Investor will Mieter loswerden
Ärger Ein Unternehmer aus dem Kreis Biberach hat ein Wohnhaus in Senden gekauft und den Bewohnern gekündigt. Die suchen nun verzweifelt neue Bleiben. Ähnliche Fälle gab es in Ulm
Ay Seit mehr als 20 Jahren wohnt eine Sendenerin nun schon in derselben Wohnung im Stadtteil Ay. Eigentlich wollte sie dort auch als Rentnerin bleiben, denn die gemütlichen vier Wände wären auch mit geringerem Einkommen bezahlbar. Doch daraus wird nichts: Die Sendenerin und ihre Nachbarn in dem Sechs-Parteien-Haus in Ay müssen ihr Zuhause verlassen. Denn ein Investor hat das Haus in der Josef-Refle-Straße gekauft und allen Mietern die Verträge gekündigt. Der Grund: Das Haus soll saniert und die Wohnungen danach weitaus lukrativer neu vermietet werden.
Im Auge hat der neue Eigentümer, ein Investor aus dem Landkreis Biberach, dafür ein Modell, das er schon öfter in der Region umgesetzt hat: die Wohnungen, in denen zurzeit
Aus einer Wohnung werden mehrere WG-Zimmer
Paare oder Familien wohnen, zu Wohngemeinschaften (WG) umzufunktionieren. Die kommen nicht nur bei Studenten gut an, sagt der Anwalt des Investors, Achim Ziegler. Immer mehr Menschen könnten sich mit ihrem Gehalt keine eigene Wohnung mehr leisten, wollen jedoch trotzdem Privatsphäre. Mit dem WG-Modell habe jeder sein eigenes Zimmer, in der Regel teilen sich die Bewohner Küche und Bad. „So wird der vorhandene Wohnraum für mehr Menschen genutzt“, so Ziegler.
Die derzeitigen Mieter wollen nicht in einem WG-Zimmer leben. Doch in der aktuellen Zeit eine bezahlbare Wohnung zu finden, sei schier unmöglich. Sie sei nicht auf Senden festgelegt, erzählt die Mieterin. Doch auch bei Besichtigungen in anderen Orten gebe es 100 Anfragen auf eine Wohnung. Und wenn eine infrage komme, könne man sie nicht bezahlen. Als rauskam, dass das Sechs-Parteien-Haus in Ay verkauft wurde, haben die Bewohner nach eigener Aussage nicht damit gerechnet, ausziehen zu müssen. „Wir sind aus allen Wolken gefallen“, sagt die Mieterin.
Bekannt wurde die WG-Masche des Biberachers durch drei Fälle im Raum Ulm. Wie berichtet, haben sich Bewohner in Böfingen gegen die plötzliche Kündigung ihrer Mietverhältnisse zur Wehr gesetzt. Der neue Hauseigentümer hatte ihnen über die Biberacher Anwaltskanzlei Ziegler zum nächstmöglichen Zeitpunkt gekündigt. Mieter, die schon länger im Haus wohnten, etwas mehr Puffer, andere nur wenige Monate. Die Kündigungsfristen seien im Gesetz festgeschrieben, so erklärt es der Anwalt.
Den Mietern in Ulm wurde in dem Schreiben mitgeteilt, dass aus den sechs Wohnungen 26 WG-Zimmer werden sollen. „Im Gegensatz zu den jetzt erzielten Mieteinkünften für die vorhandenen Wohnungen wird unser Mandant hierdurch deutlich höhere Mieteinnahmen für die gleichen Räumlichkeiten erzielen können“, heißt es in dem damaligen Kündigungsschreiben des Anwalts, das unserer Zeitung vorliegt. Deshalb werde der Eigentümer das Haus umbauen lassen, „um es einer deutlich besseren und angemesseneren wirtschaftlichen Verwertung zuzuführen“. Bei der Fortsetzung der jetzigen Mietverhältnisse „würden unserem Mandanten nicht unerhebliche wirtschaftliche Nachteile entstehen“, heißt es. In einem Ulmer Fall gibt es eine Beispielrechnung: Statt 580 Euro kalt für die gesamte Wohnung könne der neue Besitzer eine Miete von 400 Euro kalt pro Zimmer erzielen. In den Mieterstreit hat sich sogar Ulms Bürgermeister Gunter Czisch eingeschaltet. Sendens Bürgermeister Raphael Bögge wusste auf Nachfrage unserer Redaktion nichts von dem Fall im Stadtteil Ay.
Im Ulmer Fall kamen Vorwürfe auf, die Mieter würden psychisch unter Druck und ohne jegliche Menschlichkeit auf die Straße gesetzt. Dagegen wehrt sich Anwalt Ziegler. „Wir schicken Kündigungen raus, das stimmt. Aber diese enthalten das Angebot, über die Beendigung des Mietverhältnisses und die Konditionen zu verhandeln.“Soll heißen: Die Mieter können eine Abfindung bekommen oder Mitarbekamen beiter des Investors bemühen sich um eine alternative Wohnung. „Bisher haben wir mit allen eine einvernehmliche Lösung gefunden“, so der Anwalt. Das Sechs-ParteienHaus in der Josef-Refle-Straße gehörte dem Vernehmen nach zuvor einer Frau, die es mehreren Erben vermacht hat. Diese wiederum verkauften die Immobilie an den Investor aus dem Nachbarlandkreis. Laut Anwalt Ziegler sei man auch in Ay in guten Verhandlungen mit den derzeitigen Mietern. Dennoch hat bisher offenbar niemand eine neue Wohnung gefunden, heißt es vonseiten der Sendener Mieter.
In Ulm hat sich der Streit offenbar erledigt. Der Investor hat sich mit den Mietern über Abfindungen geeignet, Kündigungen teilweise freiwillig zurückgenommen oder ihnen andere Wohnungen angeboten, teilt der Anwalt mit. (mit mase)