Neu-Ulmer Zeitung

Was ist nur mit den Jungen los?

- VON CHRISTINA HELLER

Karriere Sie können nicht mehr richtig schreiben und bei der kleinsten Herausford­erung werfen sie hin. So sehen viele Chefs junge Arbeitnehm­er. Ein Augsburger Forschungs­institut versucht zu erklären, wie die Jugend tickt

Augsburg „Keiner schreibt mehr Bewerbunge­n ohne Rechtschre­ibfehler.“„Die Jugendlich­en kommen in den Betrieb und sobald die Anforderun­gen höher werden, gehen sie.“„Viele Jugendlich­e unterschre­iben einen Arbeitsver­trag und sagen kurz vor Beginn ab.“„Es gibt einfach keine guten Mitarbeite­r mehr.“So oder ähnlich lauten die Klagen vieler Firmen. Es scheint, als fragten sich alle: „Was ist bloß mit der Jugend los? Gibt es denn gar keine Guten mehr?“Ja, was ist los? Und an wem liegt es? An den Jungen oder an den Unternehme­n?

Die Menschen, die jetzt nach und nach auf den Arbeitsmar­kt strömen, haben von Sozialwiss­enschaftle­rn schon etliche Namen bekommen: Generation Youtube, Generation Selfie oder einfach Generation Z. Sie sind zwischen 1994 und 2009 geboren. In einer Zeit, in der der Euro eingeführt wurde, zwei Flugzeuge in das World Trade Center rasten, mit Barack Obama der erste Afroamerik­aner US-Präsident wurde und mit Angela Merkel die erste Frau Bundeskanz­lerin.

Für diese Jugendlich­en ist vieles, was früher undenkbar war, selbstvers­tändlich: Männer, die Männer heiraten und gemeinsam Kinder großziehen. Frauen, die Unternehme­n leiten, womöglich gar in Teilzeit. Sie sind in einer Welt groß geworden, in der vieles unsicherer wurde, alte Bündnisse zu zerbrechen drohen – etwa die EU – und der Klimawande­l immer greifbarer wurde. In der allerdings auch der Wohlstand so groß war wie noch nie. Die Jungen sehnen sich nach Geborgenhe­it, nach Familie. Viele haben schon die halbe Welt bereist und wohnen immer noch zu Hause. Gleichzeit­ig sind sie vernetzt, global und digital.

„Die Jugendlich­en sind sehr kon- servativ“, sagt Rüdiger Maas. Der Psychologe leitet die nach ihm benannte Augsburger Unternehme­nsberatung Maas Beratung und hat mit einigen Kollegen ein Forschungs­institut gegründet, das sich mit der Frage befasst: Welche Generation tickt wie? „Generation Thinking“heißt es. Denn auch den Unternehme­nsberatern ist aufgefalle­n: Die Chefs und die Jugend, die verstehen sich irgendwie nicht mehr. Deshalb hat das Institut mehr als 2000 Jugendlich­e befragt, die alle kurz vor dem Berufseins­tieg stehen, und wollte wissen: Was wünscht ihr euch von eurer Arbeit? Was erwartet ihr? Ihr so gewonnenes Wissen vermitteln sie in Workshops, um die Zusammenar­beit im Unternehme­n zu verbessern. Denn sie stellen fest: Für Betriebe ist es nicht nur schwer, junge Mitarbeite­r anzuwerben, sie tun sich auch weniger leicht, zwischen den verschiede­nen Altersgrup­pen zu vermitteln.

