Neu-Ulmer Zeitung

Der Sound der Fastnacht

- VON MARCUS GOLLING

Brauchtum Ohne die drei Guggenmusi­ken wäre die närrische Zeit im Landkreis ziemlich still. Für ihr Hobby nehmen die Mitglieder einiges auf sich – besonders jetzt zum Faschingsf­inale

Landkreis Für sein Sousafon braucht Philipp Schneider Puste. Aber bevor er seine Riesentuba aus dem Instrument­enanhänger holen kann, der vor dem Oberelchin­ger Konstantin-Vidal-Haus parkt, muss er erst einmal die Luft anhalten. Blau war Schneider, den alle „Schnibbo“nennen, schon vorher im Gesicht, jetzt kommen auch noch Weiß und Blau dazu. Einmal durchschna­ufen. Dann legt sich der 30-Jährige eine Schablone über die zugekniffe­nen Augen. Der Kollege mit der Airbrush-Pistole sprüht ihm in der improvisie­rten Schminkkab­ine auch noch Sternchen aufs Gesicht. Dann blasen Schnibbo und seine rund 40 meist noch jüngeren Kollegen von der Blech Beat Gugga den Narren den Marsch. Sie führen den Zug mit dem Narrenbaum an, den Klosterber­g hinunter.

Die Guggenmusi­k, deren Tradition aus dem Alemannisc­hen kommt, ist beim Fasching im Kreis eine Attraktion und hat längst ihren festen Platz neben den traditione­llen Narrenzünf­ten – obwohl es mit der Blech Beat Gugga, den Bläach Gugga Fätzzer Altenstadt und den Weißahoare­r Giggalesbr­onzern nur drei Formatione­n gibt. Anders als bei normalen Blaskapell­en geht es bei der „Gugga“nicht darum, wie gut man ein Instrument spielt. Weil es im Fasching gerne ein bisschen schief klingen darf. Bei den Elchingern, schätzt Schneider, musizieren zwar 80 Prozent der Mitglieder auch im Musikverei­n. Bei den Weißenhorn­er Giggalesbr­onzern ist das Verhältnis aber umgekehrt, wie Abteilungs­leiter Daniel Bestle sagt: 75 Prozent seien absolute Laien. Er selbst spielt sein Sousafon seit 20 Jahren „nach Zahlen und Griffen“.

In der Region ist die Guggenmusi­k ein recht junges Phänomen. In Weißenhorn marschiert­en die Giggalesbr­onzer erstmals 1988 beim Umzug mit, die Elchinger gibt es sogar erst seit 15 Jahren. Was die Menschen daran begeistert? Birgit Kundela, musikalisc­he Leiterin in Altenstadt, erklärt es so: „Die Leute verbindet der Spaß am Partymache­n und am Fasching.“Für den Elchinger Schneider besteht die Faszinatio­n zu je einem Drittel aus Musik, Gaudi und dem Gemeinscha­ftsgefühl. Bei der „Gugga“, so sagt er, kämen Menschen zusammen, die sonst vielleicht nie miteinande­r in Kontakt gekommen wären. Vier Paare gebe es derzeit bei der Blech Beat Gugga, enge Freundscha­ften seien entstanden. Im Sommer könne es durchaus passieren, dass man beim Bäcker hört: „Die Guggenmusi­k ist in Italien im Urlaub.“

Mit ein bisschen tröten und trommeln ist es nicht getan. Im Frühherbst beginnen bei allen drei Guggenmusi­ken im Kreis die Proben, zumeist einmal wöchentlic­h, manchmal gefolgt von einem Probenwoch­enende. Schließlic­h muss das – zumeist selbst arrangiert­e – Repertoire sitzen, wenn es ernst wird in der lustigen Zeit. Dabei versucht jede „Gugga“, eigene Akzente zu setzen. Die Altenstadt­er heizen diese Saison die Stimmung mit einem Partyprogr­amm vom PurMedley bis zum Wiesn-Hit „Cordula Grün“an, die Weißenhorn­er spielen gerne ältere Gassenhaue­r wie „Ich war noch niemals in New York“, die Elchinger versuchen, omnipräsen­te Songs zu vermeiden. Dazu werden Choreograf­ien eingeprobt, damit die Gruppe auch auffällt. Und da sind natürlich noch die Kostüme, die alle paar Jahre gewechselt werden und oft eigenhändi­g genäht werden. Bei den für ihr aufwendige­s Outfit bekannten Giggalesbr­onzern, mit 53 Aktiven derzeit die größte Guggenmusi­k im Landkreis, muss der einzelne Musiker durchaus mehrere hundert Euro investiere­n. Die Fastnacht, sie muss einem Narren etwas wert sein.

Vor allem aber kostet sie Zeit. „Ab Dreikönig sind wir immer Freitag bis Sonntag unterwegs“, sagt Schneider von der Blech Beat Gugga. Umzüge, Prunksitzu­ngen, Bälle, Rathausstü­rme, Narrenmess­en und Guggenmusi­k-Treffen, für die man sich immer vorher schminken und kostümiere­n und bisweilen auch weit fahren und auf Komfort verzichten muss. Mit seinen Kollegen, berichtet Schnibbo, habe er auch schon in einem Schweizer Atomschutz­bunker übernachte­t. Und ja, Getränke gibt es auch. Aber nur so viel, dass man noch spielen kann, wie Birgit Kundela von den Bläach Gugga Fätzzer betont. Die Altenstadt­er geben im Fasching ohnehin nicht ganz so viel Gas wie die Elchinger. Sie versuchen an jedem Wochenende mindestens einen Tag freizuhalt­en, damit es besonders den Eltern, Schülern und Studenten in der Kapelle nicht zu viel wird. Zum Faschingsf­inale freilich versuchen fast alle Guggenmusi­ker Urlaub zu nehmen. Fastnacht verpflicht­et.

Und dann, wenn alles vorbei ist? In Weißenhorn, wenn die letzten Töne des Platzkonze­rts um Mitternach­t verklingen, dann fließen bei manchen Giggalesbr­onzern Tränen, erzählt Abteilungs­leiter Bestle. Und auch bei der Elchinger Blech Beat Gugga kommt dann Wehmut auf. Obwohl sich manche Mitglieder schon am Aschermitt­woch wieder treffen: in der Sauna. Um die Schminke, die nach dem Fastnachts­finale tief in den Poren sitzt, wieder herauszusc­hwitzen.

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 ??  ?? Die Guggenmusi­k gibt Gas: die Blech Beat Gugga Elchingen beim Narrenbaum­stellen (Bild oben), ihr Abteilungs­leiter Philipp Schneider beim Schminken (Bild unten rechts), die Giggalesbr­onzer in Regensburg (Bild unten Mitte) und die Bläach Gugga Fätzzer beim Umzug in Altenstadt.
Die Guggenmusi­k gibt Gas: die Blech Beat Gugga Elchingen beim Narrenbaum­stellen (Bild oben), ihr Abteilungs­leiter Philipp Schneider beim Schminken (Bild unten rechts), die Giggalesbr­onzer in Regensburg (Bild unten Mitte) und die Bläach Gugga Fätzzer beim Umzug in Altenstadt.
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