Neu-Ulmer Zeitung

Ein Geheimnis trug zur Entstehung von Marienfrie­d bei

- VON RALPH MANHALTER

Geschichte Bei der Suche nach einem Standort für eine Kapelle im Wald bei Pfaffenhof­en geschah etwas Seltsames

Pfaffenhof­en Außerhalb der Region und des gelebten Katholizis­mus dürfte der Name des Gebetsorte­s bei Pfaffenhof­en nicht vielen Menschen geläufig sein. Dabei bewahrt dieser Platz am Wald ein Geheimnis, das wesentlich zur Entstehung der heutigen geweihten Stätte beitrug. Aber auch manch illustre und gar mysteriöse Strömungen verdienen es, in der Rückschau etwas genauer in den Fokus genommen zu werden.

Dem Besucher muss zunächst klar sein, dass die Stelle, an der sich heute das ausgedehnt­e Marienfrie­dAreal erstreckt, vor 75 Jahren noch dicht mit Bäumen bewachsen war. Zwar gab es ein Verspreche­n damaliger Pfaffenhof­er Mädchen und Frauen: Sie wollten im Fall, dass der Ort in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs verschont bleibe, eine Kapelle errichten. Aber die exakte Stelle, an welcher das Gelübde erfüllt werden sollte, war noch nicht besprochen. Zu diesen jungen Bürgerinne­n gehörte auch die damals 20-jährige Bärbel Rueß. Sie war, wie die anderen auch, Mitglied der durch die beiden Kriege geprägten christlich­en Schönstatt-Bewegung.

Als wenige Jahre darauf – Pfaffenhof­en blieb größtentei­ls von Kriegshand­lungen verschont – das Verspreche­n eingelöst werden sollte, begaben sich neben dem damaligen Pfarrer Martin Humpf und seiner Schwester Anna auch die junge Bärbel auf die Suche nach einem geeigneten Ort. Plötzlich, so berichtete­n die beiden Begleiter später, habe Bärbel mit einer unsichtbar­en Person zu sprechen begonnen. Weder der Geistliche noch dessen Schwester konnten etwas erkennen und schrieben das Erlebte einer geistigen Verwirrung Bärbels zu. Später sollte sich herausstel­len, dass diese bereits im Jahr 1940 ähnliche Visionen zu haben glaubte. Die Kapelle wurde schließlic­h errichtet, und zwar an der Stelle, an welcher Bärbel zu einer Unbekannte­n zu sprechen glaubte. Später will sie die Person als Maria identifizi­ert haben. 1947 erfolgte die Weihe der Kapelle.

Natürlich gelangten Berichte über die angeblich paranormal­en Vorgänge im Rothtal bis an den Augsburger Bischofsst­uhl. Umgehend wurde eine Untersuchu­ng der Ereignisse anberaumt, ohne jedoch zu einem finalen Ergebnis zu kommen. Möglicherw­eise war gerade dies der Freibrief für einige sektiereri­sche katholisch­e Gruppen, welche sich nun Stück für Stück den Gebetsort eroberten. Ultrakonse­rvative Strömungen wie das Engelwerk hätten in Marienfrie­d die Fäden gezogen, wurde später berichtet. Eine zentrale Aussage des Engelswerk­s lautete: Der Mensch könne vor Gott nur bestehen, wenn er sich mit einem Engel verbünde. Seinerzeit war die vom Mystizismu­s durchsetzt­e Dogmatisie­rung des Engelwerks nicht mit der Lehre der offizielle­n katholisch­en Kirche vereinbar. Eine Entflechtu­ng nahm in den 90er-Jahren erst Bischof Viktor Dammertz vor.

Nach einer erneuten Untersuchu­ng der Vorgänge um Fräulein Rueß entschloss sich die Diözese, Marienfrie­d nicht als Wallfahrts­ort anzuerkenn­en. Es blieb jedoch eine Gebetsstät­te der Schönstatt-Bewegung. Nach dem Rücktritt Dammertz´ und der Amtsüberga­be an Walter Mixa im Jahr 2005 begannen allerdings fundamenta­le Gruppen wieder verstärkt ein Auge auf Marienfrie­d zu werfen. Die erste Kirche, die 1972 wegen der stetig zunehmende­n Zahl von Gläubigen errichtet wurde, brannte bereits im Folgejahr wieder ab. Der daraufhin als Notkirche aus Fertigteil­en konstruier­te Neubau wurde letztendli­ch 2011 durch das jetzige Gotteshaus ersetzt. Das gesamte Areal fügt sich heute wohlgestal­tet mit verschiede­nen Gebetsgrot­ten, Kreuzweg und Exerzitien­haus in die Landschaft ein.

Bärbel Rueß hat das alles jedoch nicht mehr erlebt. Sie starb 1996 – ohne jemals wieder von ihren Erlebnisse­n als junge Frau zu sprechen.

 ?? Foto: Ralph Manhalter ?? Die erste Kapelle an der Gedenkstät­te Marienfrie­d bei Pfaffenhof­en wurde im Jahr 1947 geweiht.
Foto: Ralph Manhalter Die erste Kapelle an der Gedenkstät­te Marienfrie­d bei Pfaffenhof­en wurde im Jahr 1947 geweiht.
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