Aus dem Zug aufs Fahrrad
Zum Aktionstag „Ohne Auto – mobil“lassen zahlreiche Menschen ihren Wagen stehen. Sie erkunden die Natur am Wullenstetter See oder besichtigen das Roggenburger Kloster
Weißenhorn/Wullenstetten Seine Leidenschaft für die Bahn kann Bernhard Jüstel nicht verbergen. War der Weißenhorner Stadtrat doch die treibende Kraft hinter der Wiederertüchtigung der Bahnverbindung in die Fuggerstadt. So wundert es nicht, dass Jüstel am Aktionstag unter dem Motto „Ohne Auto – mobil“am Weißenhorner Bahnhof steht, um die ankommenden Fahrgäste mit Informationen zu versorgen. Weil Passagiere am Aktionstag kostenlos mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren können, ist am Bahnsteig spürbar mehr los.
Seit fast fünf Jahren ist der „Weißenhorner“wieder täglich im Stundentakt unterwegs. Dass die Personenbeförderung auf dieser Strecke überhaupt wieder aufgenommen wird, hätte vor einigen Jahren kaum jemand geglaubt, erzählt Jüstel. Doch als damals zum Aktionstag das „Bähnle“von Ulm nach Weißenhorn fuhr, war der Erfolg so durchschlagend, dass selbst die überzeugtesten Kritiker mit sich reden ließen. Rund 1000 Fahrgäste seien täglich nötig gewesen, damit sich der Betrieb gerechnet hätte, sagt Jüstel – und trumpft gleich mit den aktuellen Zahlen auf: „Derzeit haben wir im Schnitt doppelt so viele.“
Insgesamt 140 Jahre ist die Bahnverbindung schon alt. Mit einem Transparent haben Jüstel und seine Mitstreiter am Bahnhof auf das lange Bestehen hingewiesen. Doch fällt das Plakat am Aktionstag kaum auf. Die Fahrgäste stürzen vor allem an den Informationsstand, wo Fahrpläne und Veranstaltungskalender liegen.
Für Klara und Klaus Walter aus Neu-Ulm soll das Kloster in Roggenburg Ausflugsziel sein. Das Paar hat seine Fahrräder im Zug mitgebracht: „Wir wollen das schöne Wetter noch ausnutzen“, erklärt die 62-jährige Neu-Ulmerin. Gatte Klaus fügt mit verschmitztem Grinsen hinzu, dass man als echter Schwabe nicht widerstehen könne, wenn das „Bähnle“kostenlos fährt.
Wer nicht auf eigene Faust die Region erkunden wollte, konnte das bunte Rahmenprogramm dafür nutzen: Wanderungen, Radtouren oder Stadtbesichtigungen waren Bestandteile des mobilen Aktionstags. Unter anderem wurde in Ulm wieder der „Green Parking Day“durchgeführt. In der Innenstadt wurden mehrere Parkplätze zu Aktionsflächen umgewandelt, um zu zeigen, was möglich wäre, wenn we- niger Platz für Autos verbraucht würde.
Weit abseits der Verkehrsstrecken lud Ralf Schreiber vom Landesbund für Vogelschutz zur Exkursion um den Wullenstetter Natursee ein. Rund ein halbes Dutzend Teilnehmer traf sich am Bahnsteig in Wullenstetten. Vor einigen Jahren sei aus dem Baggersee noch Kies abgebaut worden, erzählt Schreiber. Nachdem die schweren Maschinen abgezogen wurden, entwickelte sich die Landschaft zu einem naturnahen Biotop. Dort lassen sich immer häufiger seltene Arten am Ufer und auf der künstlichen Insel nieder. „Hier brütet sogar die bedrohte Flussseeschwalbe, wenn sie in Ruhe gelassen wird“, erklärt Schreiber. Und sagt weiter: „Wir wollen und können niemandem verbieten, sich am See zu erholen – doch für lautstarke Partys im Biotop habe ich kein Verständnis.“Stattdessen zieht der Biologe es vor, die Ruhe am Ufer zu genießen.
Doch das Ende der beschaulichen Führung um den Wullenstetter Natursee liegt letztlich auch am Fahrplan des Aktionstages. Denn nach rund zwei Stunden fährt der Zug für die Teilnehmer am Bahnsteig ein.