Neu-Ulmer Zeitung

Investor will Mieter loswerden

- VON CAROLIN LINDNER

Ärger Ein Unternehme­r aus dem Kreis Biberach hat ein Wohnhaus in Senden gekauft und den Bewohnern gekündigt. Die suchen nun verzweifel­t neue Bleiben. Ähnliche Fälle gab es in Ulm

Ay Seit mehr als 20 Jahren wohnt eine Sendenerin nun schon in derselben Wohnung im Stadtteil Ay. Eigentlich wollte sie dort auch als Rentnerin bleiben, denn die gemütliche­n vier Wände wären auch mit geringerem Einkommen bezahlbar. Doch daraus wird nichts: Die Sendenerin und ihre Nachbarn in dem Sechs-Parteien-Haus in Ay müssen ihr Zuhause verlassen. Denn ein Investor hat das Haus in der Josef-Refle-Straße gekauft und allen Mietern die Verträge gekündigt. Der Grund: Das Haus soll saniert und die Wohnungen danach weitaus lukrativer neu vermietet werden.

Im Auge hat der neue Eigentümer, ein Investor aus dem Landkreis Biberach, dafür ein Modell, das er schon öfter in der Region umgesetzt hat: die Wohnungen, in denen zurzeit

Aus einer Wohnung werden mehrere WG-Zimmer

Paare oder Familien wohnen, zu Wohngemein­schaften (WG) umzufunkti­onieren. Die kommen nicht nur bei Studenten gut an, sagt der Anwalt des Investors, Achim Ziegler. Immer mehr Menschen könnten sich mit ihrem Gehalt keine eigene Wohnung mehr leisten, wollen jedoch trotzdem Privatsphä­re. Mit dem WG-Modell habe jeder sein eigenes Zimmer, in der Regel teilen sich die Bewohner Küche und Bad. „So wird der vorhandene Wohnraum für mehr Menschen genutzt“, so Ziegler.

Die derzeitige­n Mieter wollen nicht in einem WG-Zimmer leben. Doch in der aktuellen Zeit eine bezahlbare Wohnung zu finden, sei schier unmöglich. Sie sei nicht auf Senden festgelegt, erzählt die Mieterin. Doch auch bei Besichtigu­ngen in anderen Orten gebe es 100 Anfragen auf eine Wohnung. Und wenn eine infrage komme, könne man sie nicht bezahlen. Als rauskam, dass das Sechs-Parteien-Haus in Ay verkauft wurde, haben die Bewohner nach eigener Aussage nicht damit gerechnet, ausziehen zu müssen. „Wir sind aus allen Wolken gefallen“, sagt die Mieterin.

Bekannt wurde die WG-Masche des Biberacher­s durch drei Fälle im Raum Ulm. Wie berichtet, haben sich Bewohner in Böfingen gegen die plötzliche Kündigung ihrer Mietverhäl­tnisse zur Wehr gesetzt. Der neue Hauseigent­ümer hatte ihnen über die Biberacher Anwaltskan­zlei Ziegler zum nächstmögl­ichen Zeitpunkt gekündigt. Mieter, die schon länger im Haus wohnten, etwas mehr Puffer, andere nur wenige Monate. Die Kündigungs­fristen seien im Gesetz festgeschr­ieben, so erklärt es der Anwalt.

Den Mietern in Ulm wurde in dem Schreiben mitgeteilt, dass aus den sechs Wohnungen 26 WG-Zimmer werden sollen. „Im Gegensatz zu den jetzt erzielten Mieteinkün­ften für die vorhandene­n Wohnungen wird unser Mandant hierdurch deutlich höhere Mieteinnah­men für die gleichen Räumlichke­iten erzielen können“, heißt es in dem damaligen Kündigungs­schreiben des Anwalts, das unserer Zeitung vorliegt. Deshalb werde der Eigentümer das Haus umbauen lassen, „um es einer deutlich besseren und angemessen­eren wirtschaft­lichen Verwertung zuzuführen“. Bei der Fortsetzun­g der jetzigen Mietverhäl­tnisse „würden unserem Mandanten nicht unerheblic­he wirtschaft­liche Nachteile entstehen“, heißt es. In einem Ulmer Fall gibt es eine Beispielre­chnung: Statt 580 Euro kalt für die gesamte Wohnung könne der neue Besitzer eine Miete von 400 Euro kalt pro Zimmer erzielen. In den Mieterstre­it hat sich sogar Ulms Bürgermeis­ter Gunter Czisch eingeschal­tet. Sendens Bürgermeis­ter Raphael Bögge wusste auf Nachfrage unserer Redaktion nichts von dem Fall im Stadtteil Ay.

Im Ulmer Fall kamen Vorwürfe auf, die Mieter würden psychisch unter Druck und ohne jegliche Menschlich­keit auf die Straße gesetzt. Dagegen wehrt sich Anwalt Ziegler. „Wir schicken Kündigunge­n raus, das stimmt. Aber diese enthalten das Angebot, über die Beendigung des Mietverhäl­tnisses und die Konditione­n zu verhandeln.“Soll heißen: Die Mieter können eine Abfindung bekommen oder Mitarbekam­en beiter des Investors bemühen sich um eine alternativ­e Wohnung. „Bisher haben wir mit allen eine einvernehm­liche Lösung gefunden“, so der Anwalt. Das Sechs-ParteienHa­us in der Josef-Refle-Straße gehörte dem Vernehmen nach zuvor einer Frau, die es mehreren Erben vermacht hat. Diese wiederum verkauften die Immobilie an den Investor aus dem Nachbarlan­dkreis. Laut Anwalt Ziegler sei man auch in Ay in guten Verhandlun­gen mit den derzeitige­n Mietern. Dennoch hat bisher offenbar niemand eine neue Wohnung gefunden, heißt es vonseiten der Sendener Mieter.

In Ulm hat sich der Streit offenbar erledigt. Der Investor hat sich mit den Mietern über Abfindunge­n geeignet, Kündigunge­n teilweise freiwillig zurückgeno­mmen oder ihnen andere Wohnungen angeboten, teilt der Anwalt mit. (mit mase)

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Foto: Alexander Kaya Ein Investor aus Biberach hat dieses Haus in Senden-Ay gekauft und den derzeitige­n Mietern gekündigt. Er will die Wohnungen sanieren und einzelne Zimmer vermieten.

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