Notstand in den Wasserrohren
Infrastruktur Viele Leitungen in Bayern und in der Region sind marode und müssen bald saniert werden, warnen Experten. Ansonsten werden Bürger die Folgen zu spüren bekommen
Dillingen Mit dem Wasser ist es wie mit dem Strom aus der Steckdose. Solange es keine Probleme gibt, macht sich in der Regel keiner Gedanken darüber. Kochen, duschen, Klospülung – das Wasser fließt frisch aus der Leitung. Wie es dorthin kommt, interessiert den Otto Normalverbraucher wenig.
Sollte es aber – das zumindest will die Aktion „Schau auf die Rohre“erreichen. Seit vergangenem Jahr gibt es das Bündnis, das das bayerische Umweltministerium, das Landesamt für Umwelt, Gemeinde- und Städtetag sowie diverse Wasserverbände ins Leben gerufen haben. Ziel ist der Erhalt der Wasser- und Abwassernetze – und ein Bewusstsein in der Bevölkerung für etwas, das im Verborgenen liegt, für unser alltägliches Leben jedoch von großer Bedeutung ist: Leitungen, durch die trinkbares Wasser in nahezu jedes Haus fließt. „Es geht um die Grundlage der Volksgesundheit“, sagte Claus Kumutat, Präsident des Bayerischen Landesamtes für Umwelt (LfU), gestern im nordschwäbi- Dillingen. Dort fand der Aktionstag der bayernweiten Kampagne für den Bereich Schwaben statt.
Tenor der anwesenden Experten: Die Wasserleitungen in Bayern benötigen dringend eine Modernisierung. Laut LfU-Untersuchungen sind zehn bis 15 Prozent der Rohre im Freistaat in den kommenden Jahren sanierungsbedürftig. Hintergrund ist, dass sich in den 1960er Jahren viele Wasser- und Abwasserzweckverbände im Freistaat gründeten, die neue Leitungen bauen ließen. Das ist nun ein halbes Jahrhundert her. Durch viele Rohre von damals fließt immer noch Wasser. Mittlerweile nehmen die altersbedingten Probleme zu. Die Rohre sind zum Teil undicht und verlieren Wasser. Es gibt Stellen in der Region, an denen bis zu ein Drittel der Flüssigkeit in die Erde geht, sagt Rüdiger Zischak vom Wasserwirtschaftsamt Donauwörth. Dazu kommen Sorgen wegen der Hygiene. Je älter eine Wasserleitung ist, desto rauer wird das Material im Inneren. Die dadurch vergrößerte Oberfläche bietet einen Nährboden für Keime. Laut Zischak gab es in den vergangenen zehn Jahren einen „signifikanten Anstieg von Hygieneproblemen“in schwäbischen Wasserleitungen. Zuletzt mussten Verbraucher immer wieder ihr Wasser abkochen beziehungsweise die Leitungen mussten gechlort werden, unter anderem in Dinkelscherben und Diedorf (Kreis Augsburg) oder Buttenwiesen (Kreis Dillingen).
Um die Probleme in den Griff zu bekommen, müssen die Kommunen viel Geld in das Kanalnetz stecken. Verständnis der Bürger, die in Bayern durchschnittlich 130 Liter Trinkwasser pro Tag verbrauchen, gibt es dafür nur selten – erst recht, wenn dadurch die Wasserpreise steigen. „Wir müssen den Menschen deutlich machen, dass sie von den Investitionen etwas zurückbekommen“, sagt Juliane Thimet, stellvertretende Geschäftsführerin des Bayerischen Gemeindetags. Die funktionierende Wasserversorgung sei ein Faktor für die steigende Leschen benserwartung in unserer Gesellschaft. Außerdem gehe es darum, folgenden Generationen ein nachhaltiges Kanalnetz zu hinterlassen. Eine Infrastruktur, die laut Thimet von erstaunlichem Wert ist. „Die Wasserleitungen sind das größte Anlagevermögen der Gemeinden.“Insgesamt verlaufen 215000 Kilometer Wasserrohre unter Bayerns Städten und Gemeinden – etwa der fünffache Umfang des Äquators. Thimet schätzt den Wert dieses Netzes auf rund 100 Milliarden Euro.
Zum Vergleich: Der Freistaat fördert Kommunen bei der Sanierung des Wassernetzes derzeit jährlich mit bis zu 70 Millionen Euro. „Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein und wird künftig in keiner Weise ausreichen“, sagt Thimet. LfU-Präsident Kumutat warnt vor einem „Investitionsstau“. Derzeit werden jährlich etwa ein bis zwei Prozent des Kanalnetzes saniert – ein Wert, der nicht ausreiche, um die vielen in die Jahre gekommenen Rohre in absehbarer Zeit zu modernisieren. „Mancherorts müssen wir die Quote verdoppeln oder verdreifachen.“
Leitungen sind oft ein halbes Jahrhundert alt