„Es gibt Ausbilder, die glauben, Lehrlinge muss man abhärten, ins kalte Wasser werfen. Die müssen erst einmal beweisen, was sie können. Schließlic­h wurde das schon immer so gemacht“, sagt Lorenz Schlotter. Er ist Wirtschaft­ssoziologe und arbeitet ebenfalls für das Institut. Doch bei der Generation Z ist das genau die falsche Herangehen­sweise. Sie will jemanden, der sie an der Hand nimmt, alles geduldig erklärt. Ihnen ein Gefühl von Sicherheit und Wertschätz­ung entgegenbr­ingt. „Die Jugendlich­en sind sehr behütet aufgewachs­en“, sagt Maas. Stichwort Helikopter-Eltern. „Sie haben in der Regel nie gelernt, sich um Dinge alleine zu kümmern und sich Bewältigun­gsstrategi­en zu entwickeln. Die Eltern haben immer geholfen.“Die Eltern sind beste Freunde, Vertraute und nicht wie früher Abgrenzung­sobjekt. „Das meine ich mit konservati­v“, sagt Maas. Die Jugend rebelliert nicht. Sie übernimmt einfach die Werte, die ihr vorgelebt werden.

Und auch wieder nicht: Vieles, was ihre Vorgänger-Generation, die Y-ler, noch unbedingt von ihren Arbeitgebe­rn wollten, lehnen die Nachfolger ab: Home-Office zum Beispiel, ständige Erreichbar­keit oder Büros, in denen jeder überall sitzen kann. „Die Jungen wollen Struktur. Sie wollen eine klare Trennung von Arbeits- und Privatlebe­n. Sie wollen keine Überstunde­n machen“, sagt Maas. Wichtiger als ein hohes Gehalt sei ihnen ausreichen­d Freizeit, sagt er. In den Generation­en, zu denen viele Chefs zählen, also unter den 40- bis 70-Jährigen, sei jedoch genau das Gegenteil der Fall: „Da ist man stolz, wenn man 60 Stunden die Woche arbeitet und auch noch nachts oder frühmorgen­s E-Mails beantworte­t. Damit können die Jugendlich­en der Generation Z nichts anfangen.“Und daraus entsteht ein Verständni­sproblem. Auf beiden Seiten.

Das geht weiter beim Thema Büro-Einrichtun­g oder Stellenaus­schreibung­en. „Diese Dinge werden meist von Älteren für Jüngere entworfen“, sagt Schlotter. „Das Ergebnis ist häufig nicht zielgruppe­norientier­t“, sagt er. Und plädiert deshalb dafür, mit der Zielgruppe selbst zu reden, was sie sich wünscht. „Die wollen zum Beispiel keine verspielte Einrichtun­g. Die sagen dann: Ich soll doch hier arbeiten.“Bemühen müssen sich die Arbeitgebe­r aber um die Jungen: Sie wollen einen Chef, der eine Art Familiener­satz ist. Und sie wissen, wie

Die Jungen gelten als konservati­v Arbeitgebe­r müssen sich mehr als früher bemühen

begehrt sie sind. Viele Ältere gehen demnächst in Rente, dafür kommen aber weniger Jüngere nach. Viele Firmen versuchen die Jungen deshalb mit Geschenken zu ködern: „Die Personaler sagen: Komm, ich schenke dir ein Auto. Aber die Jugendlich­en wollen das gar nicht. Die wollen lieber das Verspreche­n: Um 17 Uhr hast du Feierabend und keiner kontaktier­t dich mehr“, sagt Maas. Vielen Entscheide­rn fehlt dafür aber das Verständni­s, wenn es um die Anwerbung von neuen Mitarbeite­rn geht.

Braucht es also Samthandsc­huhChefs? „Nein, als Vorgesetzt­er muss man nicht auf jede Befindlich­keit Rücksicht nehmen“, sagt Maas. „Aber man muss es schaffen, die Einführung ins Unternehme­n gut zu gestalten. Dann bleiben die Jungen auch.“

 ?? Foto: Kzenon, stock.adobe.com ?? Die Generation Z ist vernetzt, global und digital. Gleichzeit­ig sind jungen Menschen aber traditione­lle Werte wichtig, genauso ein geregelter Feierabend. Home-Office oder ständige Erreichbar­keit lehnen sie dagegen eher ab.
Foto: Kzenon, stock.adobe.com Die Generation Z ist vernetzt, global und digital. Gleichzeit­ig sind jungen Menschen aber traditione­lle Werte wichtig, genauso ein geregelter Feierabend. Home-Office oder ständige Erreichbar­keit lehnen sie dagegen eher ab.

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