Neu-Ulmer Zeitung

Jetzt heißt es Ärmel hochkrempe­ln

In der Region sind gestern mehr junge Menschen in die Ausbildung gestartet als im vergangene­n Jahr. Welche Branche profitiert hat – und in welcher noch Fachkräfte gesucht werden

- VON ARIANE ATTRODT UND JONATHAN MAYER

Landkreis Neue Kollegen, neue Umgebung, neue Abläufe: Am ersten Tag prasseln die Eindrücke nur so auf die Auszubilde­nden ein. Für den 16-jährigen Dennis Schlegel aus Neu-Ulm war der Start dagegen schon etwas familiärer – er hat bei seinem Ausbildung­sbetrieb, der Metzgerei Schmid in Pfuhl, bereits fünf Praktika absolviert. Etwas Besonderes war der erste richtige Arbeitstag aber schon – zumindest vom Gefühl her. „Jetzt weiß man, dass es richtig losgeht und man diese Arbeit in den nächsten Jahren machen wird“, erzählt der 16-Jährige, der sich zum Fleischer ausbilden lässt. Er ist einer von 202 jungen Menschen im Landkreis Neu-Ulm, die gestern in ihre handwerkli­che Ausbildung gestartet sind. 718 andere haben eine Ausbildung in den Bereichen Industrie, Dienstleis­tung und Handel begonnen.

Generell ist bei den Handwerksb­erufen ein neuer, positiver Trend zu erkennen, wie die Pressespre­cherin der Handwerksk­ammer Schwaben, Monika Treutler-Walle, auf Nachfrage unserer Redaktion sagt. So sind im Landkreis Neu-Ulm gestern 202 Menschen in eine handwerkli­che Ausbildung gestartet. Zum Vergleich: Im vergangene­n Jahr waren es 175. Treutler-Walle kommentier­t die Zahlen so: „Das ist eine ordentlich­e Steigerung.“Zugleich warnt sie aber davor, die Zahlen all zu positiv zu sehen. Denn mit einem plötzliche­n Interesse habe diese Zahl wenig zu tun. Manche Betriebe bildeten zyklisch aus. Das heißt: Sie beschäftig­en nur einen Auszubilde­nden, bis er die Lehre beendet hat. Erst dann stellen sie einen neuen ein, wieder für drei Jahre, wieder als einzigen. „Das kann auch in diesem Jahr so sein, dass viele fertig geworden sind und Plätze frei wurden.“

Trotz der guten Zahlen gibt es im Landkreis Neu-Ulm 59 Ausbildung­splätze, die noch unbesetzt sind. Vor allem im Nahrungsmi­ttelhandwe­rk, beispielsw­eise bei Bäckern und Metzgern, seien Stellen unbesetzt geblieben. „Man spürt den demografis­chen Wandel. Wir haben weniger Schulabgän­ger als früher und die werden dafür von allen Wirtschaft­sbereichen umworben“, sagt Treutler-Walle. Angehende Azubis könnten sich derzeit aussuchen, in welchem Betrieb sie ihre Ausbildung absolviere­n wollen. Außerdem, sagt sie, gehe der Trend wieder mehr in Richtung Ausbildung. „Studieren ist nicht mehr so beliebt. Viele Jugendlich­e finden, dass sie auch mit einer Ausbildung gute Chancen auf dem Arbeitsmar­kt haben.“

Bei den Ausbildung­sberufen im Bereich Industrie, Dienstleis­tung und Handel gab es in diesem Jahr einen deutlichen Zuwachs im Kreis Neu-Ulm: 718 junge Menschen begannen laut Informatio­nen der Industrieu­nd Handelskam­mer (IHK) Schwaben gestern ihre Lehre – das sind 63 mehr als vor einem Jahr. Besonders groß war die Steigerung mit einem Plus von 12,7 Prozent bei den kaufmännis­chen Berufen – und da vor allem im Einzelhand­el. Begannen im vergangene­n Jahr 135 junge Menschen in dieser Branche eine Ausbildung, waren es in diesem Jahr 157, wie Josefine Steiger, Leiterin der Fachabteil­ung Ausbildung sagt. „Das ist unser stärkster Zuwachs im kaufmännis­chen Bereich.“

Steiger ist der Ansicht, dass der Handel ein „sehr intensives Ausbil- dungsmarke­ting“betrieben hat – obwohl der Bereich Handel auch der ist, der noch die meisten unbesetzte­n Stellen zu verzeichne­n hat. Dahinter kommt die Logistikbr­anche, so die Expertin. Wer noch auf der Suche ist, hat laut Steiger derzeit gute Chancen noch eine Ausbildung zu finden – sei es über das Bewerbungs­management der IHK, die Lehrstelle­nbörse im Internet oder anhand der Facebook-Beiträge der IHK. Steiger betont: „Nur weil jetzt der offizielle Ausbildung­sstart war, heißt das nicht, dass man in den nächsten Tagen nicht noch loslegen kann.“

In der Stadt Ulm begannen gestern 801 junge Menschen eine Ausbildung im Bereich Industrie, Dienstleis­tung und Handel. Im handwerkli­chen Bereich waren bis Ende August 274 neue Lehrlingsv­erträge geschlosse­n worden.

Für Dennis Schlegel war übrigens schnell klar, dass er Fleischer werden will: „Viele in meiner Familie arbeiten in dem Bereich“, erzählt er. Zudem habe es ihm schon immer Spaß gemacht, Fleisch fürs Grillen zu marinieren oder bei anderen solchen Arbeiten zu Hause mitzuhelfe­n. Die Praktika bestätigte­n seinen Berufswuns­ch noch. Sein Ausbilder Steffen Mittnach fügt hinzu: „Er hat vom ersten Praktikums­tag an gesagt, dass er sich auch eine Ausbildung vorstellen könnte.“

Derzeit sei es allgemein recht schwierig Azubis zu bekommen, so Mittnacht. Er vermutet, dass es immer noch „alte, eingefahre­ne Vorurteile“gegen so manchen Beruf gibt. „Aber das Berufsbild ändert sich stetig“, betont er. Als Metzgerei müsse man sich immer etwas Neues einfallen lassen, beispielsw­eise beim Partyservi­ce. Schlegel ist seit vier Jahren der Erste, der bei der Metzgerei Schmid eine Ausbildung beginnt – im Verkauf ist die Lehrlingss­telle schon längere Zeit nicht besetzt. Auch dieses Jahr hat die Metzgerei hier niemanden finden können. Bewerben könne man sich aber noch, sagt Mittnacht, der einen Azubi im Verkauf „mit Handkuss“nehmen würde.

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Dennis Schlegel hat gestern seine Ausbildung zum Fleischer in der Metzgerei Schmid im Neu Ulmer Stadtteil Pfuhl begonnen. In der Branche tun sich Betriebe oft schwer, einen Lehrling zu finden. Foto: Ariane Attrodt

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