Jahr 157, wie Josefine Steiger, Leiterin der Fachabteilung Ausbildung sagt. „Das ist unser stärkster Zuwachs im kaufmännischen Bereich.“
Steiger ist der Ansicht, dass der Handel ein „sehr intensives Ausbil- dungsmarketing“betrieben hat – obwohl der Bereich Handel auch der ist, der noch die meisten unbesetzten Stellen zu verzeichnen hat. Dahinter kommt die Logistikbranche, so die Expertin. Wer noch auf der Suche ist, hat laut Steiger derzeit gute Chancen noch eine Ausbildung zu finden – sei es über das Bewerbungsmanagement der IHK, die Lehrstellenbörse im Internet oder anhand der Facebook-Beiträge der IHK. Steiger betont: „Nur weil jetzt der offizielle Ausbildungsstart war, heißt das nicht, dass man in den nächsten Tagen nicht noch loslegen kann.“
In der Stadt Ulm begannen gestern 801 junge Menschen eine Ausbildung im Bereich Industrie, Dienstleistung und Handel. Im handwerklichen Bereich waren bis Ende August 274 neue Lehrlingsverträge geschlossen worden.
Für Dennis Schlegel war übrigens schnell klar, dass er Fleischer werden will: „Viele in meiner Familie arbeiten in dem Bereich“, erzählt er. Zudem habe es ihm schon immer Spaß gemacht, Fleisch fürs Grillen zu marinieren oder bei anderen solchen Arbeiten zu Hause mitzuhelfen. Die Praktika bestätigten seinen Berufswunsch noch. Sein Ausbilder Steffen Mittnach fügt hinzu: „Er hat vom ersten Praktikumstag an gesagt, dass er sich auch eine Ausbildung vorstellen könnte.“
Derzeit sei es allgemein recht schwierig Azubis zu bekommen, so Mittnacht. Er vermutet, dass es immer noch „alte, eingefahrene Vorurteile“gegen so manchen Beruf gibt. „Aber das Berufsbild ändert sich stetig“, betont er. Als Metzgerei müsse man sich immer etwas Neues einfallen lassen, beispielsweise beim Partyservice. Schlegel ist seit vier Jahren der Erste, der bei der Metzgerei Schmid eine Ausbildung beginnt – im Verkauf ist die Lehrlingsstelle schon längere Zeit nicht besetzt. Auch dieses Jahr hat die Metzgerei hier niemanden finden können. Bewerben könne man sich aber noch, sagt Mittnacht, der einen Azubi im Verkauf „mit Handkuss“nehmen würde.