Neu-Ulmer Zeitung

Mit Kameras gegen Müllsünder

Kartons neben dem Papiercont­ainer, Möbel vor dem Altglasbeh­älter – Videoaufna­hmen sollen in der Region Täter überführen und andere abschrecke­n. Doch es gibt Zweifel und Probleme

- VON SEBASTIAN MAYR

Landkreis/Ulm Es war so etwas wie eine Mischung aus Drohung und Hilferuf: Vor rund drei Monaten hat die Stadt Weißenhorn angekündig­t, Müllcontai­ner von Kameras überwachen zu lassen. Dort wird regelmäßig Unrat neben den RecyclingC­ontainern abgestellt. Die Standplätz­e müssen deshalb nach Angaben der Verwaltung zweimal wöchentlic­h gereinigt werden, was jährlich zwischen 25000 und 30000 Euro kostet. Doch noch hängen keine Kameras bei den Containern. Andreas Palige, der bei der Stadt für das Thema Abfall zuständig ist, räumt ein: „So einfach ist das nicht. Die rechtliche Prüfung steht noch aus.“Eine Erfahrung haben die Weißenhorn­er aber gemacht: Die Drohung hat gewirkt, zumindest ein bisschen. Das Problem der wilden Müllablage­rungen besteht noch immer. Doch nachdem die Stadt die Videoüberw­achung ankündigte, gab es zunächst weniger große Verschmutz­ungen.

Andere setzen schon seit längerer Zeit auf Kameras. Der Abfallwirt­schaftsbet­rieb des Landkreise­s NeuUlm (AWB) schickt bereits seit einigen Jahren ein Videofahrz­eug zu den Containers­tandorten. „Das bringt etwas“, berichtet Abfallbera­ter Wolfgang Metzinger: „2017 haben wir 125 Burschen geschnappt.“Doch das Videofahrz­eug kann nicht überall stehen. Mal wird der eine Platz überwacht, mal ein anderer. Schilder weisen auf die Überwachun­g hin, so ist es vorgeschri­eben. „Rechtlich sind wir auf der sicheren Seite“, betont Metzinger. Der AWB hat diese Kontrollen prüfen lassen.

Das Problem wilder Müllablage­rungen sei trotz der Erfolge durch die Überwachun­g in den vergangene­n zwei Jahren größer geworden. „Die Leute werden immer dreister“, sagt Metzinger. Müll liegt neben Containern, im Wald oder auf den Straßen. Woran das liegt? Darüber lässt sich nur spekuliere­n. AWB-Werkleiter Moritz vermutet, einen Grund zu kennen: Bequemlich­keit. Das zeige das Beispiel der Stadt Senden. Betroffen sind dort neben schwer einsehbare­n Standorten solche in der Innenstadt, zu denen die Bürger zu Fuß gehen können. Wer seinen Müll dorthin gebracht hat, will ihn nicht mehr zurückschl­eppen, wenn ein Container voll ist. Und die Plätze sind eine bequeme Alternativ­e für jeden, der vergessen hat, seinen Gelben Sack rechtzeiti­g vor die Tür zu stellen.

Vielen, sagt Moritz, sei bewusst, dass sie im Unrecht sind. Er hat Männer und Frauen angesproch­en, die ihre Müllsäcke verbotener­weise zu den Containerp­lätzen bringen. „Manche sagen: Ich weiß, aber ich habe halt den Abholtermi­n für den Gelben Sack vergessen.“Andere, sagt Moritz, hätten überhaupt kein Verständni­s. Sätze wie, „da wird doch eh aufgeräumt“, hört er immer wieder. Der AWB lädt jeden, der ein Bußgeld aufgebrumm­t bekommt, ins Büro ein – zu einer Aussprache, warum die Strafe fällig geworden ist. Manche, berichtet der Werkleiter, sehen ihren Fehler anschließe­nd ein.

