Prominenten-Briefe von der Fälscherin
Can You Ever Forgive Me? Melissa McCarthy kann mehr als die Ulknudel geben. Jetzt funkeln ihre schauspielerischen Fähigkeiten in der Figur einer unzugänglichen Trinkerin, die sich einen ungewöhnlichen Job zugelegt hat
Dass sie eine schauspielerische Naturgewalt ist, machte Melissa McCarthy schon mit ihrem ersten markanten Kinoauftritt in „Brautalarm“(2011) unmissverständlich deutlich. Als Stand-up-Comedian hatte sie sich von den Bühnen New Yorker Clubs über TV-Auftritte in Serien wie „Gilmore Girls“tapfer den Weg auf die große Leinwand gebahnt. Aber wie viele Kolleginnen, die nicht über einen selbstoptimierten Body-Mass-Index verfügen, blieb sie in Hollywood mehr oder weniger auf die Rolle der Ulknudel festgelegt. Dabei kamen veritable, feministische Genre-Parodien wie „Spy: Susan Cooper Undercover“(2015) oder „Ghostbusters“(2016) heraus, aber auch unterirdische Tiefflieger wie zuletzt „The Happy Time Murders“.
Wenn man jedoch genau hinschaute, funkelten zwischen McCarthys komödiantischem Dau- immer wieder schauspielerische Qualitäten heraus, die auf ein sehr viel breiteres Kompetenzspektrum schließen ließen. Ihre Susan Cooper war eben nicht nur eine lustige 007-Persiflage, sondern auch eine vereinsamte CIA-Angestellte, deren Fähigkeiten von ihrem beruflichen Umfeld konsequent unterschätzt wurden. Sehr lange musste Melissa McCarthy warten, bis man sie in Hollywood aus der Komödienecke heraustreten ließ. Nun endlich kann sie sich in Marielle Hellers „Can You Ever Forgive Me?“von der LustspielStigmatisierung befreien.
Basierend auf einer wahren Geschichte spielt McCarthy hier die Biografin Lee Israel. Deren letzter Bestseller-Erfolg liegt schon einige Jahre zurück. Das neue Projekt trifft bei der Agentin auf Skepsis und der Brot-Job in einer Anwaltskanzlei, den sie mit einer Flasche Whisky auf dem Schreibtisch verrichtete, wird ihr gekündigt. Mit der Miete drei Monate im Rückstand macht sie sich im New York der frühen 90er auf die Suche nach alternativen Einkommensquellen. Sie findet heraus, dass Antiquariate und Sammler für Briefe berühmter Autoren eine Menge Geld zahlen. Und so macht sich Lee mit alten Schreibmaschinen daran, die literarischen Korrespondenzen zu fälschen. Als erfahrene Biografin kennt sie sich aus in der Materie, hat den privaten Schreibstil einer Marlene Dietrich oder Dorothy Parker genau studiert und erweist sich als begnadete Imitatorin. Das Geschäft, für das sie ihren schwulen Trinkkumpanen Jack (Richard E. Grant) als Komplizen rekrutiert, floriert bestens, bis das FBI auf ihre Spur kommt.
Im Gewand einer unterhaltsamen, kleinkriminellen Schelmenkomödie zeichnen Heller und ihre Drehbuchautorinnen Nicole Holofcener und Jeff Whitty das Porträt eierfeuerwerk ner tief vereinsamten Frau. Interessant dabei ist der mitleidlose Blick, mit dem der Film auf seine sehr alleinstehende Hauptfigur schaut. McCarthy spielt die garstige 51-Jährige als abweisende, unzugängliche Alkoholikerin, die seit der Trennung von ihrer Geliebten eigentlich nur noch zu ihrer Katze freundliche Gefühle entwickeln kann. Es ist ein mutiger Schritt, die Protagonistin, nicht als Sympathieträgerin und Identifikationsfigur aufzubauen, sondern sie in aller Widerspenstigkeit und Verbitterung zu belassen.
Dass man diese Lee Israel am Ende des Films dennoch mag, liegt nicht an einer Katharsis der Heldin, sondern an unserem veränderten Blick auf deren Eigenwilligkeit. Melissa McCarthy überzeugt durch fein nuanciertes Spiel und verleiht ihrer Figur durch die abweisende Oberfläche hindurch emotionale Tiefe. Ihre Oscarnominierung in der Kategorie „Beste Hauptdarstellerin“hat sie sich mehr als verdient.