Die musikalischste Familie Neu-Ulms
Porträt Zehn Kinder hat das Ehepaar Eberenz aus Reutti – sieben davon spielen jeweils zwei Instrumente und waren schon bei „Jugend musiziert“erfolgreich. Das geht nur mit Organisation
Reutti Zehn Kinder im Haus, das ist eigentlich ja schon genug Trubel. Aber wie kommt eine Familie damit zurecht, wenn sieben davon ihre intensiven musikalischen Übungseinheiten auf verschiedenen Instrumenten im Tagesplan unterbringen sollen? „Es ist alles eine Frage der Organisation“, sagt der 17-jährige Joel Eberenz. „Wenn ich sage: Ich übe morgen um 7 Uhr, dann mache ich das auch.“Joel, Abiturient am Weißenhorner Nikolaus-Kopernikus-Gymnasium, ist der Älteste einer großen Geschwisterschar. Neun Brüder und Schwestern hat er. Zwei Schwestern sind noch im Kindergartenalter, und sein jüngstes Brüderchen ist erst sieben Monate alt. Die sieben Kinder der Familie Eberenz aber, die zwischen Grundschule und Abitur stehen, spielen jeweils zwei Instrumente – und ihre Ergebnisse beim Musikwettbewerb „Jugend musiziert“lassen sich sehen: Sie sind regelmäßig Erstpreisträger.
Der Regionalwettbewerb stand diesmal für die teilnehmenden Kinder der Familie unter schwierigen
Ein Brand machte ihr Haus zeitweise unbewohnbar
Vorzeichen: Im Dezember kam es im Haus der Familie im Stadtteil Reutti zu einem Kaminbrand. Die komplette Familie war zu jener Zeit gerade bei einem Adventskonzert im Kornhaus, sodass niemand zu Schaden kam, und sie hatte einen Teil ihrer Instrumente bei sich. Weitere Instrumente lagerten in ihren jeweiligen Kästen im Keller und blieben unbeschädigt, die beiden Klaviere der Familie aber wurden schwer in Mitleidenschaft gezogen. Eines ist nicht zu retten, das neuere immerhin kann repariert werden.
Die vier Klavier spielenden Kinder üben derzeit im Haus der NeuUlmer Baptisten-Gemeinde, der die Familie angehört; eine vorübergehende Wohngelegenheit fand sich für die ganze Familie bei Verwandten in Holzheim. Der Wettbewerb „Jugend musiziert“sei da „eine heiße Phase“gewesen, aber es habe funktioniert, erzählt David: Weder er noch sein Bruder Ruben ließen sich von den erschwerten Bedingungen irritieren. Beide brillierten am Klavier mit der Höchstwertung von 25 Punkten und werden im April beim Landeswettbewerb in Hof dabei sein. Bis dahin werden sie auch längst wieder zu Hause üben können – das Elternhaus soll zum 1. März wieder bezugsfertig sein. Schwesterchen Magdalena, die mit ihrer Violine Erstpreisträgerin wurde, ist erst sieben und darf noch nicht mit zum Landeswettbewerb.
Joel, der beim Konzert der Musik-Abiturienten seines Weißenhorner Gymnasiums im Januar mit einem Klavierkonzert Edvard Griegs begeisterte, möchte nach dem Abitur ein Handwerk lernen, aber in der Freizeit weiter Klavier spielen; sein Bruder David, der ebenfalls den musikalischen Zug des NKG besucht, wünscht sich dagegen eine berufliche Zukunft als Musiklehrer für Klavier. Die Eltern lassen ihren Kindern in diesen Entscheidungen freie Hand – ähnlich wie bei der Entscheidung, welche Instrumente sie spielen wollen. Beratend stehen die Eltern aber durchaus zur Seite, erzählt Joel; das Geld für den Musikunterricht – den die Kinder teilweise in Reutti, teilweise in Nersingen und teilweise an der Neu-Ulmer Musikschule haben – ist gut ange- legt, weil die Beschäftigung mit der Musik gut ist für den Menschen, davon ist Vater Anatoli überzeugt. Er erfüllte sich als junger Mann seinen eigenen Wunschtraum und kaufte sich ein Saxofon, das zu spielen er sich aber autodidaktisch beibrachte. David gibt ihm recht: „Man lernt in der Musik dranzubleiben, und das ist etwas Sinnvolles. Außerdem ist zusammen zu musizieren toll.“Seine Frau sei eine gute Geigerin und Sängerin, erzählt Anatoli Eberenz, und auch die Kinder singen – neben dem instrumentalen Musizieren – nahezu alle gern und gut. „Besonders David singt fast den ganzen Tag!“
Woher die Musikalität kommt? Anatoli Eberenz überlegt. „Wahrscheinlich mehr von der Mutter, und der Opa der Kinder war Musiklehrer. Aber da darf man sich nichts vormachen – Musik ist zwar auch Begabung, aber ein großer Teil ist handwerkliches Üben und ein harter Job.“Damit das im Tagesablauf unterzubringen ist, braucht es allerdings im Familienalltag tatsächlich eine sorgfältige Organisation, zumal einige der fünf großen Brüder Joel, Ruben, Lukas, Manuel und David musikalisch auch schon als Duo aufgetreten sind. Im Sommer fahren die Kinder auch mit dem Rad zum Musikunterricht, sonst aber erfüllen Vater und Mutter regelmäßig Taxidienste. Und Unterstützung braucht es auch, wenn nach den Fortschritten der ersten Begeisterung mit einem Instrument die Phase der geringen Fortschritte folgt. „Wenn man die bewältigt hat, ist es wieder toll, und man mag gar nicht aufhören zu spielen“, bestätigt Joel.
Ein Familienorchester? Doch, sie alle genießen es, zusammen Musik zu machen. „Aber wenn es mal still ist im Haus, das hat auch etwas für sich“, sagt Anatoli Eberenz.