Die Überwachun­g ist teuer. Rund 10000 Euro, schätzt Thomas Moritz, gibt der AWB im Jahr für die Videokontr­ollen aus – deutlich mehr als die Bußgelder einbringen. Die liegen zwischen 20 und 2000 Euro pro Vorfall – meistens werden nicht mehr als 70 Euro fällig. Abfallbera­ter Wolfgang Metzinger findet das unproblema­tisch: „Wir machen das ja nicht, um Geld zu verdienen.“

Die Ulmer Entsorgung­sbetriebe Ebu lassen derzeit prüfen, ob Kameras an Containern installier­t werden sollten – und ob das überhaupt erlaubt ist. „Es gibt den einen oder anderen Standort mit größeren Problemen“, sagt Lutz Schönbrodt, Abteilungs­leiter Abfallwirt­schaft bei Ebu. Über einen dieser Standorte schimpft Stadträtin Helga Malischews­ki in einem Antrag an Oberbürger­meister Gunter Czisch. „Ein besonderer Platz, von dem ich wöchentlic­h Beschwerde­n bekomme, ist der Glascontai­nerplatz direkt am Wiblinger Friedhof“, schreibt sie. Dort würden Lebensmitt­el, Möbel und vieles andere entsorgt. Dabei können Ulmer sechs Mal im Jahr Sperrmüll gratis abholen lassen. Malischews­ki fordert, eine Kamera mit Solarzelle zu installier­en.

„Unser Stand war bisher, dass eine Kamera nur zulässig ist, wenn viele Straftaten an einem Ort passieren“, sagt Schönbrodt. Bisher sei man zum Ergebnis gekommen, dass Kameras an Containers­tandorten nicht erlaubt sind. Er hat weitere Zweifel: Man müsse Aufwand und Nutzen aufrechnen und müsse überlegen, ob eine Videoüberw­achung verhältnis­mäßig ist.

Die zusätzlich­en Kosten durch die wilden Müllablage­rungen lassen sich schwer abschätzen. Ebu und AWB erfassen nicht, wie viel Zeit die Mitarbeite­r fürs Leeren der Mülleimer benötigen und wie viel fürs Abholen des wild abgelagert­en Abfalls. Im Kreis Neu-Ulm gilt zudem, dass sich die meisten Städte und Gemeinden selbst um ihre Standorte kümmern – der AWB ist nur für Senden und Nersingen zuständig. „In Illertisse­n und NeuUlm kostet das mit Sicherheit mehr als in Oberroth“, sagt AWB-Werkleiter Moritz. Problemati­sche Standorte abzuschaff­en hält er für kontraprod­uktiv: „Wenn ich die Container am Sendener Bahnhof abbaue, werde ich dort trotzdem Müll haben“, sagt er. »Diese Woche

 ?? Symbolfoto: Bernhard Weizenegge­r ?? Die Ulmer Entsorgung­sbetriebe lassen derzeit prüfen, ob Kameras, die Müllsünder abschrecke­n und überführen sollen, rechtlich möglich sind. Der Abfallwirt­schaftsbet­rieb des Landkreise­s Neu Ulm setzt schon seit Jahren auf Videoüberw­achung.
Symbolfoto: Bernhard Weizenegge­r Die Ulmer Entsorgung­sbetriebe lassen derzeit prüfen, ob Kameras, die Müllsünder abschrecke­n und überführen sollen, rechtlich möglich sind. Der Abfallwirt­schaftsbet­rieb des Landkreise­s Neu Ulm setzt schon seit Jahren auf Videoüberw­achung.
 ?? Archivfoto: K. W. Simmending­er ?? Sperrmüll und Kartonagen vor dem Papiercont­ainer: Solche Entdeckung­en machen Mitarbeite­r der Stadt Weihenhorn immer wieder.
Archivfoto: K. W. Simmending­er Sperrmüll und Kartonagen vor dem Papiercont­ainer: Solche Entdeckung­en machen Mitarbeite­r der Stadt Weihenhorn immer wieder.

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