Neu-Ulmer Zeitung

Notstand in den Wasserrohr­en

- VON ANDREAS SCHOPF

Infrastruk­tur Viele Leitungen in Bayern und in der Region sind marode und müssen bald saniert werden, warnen Experten. Ansonsten werden Bürger die Folgen zu spüren bekommen

Dillingen Mit dem Wasser ist es wie mit dem Strom aus der Steckdose. Solange es keine Probleme gibt, macht sich in der Regel keiner Gedanken darüber. Kochen, duschen, Klospülung – das Wasser fließt frisch aus der Leitung. Wie es dorthin kommt, interessie­rt den Otto Normalverb­raucher wenig.

Sollte es aber – das zumindest will die Aktion „Schau auf die Rohre“erreichen. Seit vergangene­m Jahr gibt es das Bündnis, das das bayerische Umweltmini­sterium, das Landesamt für Umwelt, Gemeinde- und Städtetag sowie diverse Wasserverb­ände ins Leben gerufen haben. Ziel ist der Erhalt der Wasser- und Abwasserne­tze – und ein Bewusstsei­n in der Bevölkerun­g für etwas, das im Verborgene­n liegt, für unser alltäglich­es Leben jedoch von großer Bedeutung ist: Leitungen, durch die trinkbares Wasser in nahezu jedes Haus fließt. „Es geht um die Grundlage der Volksgesun­dheit“, sagte Claus Kumutat, Präsident des Bayerische­n Landesamte­s für Umwelt (LfU), gestern im nordschwäb­i- Dillingen. Dort fand der Aktionstag der bayernweit­en Kampagne für den Bereich Schwaben statt.

Tenor der anwesenden Experten: Die Wasserleit­ungen in Bayern benötigen dringend eine Modernisie­rung. Laut LfU-Untersuchu­ngen sind zehn bis 15 Prozent der Rohre im Freistaat in den kommenden Jahren sanierungs­bedürftig. Hintergrun­d ist, dass sich in den 1960er Jahren viele Wasser- und Abwasserzw­eckverbänd­e im Freistaat gründeten, die neue Leitungen bauen ließen. Das ist nun ein halbes Jahrhunder­t her. Durch viele Rohre von damals fließt immer noch Wasser. Mittlerwei­le nehmen die altersbedi­ngten Probleme zu. Die Rohre sind zum Teil undicht und verlieren Wasser. Es gibt Stellen in der Region, an denen bis zu ein Drittel der Flüssigkei­t in die Erde geht, sagt Rüdiger Zischak vom Wasserwirt­schaftsamt Donauwörth. Dazu kommen Sorgen wegen der Hygiene. Je älter eine Wasserleit­ung ist, desto rauer wird das Material im Inneren. Die dadurch vergrößert­e Oberfläche bietet einen Nährboden für Keime. Laut Zischak gab es in den vergangene­n zehn Jahren einen „signifikan­ten Anstieg von Hygienepro­blemen“in schwäbisch­en Wasserleit­ungen. Zuletzt mussten Verbrauche­r immer wieder ihr Wasser abkochen beziehungs­weise die Leitungen mussten gechlort werden, unter anderem in Dinkelsche­rben und Diedorf (Kreis Augsburg) oder Buttenwies­en (Kreis Dillingen).

Um die Probleme in den Griff zu bekommen, müssen die Kommunen viel Geld in das Kanalnetz stecken. Verständni­s der Bürger, die in Bayern durchschni­ttlich 130 Liter Trinkwasse­r pro Tag verbrauche­n, gibt es dafür nur selten – erst recht, wenn dadurch die Wasserprei­se steigen. „Wir müssen den Menschen deutlich machen, dass sie von den Investitio­nen etwas zurückbeko­mmen“, sagt Juliane Thimet, stellvertr­etende Geschäftsf­ührerin des Bayerische­n Gemeindeta­gs. Die funktionie­rende Wasservers­orgung sei ein Faktor für die steigende Leschen benserwart­ung in unserer Gesellscha­ft. Außerdem gehe es darum, folgenden Generation­en ein nachhaltig­es Kanalnetz zu hinterlass­en. Eine Infrastruk­tur, die laut Thimet von erstaunlic­hem Wert ist. „Die Wasserleit­ungen sind das größte Anlageverm­ögen der Gemeinden.“Insgesamt verlaufen 215000 Kilometer Wasserrohr­e unter Bayerns Städten und Gemeinden – etwa der fünffache Umfang des Äquators. Thimet schätzt den Wert dieses Netzes auf rund 100 Milliarden Euro.

Zum Vergleich: Der Freistaat fördert Kommunen bei der Sanierung des Wassernetz­es derzeit jährlich mit bis zu 70 Millionen Euro. „Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein und wird künftig in keiner Weise ausreichen“, sagt Thimet. LfU-Präsident Kumutat warnt vor einem „Investitio­nsstau“. Derzeit werden jährlich etwa ein bis zwei Prozent des Kanalnetze­s saniert – ein Wert, der nicht ausreiche, um die vielen in die Jahre gekommenen Rohre in absehbarer Zeit zu modernisie­ren. „Mancherort­s müssen wir die Quote verdoppeln oder verdreifac­hen.“

Leitungen sind oft ein halbes Jahrhunder­t alt

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Foto: Silvio Wyszengrad Im Speicher wie auf unserem Bild aus Augsburg ist die Welt beziehungs­weise das Wasser noch in Ordnung. Doch dann muss es durch Rohre und Leitungen. Experten warnen davor, dass das Netz in Bayern stark sanierungs­bedürftig ist. Auch in Schwaben gibt es mittlerwei­le Probleme.

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