Ulm feiert die Druckkunst
Geschichte Seit einem Jahr zählen die historischen Techniken zum Kulturerbe. Ab Freitag ist eine Ausstellung im Künstlerhaus zu sehen. Interessierte können die verschiedenen Verfahren aber auch selbst ausprobieren
Ulm Aufstände und Revolutionen brauchen Papier und Farbe. Luthers Erfolg wäre ohne den Buchdruck nicht vorstellbar gewesen. Und der Bauernkrieg nahm Fahrt auf durch die Zwölf Artikel von Memmingen aus dem Jahr 1525 – das gedruckte Programm verbreitete sich im gesamten Heiligen Römischen Reich. Was heute Kunst ist, war einst ein unverzichtbares Mittel für Macht und Politik. „Die Setzer und Drucker waren vor Hunderten von Jahren schon linksgrün versifft“, scherzt Karl-Ernst Fetzer, gelernter Schriftsetzer, Werbefachmann und Mitglied der Druckwerkstatt Ulm.
So politisch wird es bei der Ausstellung im März nicht zugehen. „Wir feiern die Druckkunst“heißt das Projekt der Druckwerkstatt. Vor einem Jahr, am 15. März 2018, sind die künstlerischen Drucktechniken
Viele Druckpioniere kamen aus Deutschland
ins deutsche Unesco-Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen worden. Aus diesem Anlass gibt es genau ein Jahr später einen „Tag der Druckkunst“mit mehr als 220 Aktionen in ganz Deutschland, in zwei österreichischen Gemeinden und einer deutschsprachigen Ortschaft in Belgien. In Ulm läuft darüber hinaus von 1. bis 24. März eine Ausstellung im Künstlerhaus Ulm.
Die Aktionen in Ulm und anderen Städten beleuchten die historischen, handwerklich-künstlerischen Techniken, die von Deutschen geprägt wurden: Johannes Gutenberg erfand Mitte des 15. Jahrhunderts den Buchdruck mit beweglichen Lettern. Schon vor ihm druckten unbekannte Meister Andachtsbilder und Spielkarten mit der Technik des Holzschnitts. Albrecht Dürer griff bei seinen Kupferstichen auf die Methoden von Goldschmieden und Waffengraveuren zurück, die Muster ihrer Gravuren druckten. Im 19. Jahrhundert wurde Papier über den Steindruck massenweise bedruckt. Und bis in die 80er Jahre arbeiteten Zeitungsdruckbetriebe mit Bleisatz. Nicht alle Erfindungen stammen aus Deutschland. Aber: „Die künstlerische Umsetzung ist eine deutsche Geschichte“, sagt der Maler, Bildhauer und Grafiker Bertram Bartl. Auch er ist Mitglied des Vereins, der
Druckwerkstatt trägt. Die Schau im Künstlerhaus soll nicht nur die Geschichte zeigen: „Wir wollen die alte Technik vermitteln. Wissen, das vor drei Jahrzehnten Standard war, geht verloren“, erklärt Bartl, der bei der Ausstellung auch eigene Drucke zeigen wird.
Bei der Ausstellung geht es nicht nur ums Ansehen, sondern auch ums Ausprobieren. Bei Druckvorführungen können sich Besucher zeigen lassen, wie alte Maschinen funktionieren. Und bei Mitmachaktionen dürfen sie selbst Hand anle-
gen. Die Kommunikationsdesignerin Adela Knajzl, die mit Drucktechniken experimentiert, hat Linolschnitte vorbereitet, die bei früheren Aktionen vor allem bei Kindern hervorragend ankamen: einen Bären und einen Apfel zum Beispiel, mit denen T-Shirts oder Taschen bedruckt werden können. „Die Kinder waren fast nicht mehr wegzubringen. Eines hat spontan den Pullover ausgezogen“, erinnert sich Knajzl.
Auch Ideen, die die Künstler auf der Illertisser Messe Gartenlust ausdie probieren konnten, greifen die Künstler der Druckwerkstatt wieder auf: Blumen und Blätter werden mit Farbe bestrichen und auf Papier gepresst, kleine und filigrane Kunstdrucke entstehen. Wer Texte drucken mag, kann sie in Styroporplatten ritzen, die mit Farbe bestrichen werden. Abwandlungen der Drucktechniken, die ohnehin schon zahlreich sind: Hochdruck, der wie ein Stempel funktioniert. Holz- und Linolschnitt. Steindruck mit fetthaltigen Teilen, die die Farbe aufnehmen. Radierungen, bei denen vertiefte
Teile der Platten die Farbe aufnehmen.
Einige der Blätter-und-BlütenDrucke haben die Künstler aufgehoben. „Ein tolles Kunstwerk“, sagt Bertram Bartl und streicht über ein postkartengroßes Blatt Papier. Es zeigt einen Abdruck in roter Farbe, wahrscheinlich von einem Buchenblatt. Zart heben sich die Adern in Weiß ab. Bartl sieht in den Drucken noch einen Aspekt: „Es ist die billigste Art, Kunst zu erwerben.“Besser, als großformatige Ikea-Poster mit bekannten Bildmotiven zu kaufen.