„Das schockiert und erschüttert“
Interview Regisseur Fatih Akin hat schon einmal die höchste Auszeichnung der Berlinale erhalten. Nun ist er zurück mit „Der Goldene Handschuh“. Was hat ihn an dieser Horror-Story fasziniert?
Herr Akin, Sie haben immer persönliche Bezüge zu Ihren Filmen. Wie sah es bei „Der Goldene Handschuh“aus? Fatih Akin: Ich bin ein großer Fan von Charles Bukowski, den ich immer schon einmal verfilmen wollte. Aber das wäre in Los Angeles und zu weit weg. Als ich den Roman von Heinz Stunk gelesen habe, spürte ich ein starkes Bukowski-Echo. Zudem handelte es sich um die Geschichte eines Serienmörders in meiner Nachbarschaft. An diesem Projekt führte eigentlich gar kein Weg mehr vorbei.
Sind Sie ein Fan von Horrorfilmen? Akin: Absolut. Ich dachte immer, in Deutschland kann man Autorenfilme machen, so langweiliges Zeug eben Aber Genre-Kino ist nach wie vor schwierig, das wird den Amerikanern überlassen. Ich habe Liebe und Respekt für dieses Genre. Die Frage war, wie kann ich das sinnvoll in meine Arbeit einbauen. Bei dem Projekt war ich überzeugt, dass das funktioniert.
War Fritz Honka, die Hauptfigur des Films, Ihnen bekannt?
Akin: Nein, Honka ist irgendwie an mir vorbeigegangen. Entdeckt habe ich das alles erst durch den Roman.
Der Serienmörder als extremste Form im Umgang von Männern mit Frauen – Horrorfilm in Zeiten von #MeTooDebatten?
Akin: Ja natürlich, die #MeToo-Debatten waren präsent. Die meisten Männer begreifen nicht, was Gewalt an Frauen bedeutet. Männer brauchen eine Art Schocktherapie über das Visuelle, und ich wollte die Ge- walt deshalb explizit zeigen, so bedrückend, wie sie ist. Der Film hat die größten Machos in meinem Bekanntenkreis völlig fertiggemacht.
Wie blutig darf die Schlachtplatte auf der Leinwand ausfallen?
Akin: Die Frage ist, wie zeige ich das. Die Lösung lautet, dass ich mir die Gewalt selbst glauben muss. Gewalt als Selbstzweck zu zelebrieren, das kann ich nicht. Ich würde mir vorkommen wie ein Lügner. Ich wollte bei den Szenen nicht wegschwenken, aber auch keine TarantinoNummer daraus machen. Es ging um Wahrhaftigkeit und darum, die Würde zu behalten. Gegenüber den Opfern, aber auch gegenüber dem Mörder. Das mit dem Kopfabsägen ist eine schwierige Sache. Zu Beginn von
Fatih Akins neuem Film „Der Goldene Handschuh“weiß Fritz Honka nicht so recht, was er mit der Frauenleiche machen soll. Honka – eine Gestalt mit gebücktem Gang und schiefen Zähnen – nimmt die Säge. Setzt an, bricht ab, trinkt Schnaps, raucht eine. Dann legt er Schlager auf: „Es geht eine Träne auf Reisen …“Mit „Der Goldene Handschuh“hat Akin den gleichnamigen Roman von Heinz Strunk verfilmt, nach einem wahren Fall – Honka, das war der Mann, der in den 1970er Jahren in Hamburg mehrere Frauen umgebracht, zerstückelt und die Leichenteile in seiner Wohnung versteckt hat. Akins Film ist momentweise eklig, manchmal Was hat der minutenlange Todeskampf der Erwürgten noch mit Würde zu tun?
Akin: Die Frau stirbt nicht so einfach, sondern sie möchte leben. Dieses Drama wollte ich drastisch darstellen. Das berührt und schockiert und erschüttert den Zuschauer. Genau das war dabei die Absicht.
Die Absicht könnte man auch voyeuristisch nennen.
Akin: Wir sind alle Voyeure, ob als Filmemacher oder als Menschen. Wer fährt an einem Unfall vorbei und schaut nicht hin? Voyeurismus ist auch etwas Positives, ein Überlebensinstinkt. Das weiß ich von unserer Psychologin, die am Set dabei war. skurril, gelegentlich spannend, geht aber nie unter die Haut. Mehr als ein Kaleidoskop des Grauens wird nicht gezeigt. Neben Hauptdarsteller Jonas Dassler, der sich mit viel Maske in ein Monster verwandelt, geben auch Schauspielerinnen wie Margarethe Tiesel und Martina Eitner-Acheampong dem Film eine schmerzhafte Körperlichkeit. Sie spielen Frauen, die ganz unten sind, Alkoholikerinnen und frühere Prostituierte. Vieles ist wie eine Groteske inszeniert. Honka hängt gegen den Leichengeruch grüne Duftbäumchen auf. Es wird gekotzt, gewürgt, geschlachtet, vergewaltigt, gemordet. Meist geschieht das jedoch erwartbar, nicht überraschend – was den Film letztlich von einem echten Horrorschocker unterscheidet. (dpa) Weshalb hatten Sie eine Psychologin beim Dreh mit dabei?
Akin: Das war die Idee unserer Produzentin. Sie wollte, dass bei solchen drastischen Szenen jemand da ist, der den Schauspielern das Gefühl von Sicherheit gibt. Zu ihr musste niemand hingehen, aber es war gut, dass die Möglichkeit dazu bestand.
Hat jemand psychologische Hilfe in Anspruch genommen?
Akin: „Mir geht’s so schlecht, wo ist die Couch“-Fälle hat es nicht gegeben. Man hat eher zu RechercheZwecken bei der Psychologin nachgefragt, wie es den jeweiligen Personen wohl in bestimmten Situationen gegangen sein muss.
Im Unterschied zum Roman lassen Sie die Vorgeschichte der Figuren weg. Aus welchem Grund?
Akin: Im Drehbuch war das ursprünglich vorhanden, aber instinktiv habe ich mich dann dagegen entschieden. Man kann solche pathologischen Taten auch gar nicht erklären. Zudem erlaubt mir das eine viel größere kreative Freiheit, da kann man auf der Leinwand malen. Am Ende des Tages ist es ja nur ein Film
Interview: Dieter Oßwald
Fatih Akin, geboren 1973 in Hamburg, gehört zu Deutschlands erfolgreichsten Filmregisseuren. 2004 gewann sein Drama „Gegen die Wand“den Goldenen Bären der Berlinale. 2017 erhielt der Neonazi-Thriller „Aus dem Nichts“einen Golden Globe und den Deutschen Filmpreis. suggerierten. Ryman stand auch in der Tradition von Künstlern wie Jackson Pollock, dessen „Action Painting“den Entstehungsprozess sichtbar werden ließ. Wurde weiße Farbe gewöhnlich als Hintergrund oder wegen ihrer Charakterlosigkeit genutzt, rückte Ryman sie in den Mittelpunkt.
1993 zeigte das Museum of Modern Art eine große Ryman-Retrospektive – genau 40 Jahre, nachdem er dort als Aufseher eingestellt worden war. Bei der Documenta in Kassel waren Rymans Arbeiten in den Jahren 1972, 1977 und 1982 zu sehen, zudem 1976 auf der Biennale in Venedig. Der Künstler erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den japanischen Praemium Imperiale. Im Jahr 2007 sagte Ryman: „Der wahre Zweck der Malerei ist, Vergnügen zu bereiten. Das ist wirklich der eigentliche Grund.“
Johannes Schmitt-Tegge, dpa
Schnaps und Leichen: „Der Goldene Handschuh“