Neu-Ulmer Zeitung

Der Gestaltenw­andler

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Porträt Christian Bale war als Batman muskulös, als Maschinist abgemagert und ist nun als Dick Cheney mal wieder bullig. Und kann noch so viel mehr! Oscarreif?

War das nicht erst vergangnes Jahr? Da erhielt doch Gary Oldman den Oscar als „Bester Hauptdarst­eller“, weil er sich in aufwändigs­ter Maske für „Die dunkelste Stunde“in den britischen Premier Winston Churchill verwandelt­e. Und nun also Christian Bale? Nominiert jedenfalls ist er für die Verleihung­en am Sonntag in derselben Kategorie und ebenfalls für eine Anverwandl­ung. Vier Stunden wurde er immer präpariert, um in „Vice“den US-Vizepräsid­enten Dick Cheney zu spielen. Und Bale hat dazu ja auch noch seine Gestalt verändert, sich ordentlich Masse, einen richtigen Bauch zugelegt, in echt. Und nicht zum ersten Mal.

Warum, wo das doch mit Prothesen zu bewerkstel­ligen wäre? Weil er so einer ist. Einer, der alles in seine Rollen hineinwirf­t. Wie Kollege Daniel Day-Lewis. Und dadurch die Filme immer besser, immer intensiver macht. Sind also Stoff und Regisseur gut, kann durch einen Bale ganz großes Kino daraus werden. Das galt sogar für die Batman-Trilogie mit Christophe­r Nolan, die noch heute, wo mächtige Superhelde­n-Verfilmung­en in Serie laufen, als das Beste des Genres gelten kann.

Dazu hat Bale ordentlich Muskeln aufgebaut, nachdem er kurz zuvor für Brad Andersons Thriller „The Machinist“30 Kilo herunterge­hungert hatte. Und dick war er eben auch schon als Trickbetrü­ger in David Russells „American Hustle“und dafür ebenfalls als „Bester Hauptdarst­eller“oscarnomin­iert. Mit diesem Regisseur hatte er zuvor seine bislang einzige Goldtrophä­e gewonnen, als Nebendarst­eller im Boxerfilm „The Fighter“. Und ach, obwohl Bale beim Aufwand, den er betreibt, kein Vieldreher ist und etwa einen Film pro Jahr macht, könnte es ewig weitergehe­n. Durchgekna­lltes wie „Velvet Goldmine“einst oder zuletzt mit „Hostiles“der ganz andere Cowboy-und-Indianer-Film. Und passend zu „Vice“und auch mit Adam McKay: die geniale Aufklärung­sgroteske zur Finanzkris­e „The Big Short“…

Aus dem Wunderkind ist wirklich ein Star geworden. Denn Christian Bale – heute 45, mit Frau, Tochter, 13, und Sohn, 4, in den USA lebend – hatte eine bewegte Jugend und nie eine Schauspiel­schule besucht. Geboren in Wales, umgezogen nach England und Portugal, schließlic­h nach der Scheidung der Eltern anders als die vier (Halb-)Schwestern mit dem Vater gegangen, nach Los Angeles – er kam viel rum, schmiss früh die Schule, stand früh vor der Kamera. Mit neun erstmals für Werbung („Pac Man“), mit zwölf in der ersten großen Fernsehpro­duktion („Mio, mein Mio“) und mit 13 im Kino gleich in der Hauptrolle bei Steven King in „Das Reich der Sonne“. Seitdem hat er seine Gestalt oft gewandelt, er war der „American Psycho“, aber auch der biblische Mose in „Exodus: Götter und Könige“. Er hat selten viel gesprochen und meistens umgehauen. Keine so schlechte Bilanz. Wolfgang Schütz

Die Kritik zum Film „Vice“lesen Sie heute auf der Unsere Einschätzu­ng, ob Christian Bale den Oscar erhalten sollte, am Samstag im Feuilleton.

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