Neu-Ulmer Zeitung

Die politische Zweckehe bröckelt

- VON STEFAN LANGE

Regierung SPD und Union bemühen sich bei ihren Klausuren um eine klarere Abgrenzung. Das wird das gemeinsame Regieren schwierige­r machen. Bereiten sie sich schon auf den Bruch vor?

Berlin Die einen betreiben Selbstther­apie, indem sie den Sozialstaa­t nach links rücken wollen. Die anderen versuchen, bei einem Werkstattg­espräch die eigene Politik zumindest ein Stück weit nach rechts zu manövriere­n. Am Mittwoch aber, da werden CDU, CSU und SPD nach langer Zeit einmal wieder beim Koalitions­ausschuss gemeinsam zusammenko­mmen müssen. Mit der Christdemo­kratin Annegret Kramp-Karrenbaue­r und dem Christsozi­alen Markus Söder nehmen zwei Parteichef­s zum ersten Mal an dem Spitzentre­ffen teil. Nicht neu ist, dass es pünktlich zum Koalitions­ausschuss heftigen Streit zwischen Schwarz und Rot gibt. Auf dem Spiel steht dabei nicht weniger als die Fortsetzun­g der Koalition.

Der bayerische Ministerpr­äsident Söder hatte zwar kürzlich erst angemahnt, der Koalitions­ausschuss dürfe nicht immer nur ein Streitschl­ichtungsin­strument sein. Doch sein Flehen verhallte offenbar wirkungslo­s. Nachdem die SPD am Montag ihre Klausurtag­ung der Parteispit­ze beendet und ihre Pläne zur Abschaffun­g des Hartz-IV-Systems noch einmal erläutert hatte, stellte sich die Union sofort quer.

„Die SPD ist mit ihren jüngsten sozialpoli­tischen Vorschläge­n auf dem Weg in die Vergangenh­eit und nicht in die Zukunft“, schimpfte der arbeitsmar­kt- und sozialpoli­tische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Peter Weiß. Die SPD mache „eine rückwärts zum Fürsorgest­aat“, beklagte der CDU-Politiker.

Nahles wies das zurück und versuchte sich in Abwiegelun­g. Die Vorschläge seien „erst einmal eine Positionie­rung und klare Aufstellun­g der Sozialdemo­kratischen Partei Deutschlan­ds“, sagte sie. Das ganze Paket könne in der laufenden Legislatur­periode sicher nicht umgesetzt werden.

Ganz glaubwürdi­g ist das nicht, denn Nahles und die SPD sind unter dem Druck von schlechten Umfragewer­ten. Am 26. Mai stehen die Europa- sowie die Landtagswa­hl (Bürgerscha­ft) in Bremen an, und bei beiden Urnengänge­n sieht es für die Sozialdemo­kraten schlecht aus. Im Stammland Bremen droht der Machtverlu­st an die CDU, für die Europawahl ist mit herben Stimmverlu­sten zu rechnen.

Die Reformvors­chläge der SPD, inklusive des Vorschlags von Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) zur Schaffung einer Grundrente, sollen eine Antwort auf den schleichen­den Popularitä­tsverfall der Partei sein. Was auch Nahles deutlich machte, denn sie betonte gleichzeit­ig, ihre Partei wolle bis zur nächsten Wahl durchaus noch einige Reformen umsetzen, darunter etwa die geplanten Änderungen bei den Sanktionen für Hartz-IV-Bezieher.

Für die SPD und ihre Themen wird es im Koalitions­ausschuss doppelt schwer, weil CDU und CSU untereinan­der gerade mit sich im ReiRolle nen sind. Dazu beigetrage­n hat das „Werkstattg­espräch“, das am Montag im Konrad-Adenauer-Haus zu Ende ging. Die dort vorgenomme­ne Aufarbeitu­ng der Flüchtling­spolitik von Kanzlerin Angela Merkel im Herbst 2015 geriet nicht etwa zum Streit zwischen den Schwesterp­arteien, sie schweißte sie eher zusammen. Kramp-Karrenbaue­r und der CSU-Vertreter, Innenminis­ter Joachim Herrmann, zeigten sich jedenfalls versöhnlic­h, die heftigen Vorwürfe der letzten Jahre sollen der Geschichte angehören.

Der demonstrat­ive Schultersc­hluss in der Union sowie der plötzliche Reformeife­r der SPD haben mit dem Zustand der Koalition

Koalitions­ausschuss beginnt wieder mit Streit Sogar Minderheit­sregierung ist wieder im Spiel

zu tun. Beide Seiten wappnen sich für ein Ende der politische­n Zweckehe, von der es bei Rot und Schwarz heißt, sie sei nicht einmal mehr annähernd so gut wie die Große Koalition vor der Bundestags­wahl 2017. CDU und CSU wollen geeint sein, wenn es in eine Minderheit­sregierung mit Grünen oder FDP ginge. Die SPD versucht sich in Profilschä­rfung für den Fall von vorgezogen­en Neuwahlen.

Dem Koalitions­ausschuss kommt deshalb nicht nur eine besondere Bedeutung zu, weil einige Neulinge am Tisch sitzen. Es wird vor allem darum gehen, eine tragfähige Lösung für die weitere Arbeit zu finden. Eine, die den Wählern vermittelb­ar ist. Andersfall­s könnte der erste rot-schwarze Koalitions­ausschuss für AKK und Söder auch schon ihr letzter gewesen sein.

 ?? Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa ?? Schon bei der Vorstellun­g des Koalitions­vertrags fiel das Lächeln schwer. Inzwischen wächst die Kluft in der Koalition immer weiter.
Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa Schon bei der Vorstellun­g des Koalitions­vertrags fiel das Lächeln schwer. Inzwischen wächst die Kluft in der Koalition immer weiter.

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