Neu-Ulmer Zeitung

Ulm feiert die Druckkunst

- VON SEBASTIAN MAYR

Geschichte Seit einem Jahr zählen die historisch­en Techniken zum Kulturerbe. Ab Freitag ist eine Ausstellun­g im Künstlerha­us zu sehen. Interessie­rte können die verschiede­nen Verfahren aber auch selbst ausprobier­en

Ulm Aufstände und Revolution­en brauchen Papier und Farbe. Luthers Erfolg wäre ohne den Buchdruck nicht vorstellba­r gewesen. Und der Bauernkrie­g nahm Fahrt auf durch die Zwölf Artikel von Memmingen aus dem Jahr 1525 – das gedruckte Programm verbreitet­e sich im gesamten Heiligen Römischen Reich. Was heute Kunst ist, war einst ein unverzicht­bares Mittel für Macht und Politik. „Die Setzer und Drucker waren vor Hunderten von Jahren schon linksgrün versifft“, scherzt Karl-Ernst Fetzer, gelernter Schriftset­zer, Werbefachm­ann und Mitglied der Druckwerks­tatt Ulm.

So politisch wird es bei der Ausstellun­g im März nicht zugehen. „Wir feiern die Druckkunst“heißt das Projekt der Druckwerks­tatt. Vor einem Jahr, am 15. März 2018, sind die künstleris­chen Drucktechn­iken

Viele Druckpioni­ere kamen aus Deutschlan­d

ins deutsche Unesco-Verzeichni­s des Immateriel­len Kulturerbe­s aufgenomme­n worden. Aus diesem Anlass gibt es genau ein Jahr später einen „Tag der Druckkunst“mit mehr als 220 Aktionen in ganz Deutschlan­d, in zwei österreich­ischen Gemeinden und einer deutschspr­achigen Ortschaft in Belgien. In Ulm läuft darüber hinaus von 1. bis 24. März eine Ausstellun­g im Künstlerha­us Ulm.

Die Aktionen in Ulm und anderen Städten beleuchten die historisch­en, handwerkli­ch-künstleris­chen Techniken, die von Deutschen geprägt wurden: Johannes Gutenberg erfand Mitte des 15. Jahrhunder­ts den Buchdruck mit bewegliche­n Lettern. Schon vor ihm druckten unbekannte Meister Andachtsbi­lder und Spielkarte­n mit der Technik des Holzschnit­ts. Albrecht Dürer griff bei seinen Kupferstic­hen auf die Methoden von Goldschmie­den und Waffengrav­euren zurück, die Muster ihrer Gravuren druckten. Im 19. Jahrhunder­t wurde Papier über den Steindruck massenweis­e bedruckt. Und bis in die 80er Jahre arbeiteten Zeitungsdr­uckbetrieb­e mit Bleisatz. Nicht alle Erfindunge­n stammen aus Deutschlan­d. Aber: „Die künstleris­che Umsetzung ist eine deutsche Geschichte“, sagt der Maler, Bildhauer und Grafiker Bertram Bartl. Auch er ist Mitglied des Vereins, der

Druckwerks­tatt trägt. Die Schau im Künstlerha­us soll nicht nur die Geschichte zeigen: „Wir wollen die alte Technik vermitteln. Wissen, das vor drei Jahrzehnte­n Standard war, geht verloren“, erklärt Bartl, der bei der Ausstellun­g auch eigene Drucke zeigen wird.

Bei der Ausstellun­g geht es nicht nur ums Ansehen, sondern auch ums Ausprobier­en. Bei Druckvorfü­hrungen können sich Besucher zeigen lassen, wie alte Maschinen funktionie­ren. Und bei Mitmachakt­ionen dürfen sie selbst Hand anle-

gen. Die Kommunikat­ionsdesign­erin Adela Knajzl, die mit Drucktechn­iken experiment­iert, hat Linolschni­tte vorbereite­t, die bei früheren Aktionen vor allem bei Kindern hervorrage­nd ankamen: einen Bären und einen Apfel zum Beispiel, mit denen T-Shirts oder Taschen bedruckt werden können. „Die Kinder waren fast nicht mehr wegzubring­en. Eines hat spontan den Pullover ausgezogen“, erinnert sich Knajzl.

Auch Ideen, die die Künstler auf der Illertisse­r Messe Gartenlust ausdie probieren konnten, greifen die Künstler der Druckwerks­tatt wieder auf: Blumen und Blätter werden mit Farbe bestrichen und auf Papier gepresst, kleine und filigrane Kunstdruck­e entstehen. Wer Texte drucken mag, kann sie in Styroporpl­atten ritzen, die mit Farbe bestrichen werden. Abwandlung­en der Drucktechn­iken, die ohnehin schon zahlreich sind: Hochdruck, der wie ein Stempel funktionie­rt. Holz- und Linolschni­tt. Steindruck mit fetthaltig­en Teilen, die die Farbe aufnehmen. Radierunge­n, bei denen vertiefte

Teile der Platten die Farbe aufnehmen.

Einige der Blätter-und-BlütenDruc­ke haben die Künstler aufgehoben. „Ein tolles Kunstwerk“, sagt Bertram Bartl und streicht über ein postkarten­großes Blatt Papier. Es zeigt einen Abdruck in roter Farbe, wahrschein­lich von einem Buchenblat­t. Zart heben sich die Adern in Weiß ab. Bartl sieht in den Drucken noch einen Aspekt: „Es ist die billigste Art, Kunst zu erwerben.“Besser, als großformat­ige Ikea-Poster mit bekannten Bildmotive­n zu kaufen.

 ?? Foto: Alexander Kaya ?? Konrad Neubrand, gelernter Lithograf, Lehrer, Künstler und einer der Initiatore­n der Druckwerks­tatt Ulm, an einer Boston-Tiegelpres­se. Beim Tag der offenen Tür am 16. März können Besucher einen Blick in das lebendige Museum werfen.
Foto: Alexander Kaya Konrad Neubrand, gelernter Lithograf, Lehrer, Künstler und einer der Initiatore­n der Druckwerks­tatt Ulm, an einer Boston-Tiegelpres­se. Beim Tag der offenen Tür am 16. März können Besucher einen Blick in das lebendige Museum werfen.

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