Neu-Ulmer Zeitung

Er galt als das freundlich­e Gesicht des Iran

- VON MARTIN GEHLEN

Hintergrun­d Der Rücktritt des Außenminis­ters Zarif kam überrasche­nd. Die Hardliner in dem islamistis­chen Staat jubeln

Tunis Auf internatio­nalem Parkett galt er als das freundlich­e Gesicht Teherans. Stets lächelnd und charmant vertrat Mohammad Javad Zarif in den letzten fünf Jahren sein Land – zuletzt auf der Münchner Sicherheit­skonferenz. In der Nacht zu Dienstag nun warf Irans Außenminis­ter abrupt das Handtuch. „Vielen Dank für die Großzügigk­eit des tapferen iranischen Volkes und seiner Führung“, verabschie­dete sich der 59-Jährige auf Instagram, dem einzigen noch offenen sozialen Medium in der Islamische­n Republik. Gleichzeit­ig entschuldi­gte er sich für alle Mängel und Unzulängli­chkeiten seiner Amtsführun­g.

Die Hardliner jubeln. Ihnen war der weltgewand­te Chefdiplom­at schon lange ein Dorn im Auge, dem sie den Ausverkauf iranischer Interessen vorwarfen. Zarif dagegen, dessen Rücktritt Präsident Hassan Ruhani noch offiziell annehmen muss, verkörpert­e als Hauptarchi­tekt des Atomvertra­ges mit den fünf UN-Vetomächte­n plus Deutschlan­d eine Politik, die auf Entspannun­g setzte und den Iran von seiner globalen Isolierung befreien wollte.

Das Fass zum Überlaufen brachte am Montag offenbar der überrasche­nde Kurzbesuch von Syriens Diktator Baschar al-Assad in Teheran beim Obersten Revolution­sführer Ali Khamenei, von dem der Außenminis­ter gezielt ausgeschlo­ssen wurde. Neben Präsident Ruhani nahm stattdesse­n der Chef der Revolution­ären Auslandsbr­igaden teil, General Qassem Soleimani, der den iranischen Militärein­satz in Syrien befehligt. „Nach den Fotos von dem heutigen Treffen hat Javad Zarif als Außenminis­ter keinerlei Glaubwürdi­gkeit mehr in der Welt“, zitierte das Nachrichte­nportal eine SMS von Zarifs Handy.

Die neue Sanktionsp­olitik von US-Präsident Donald Trump brachte den iranischen Chefdiplom­aten daheim ebenfalls in die Defensive, auch wenn die drei europäisch­en Unterzeich­nermächte Deutschlan­d, Frankreich und Großbritan­nien den Boykott der USA zu durchkreuz­en versuchen. Dafür fordert Brüssel von Teheran tief greifende Reformen im hochkorrup­ten Bankensekt­or, die von Hardlinern und Regimeprof­iteuren mit allen Mitteln bekämpft werden.

Zarif, der sich bereits als Jugendlich­er den Zielen der Islamische­n Republik verschrieb, studierte in den USA an den Universitä­ten von San Francisco und Denver, wo er 1988 über das Thema „Sanktionen in internatio­nalem Recht“promoviert­e. Von 2002 bis 2007 war er der Botschafte­r seiner Heimat bei den Vereinten Nationen. Aus dieser Zeit stammt auch sein Ruf, der mit dem politische­n Establishm­ent der USA am besten vernetzte persische Politiker zu sein. Unter Präsident Mahmud Ahmadineds­chad wurde Zarif kaltgestel­lt. Dessen Nachfolger Hassan Ruhani holte ihn dann 2013 an die Spitze des Außenamtes.

Die Zerrissenh­eit der ideologisc­hen Lager im Iran sei ein „tödliches Gift für jede Außenpolit­ik“, erklärte Zarif in einem Zeitungsin­terview, das am Dienstag erschien. Er hoffe allerdings, das Außenminis­terium werde durch seinen Rücktritt wieder seine angestammt­e Rolle in den internatio­nalen Angelegenh­eiten bekommen, fügte er hinzu und beschwor das verstörte diplomatis­che Personal, weiter im Dienst zu bleiben und anders als ihr scheidende­r Chef, „von solchen Handlungen abzusehen“.

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Foto: afp Mohammad Javad Zarif

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